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# taz.de -- Polizei in der Kritik: Schüler wollte nicht mehr Amok laufen
> Bei den Ermittlungen zum vereitelten Kölner Amoklauf gerät die Polizei in
> die Kritik. Denn einer der beiden Schüler behauptet, den Plan schon lange
> aufgegeben zu haben.
Bild: Selbstmord statt Amoklauf - der Schüler Rolf B. warf sich vor eine Stra�…
Am Freitag spielte sich um 14.15 Uhr an einer Haltestelle in der Köln eine
blutige Szene ab: Der 17 Jahre alte Schüler Rolf B. warf sich vor eine
Straßenbahn. Trotz einer Notoperation starb er wenig später im Krankenhaus.
Drei Passanten, die die Szene beobachtet hatten, berichteten der Polizei,
dass sich der Junge habe offensichtlich umbringen wollen.
Der Selbstmord ist der traurige Höhepunkt einer Tragödie, die das Kölner
Georg-Büchner-Gymnasium erschüttert. Offenbar hatten Rolf B. und sein
Freund, der 18 Jahre alte Robin B., einen Amoklauf an der Schule geplant -
und zwar am 20. November, zum Jahrestag des Amoklaufs in Emsdetten. Dass es
nicht dazu kam, ist nicht allein den Ermittlungen der Polizei zu verdanken,
wie diese selbst verkündet. Doch offenbar hätten beide auch ohne das
Eingreifen der Polizei nicht zur Waffe gegriffen.
Aus Sicht der Polizei hat es sich so zugetragen: Die Schüler des in einem
Schulzentrum gelegenen Gymnasiums können auf einem internen Internetportal
persönliche Seiten gestalten. Rolf B. hatte auf seine Seite Szenen der
Attentäter an der Columbine-Highschool gestellt, die Überwachungskameras
gefilmt hatten. Die Bilder hatte er aus Michael Moores Film "Bowling for
Columbine". Nach einem Hinweis von Schülern informierte die Schulleitung
die Polizei.
Zwei Beamte erschienen daraufhin am Freitagvormittag in der Schule. Sie
wurden in einem Projekt "Gewalt an Schulen" eigens für eine solche
"Gefährdeansprache" geschult. "Es gab keinerlei Hinweis auf eine
Gefährlichkeit oder eine Gefährdung des Jugendlichen", berichtet
Polizeisprecher Georg Kraushaar. Rolf B. habe glaubhaft versichert, er habe
mit den Bildern nur auf das Problem hinweisen wollen. Die Beamten ließen
ihn laufen. Wenige Stunden später war Rolf B. tot.
Die nach dem Selbstmord gegründete Ermittlungsgruppe der Polizei bekam am
Samstag Hinweise von Schülern: Rolf B. und Robin B. hätten gemeinsam einen
Amoklauf geplant. Tatsächlich gestand der 18-jährige Robin B. in einer
Vernehmung am gleichen Tag Planungen für einen Amoklauf. "Er erzählte: Wir
haben vor, Leute zu verletzen und zu töten", sagt Kraushaar. Außerdem habe
Robin B. zugegeben, sich mit Rolf B. nach Bauanleitungen für Rohrbomben
erkundigt zu haben.
Die Polizei durchsuchte ihre Wohnungen und fand eine Liste mit 17 Namen von
Schülern und Lehrern, außerdem Softair-Waffen und zwei Sportarmbrüste mit
Metallpfeilen. Ferner stellten die Ermittler durchbohrte Plastikflaschen
sicher, die für Schussübungen gedient hatten. Die Armbrüste sind nach
Aussagen von Experten tödliche Waffen, wenn der Schütze richtig trifft.
"Die haben Reichweiten von mehreren hundert Metern, aber sind in
Deutschland ab 18 erhältlich", sagt ein Verkäufer eines
Sportwaffengeschäfts. Allerdings dauere es eine halbe Minute, die Ambrust
für einen zu Schuss zu spannen.
Für einen Amoklauf gibt es also geeignetere Waffen. Zudem fand die Polizei
bei der Durchsuchung keine Materialien, die für den Bau von
Molotowcocktails oder Rohrbomben nötig gewesen wären. Und: Warum schickten
Polizei und Schulleitung den 17-Jährigen einfach so nach Hause?
Entscheidend aber ist die Einschätzung der Kölner Staatsanwaltschaft. Sie
zweifelt daran, dass tatsächlich eine Bluttat verhindert wurde. Die Behörde
beschloss gestern, Robin B. nicht dem Haftrichter vorführen zu lassen.
Stattdessen wurde er in die Psychiatrie eingewiesen. "Wir gehen von einem
strafbefreienden Rücktritt von der Tat aus", sagte Sprecher Alf Willwacher.
Die Staatsanwaltschaft begründet dies mit einem wichtigen Detail in Robin
B.s Geständnis. Dieser hatte seinem Freund vor rund einem Monat erklärt,
bei dem Plan nicht mehr mitzumachen, und sogar die Pfeile für die Armbrust
zurückgefordert. Rolf B. habe daraufhin Zweifel bekommen, berichtete Robin
B. den Ermittlern. "Es ging in die Richtung: Alleine ziehe ich das nicht
durch." Der Straftatbestand Verabredung zu einem Verbrechen, der im Raum
stand, sei somit haltlos, sagt die Staatsanwaltschaft.
Es bleibt also offen, ob die Jugendlichen die Grenze zwischen Fantasie und
Wirklichkeit überschritten hätten. Am Montag danach sind die Klassenzimmer
der Georg-Büchner-Schule verwaist, nur aus dem Lehrerzimmer im ersten Stock
sind leise Stimmen zu hören. "Ich glaube nicht, dass er auf mich geschossen
hätte", sagt ein Lehrer.
Vor den in der Aula versammelten Journalisten versucht Rektorin Beatrix
Görtner ihre Fassungslosigkeit in Worte zu fassen. "Es gab keine
schulischen Probleme", beteuert sie. Vor zwei Jahren hatte sie Rolf und
Robin noch selbst unterrichtet. Aufgefallen sei ihr und ihren Kollegen
nichts. Bei Rolf habe es sich vielmehr um einen "leistungs- und
verhaltensmäßig völlig unauffälligen Schüler" gehandelt. Er sei "durchaus
integriert" gewesen. Er sei zwar "schon sehr introvertiert" gewesen, habe
aber auch keinen Anlass zur Sorge gegeben. Auf der einen Seite der Aula
prangt ein großes Transparent. "Menschenrechte" steht darauf. Das auf der
anderen Seite zeigt eine Weltkugel, über der Martin Luther Kings "I have a
dream" steht.
Schüler berichten anderes. Rolf und Robin seien "absolut nicht integriert"
gewesen, sagt eine frühere Schülerin, die die beiden kannte. Der kleine und
schmächtige Rolf B. sei früher gemobbt worden. "Alleine schon wegen seines
Vornamens", der manchen Mitschülern wegen seiner vermeintlichen
Antiquiertheit Anlass zum Spott gewesen sei. Wie es heißt, soll sich auch
Robin B. gemobbt gefühlt haben. Er sei "so ein Heavy-Metal-Typ" gewesen.
Aber auch er habe in keiner Weise aggressiv gewirkt. Trotz ihres
Außenseiterdaseins seien die beiden Zwölftklässler "sehr sympathisch und
nett" gewesen.
20 Nov 2007
## AUTOREN
P. Beucker
U. Schulte
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