# taz.de -- Normalzeit: Urbane Tiere, urbane Pflanzen | |
> Das Liebesleben der Tiere macht einen froh und traurig zugleich, sagt | |
> Michel Foucault. taz-Kolumnist Helmut Höge sagt nur: Knut. | |
Ich sage nur Knut. Tiere erfreuen sich einer immer noch steigerungsfähigen | |
Beliebtheit - je mehr wir uns denaturieren. Der Song "Lets do it like the | |
animal on the discovery channel" schaffte es in ebenso viele Hitparaden, | |
wie es Länder gibt, in denen man diesen Natur- und Tiersender empfangen | |
kann. Davon profitieren auch die Tiere und Pflanzen, die es mehr und mehr | |
in die Stadt zieht. Die sich diesem Phänomen widmenden Biologen, wie der | |
Berliner Riechelmann und der Münchner Reichholf, sprechen von einer | |
regelrechten Landflucht: In den Städten gebe es bereits eine größere | |
Artenvielfalt als auf dem Land. Dort ist man auch eher bereit, diese | |
letzten "Wilden" willkommen zu heißen, außerdem herrscht hier Waffenverbot. | |
Und statt von verrohtem Landvolk ist zumindest Berlin voll von | |
Kopfarbeitern, die Tiere erforschen bzw. besingen. | |
Erwähnt sei der ehemalige taz-Redakteur Wiglaf Droste, dessen beste | |
Gedichte von unseren bepelzten und gefiederten Lieblingen handeln. Eine die | |
Krähen schwer verunglimpfende Glosse stieß dagegen nicht nur beim | |
taz-Biologen Riechelmann auf scharfe Kritik, sie brachte ihm darüber hinaus | |
fast ein Schreibverbot hier im Haus ein. Auf einer Lesung aus dem neuen | |
Buch "Morgens leicht, später laut" im taz-Café erfuhren wir neulich, dass | |
auch Detlef Kuhlbrodts Feuilletons immer dann am besten gefallen, wenn es | |
dabei um Tiere - angefahrene Igel zum Beispiel - geht. Und in der | |
Frankfurter taz-Redaktion saßen beziehungsweise sitzen gleich mehrere | |
Mitarbeiter, die sich am liebsten mit Tieren (im Rhein-Main-Gebiet, aber | |
nicht nur dort) befassen. Zuletzt verfasste dort Heide Platen einen | |
Kommentar über den Bären Bruno sowie Porträts von Kormoranen, Kamelen und | |
Eichhörnchen. | |
Auch die taz-Ökoredaktion ist immer mal wieder für eine Recherche über | |
Tiere und Pflanzen gut, Ähnliches gilt für die Wissenschaftsredaktion. Und | |
für den gelegentlichen taz-zwei-Kolumnisten Matthias Stührwoldt sowieso: | |
Der schleswig-holsteinische Biobauer und frühere Abonnent des Kleinen | |
Tierfreunds hat seine gesammelten Kolumnen gerade in einem neuen Buch, | |
"Schubkarrenrennen: Frische Texte ab Hof" veröffentlicht. | |
Ich habe mich als Betreuer der Kolumne "Agronauten" in letzter Zeit vor | |
allem über Bakterien und andere Mikroorganismen ausgelassen, bei denen man | |
noch nicht zwischen Pflanzen, Pilzen und Tieren unterscheiden kann. Daneben | |
bin ich aber noch für sechs große Topfpflanzen im taz-Konferenzsaal quasi | |
zuständig. Zu den taz-Büropflanzen generell sei gesagt: Je mehr sich die | |
Leute mit ihrem Arbeitsplatz perspektivisch identifizieren, desto mehr | |
Pflanzen stellen sie um sich herum auf - zur Motivierung ihres eigenen | |
Wurzelschlagens im "Projekt". | |
In den meisten Redaktionen gibt es so gut wie keine Topfpflanzen, höchstens | |
zum Geburtstag mal den ein oder anderen Blumenstrauß. Im Verlags- und | |
Chefredaktions- sowie im EDV- und im Genossenschaftsbüro sieht es dagegen | |
wie in einem Gewächshaus aus. Und während sich die Chefredakteurin die | |
Pflanzenpflege mit ihren Assistentinnen teilt, haben die Büroleute noch die | |
Pflege und das Mähen des Rasens auf der Dachterrasse übernommen. Dort sowie | |
auf ihrem Balkon ziehen sie außerdem noch jede Menge Sonnenblumen, | |
Erdbeeren, Bohnen, Schafsgarben, Disteln und Topinambur in Töpfen. | |
Einige der Büroleute haben darüber hinaus auch zu Hause noch einen Garten, | |
sodass die Pflanzen manchmal hin- und herwandern - zumindest ihre Ableger. | |
Überhaupt ist es ja bei Pflanzenliebhabern oft so, dass man die Nachzucht | |
untereinander austauscht. Ich verschenke zum Beispiel gerne kleine | |
Goethepflanzen. Dabei handelt es sich um ein indisches Dickblattgewächs, | |
das nachts Kohlendioxid für seine Photosynthese aufnimmt und in jedem | |
gezähnten Blattwinkel neue Pflänzchen ausbildet, die nach einiger Zeit | |
abfallen. Goethe hat sie sehr gemocht, deswegen heißt sie auch so. Aus | |
demselben Grund hat Rudolf Steiner sie dann als Heilpflanze - gegen | |
"hysterische Erscheinungen" - empfohlen. | |
27 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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