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# taz.de -- Normalzeit (Sonderausgabe): Der Großschriftsteller Helmut Höge wi…
> "Sich schreibend bewegen wie eine Ratte im Schilf, als Autor zu arbeiten,
> wie eine Maus ihr Loch buddelt" (Höge zitiert Deleuze)
Bild: Unter Wölfen: "Er las, schrieb, trank, rauchte, ich tat es auch, unsere …
Als Träger der "Benno Martini Medaille für sauberen Journalismus" hat
Helmut Höge bereits die höchste Auszeichnung erhalten, die die Branche zu
vergeben hat. Dem wäre am Donnerstag zum 60. Geburtstag des taz-Autors und
Aushilfshausmeisters nichts hinzuzufügen, außer vielleicht der Hinweis,
dass "Benno Martini" Mitte der 80er-Jahre eine Aldi-Käseschachtel zierte
und als Preis vom "taz-Sommerloch-Team" erfunden worden war.
Mehr als einen solchen Nonsens-Preis, der die stete Selbstbeweihräucherung
des lügenden Gewerbes persifliert, hätte das Sommerloch-Teammitglied Höge
auch gar nicht angenommen. Denn es gibt wohl kaum einen deutschsprachigen
Autor, der sein Licht derart begeistert unter den Scheffel stellt wie C.
Sciolti, P. Acerbo, A. Mijn Jong, Helke Schwan oder eines der vielen
anderen Pseudonyme, die Höge seit über 30 Jahren für seine Publikationen
nutzt.
In der Trilogie "Neues Lotes Folum (NLF)", die als "Zeitschrift für die
Poesie und die Revolution" 1975 ff. erschien, stehen zwar viele Namen im
Inhaltsverzeichnis, doch außer Beiträgen von Paul Feyerabend, George
Bataille oder Alfred Sohn-Rethel stammen alle Texte von der "Necrophiliacs
Liberation Front", hinter deren zahlreichen "Ortsgruppen" wiederum niemand
anderes als der Autor Höge steckte.
Ab 1984 veröffentlichte Höge als "Agentur Standard Text" den Endlosroman
"Vogelsberg", und er stand auch hinter der Endlosrecherche "Babelsberg"
(1991), deren Autor als "Bismarc Media" firmierte. Den Namen hatte sich
Höge von seinem Vogelsberg-Freund Jörg Schröder geborgt, der als
"März"-Verleger Ende der 60er eine gleichnamige Agentur zur
Nichtdurchführung großspuriger Pläne gegründet hatte.
Eine solche "Akademie für Nichts", bei der ja das Verschwinden des Autors
zu den Grundtugenden gehörte, wäre ideal für einen wie Höge, der sich für
fast alles interessiert und zu jedem Thema mehr weiß als die meisten
anderen Intellektuellen - und seien es schöne Geschichten oder unkorrekte
Witze.
Sich schreibend bewegen "wie eine Ratte im Schilf", als Autor zu arbeiten,
"wie eine Maus ihr Loch buddelt", dieses Deleuzesche Motto des Kleinwerdens
zitiert Höge nicht nur häufig, er praktiziert es auch: er arbeitete als
Zoogehilfe, Landwirtschaftsknecht und US-Dolmetscher, er wanderte im
"Deutschen Herbst" 1977 mit seinem Pferd Leinchen, das er nie ritt, von
Bremen nach Italien, er mistete nach der Wende ein Jahr die Ställe einer
Rinder-LPG in Brandenburg aus. Er begleitete als Klassenkämpfer die
Abwicklung der DDR-Betriebsräte und andere Treuhand-Schweinereien,
veröffentlichte in seiner Eigenschaft als Widerstandsexperte und
Flittchenforscher den Band "Wölfe, Partisanen und Prostituierte" und als
Kartell- und Monopolkenner "Das Glühbirnenbuch" sowie zuletzt als
Symbiose-Spezialist - zusammen mit Cord Riechelmann und Peter Berz - den
"Anti-Darwin". Nebenbei entdeckte er noch junge Russen für die deutsche
Literatur, hilft Mongolen zu mehr Beweglichkeit mit ihrer Zeitschrift Nomad
und dient der taz alljährlich im Sommer - sowie ganzjährig in seinem Blog
auf [1][taz.de] - als Aushilfshausmeister.
Und damit jenem Blatt, das er wie kein anderer Autor als Leuchtturm geprägt
hat - etwa seit 1993 durch fast 600 "Normalzeit"-Kolumnen auf den
Berlin-Seiten der taz. Auch wenn der Name Höge in den ersten zehn
Jahrgängen gar nicht auftaucht, war er von Anfang an dabei. Mit Herz, Hand
und Hirn. Und hätten ihn nicht die Redakteure ebenso von Anfang an seinem
ärgsten Feind - der Zeilenbegrenzung - unterworfen, wer weiß, ein
universeller Kopf und permanenter Schreiber wie Höge hätte als
Wirtschaftskorrespondent, Stadtsoziologe, Kulturkritiker und Kolumnist auch
diese Zeitung vermutlich ganz alleine schreiben können.
Deshalb wäre - nachdem die Redaktion in der Vergangenheit schon öfter für
einen Tag das Ruder an "Schriftsteller", "68er" oder gar "Feinde" übergeben
hat - eine "Aushilfshausmeister"-taz eigentlich überfällig. Schon um ihr
Autoren-Urgestein zum Geburtstag in einem seiner sau- ber journalistischen
Leitmotive schwelgen zu lassen: "Its only for the Zeilenhonorar, but I like
it."
18 Oct 2007
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## AUTOREN
Mathias Bröckers
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Normalzeit: Urbane Tiere, urbane Pflanzen
Das Liebesleben der Tiere macht einen froh und traurig zugleich, sagt
Michel Foucault. taz-Kolumnist Helmut Höge sagt nur: Knut.
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Zum 60. Geburtstag meines guten Freundes, des tazlers Helmut Höge - Experte
für Wölfe, Glühbirnen und Bakterien und formidabler Bordell-Rechercheur.
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