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# taz.de -- Klimawandel in Afrika: Heiß, zu heiß
> Kein Kontinent leidet so sehr unter dem Klimawandel wie Afrika. Dennoch
> spielen die dortigen Verhältnisse beim Klimagipfel in Bali kaum eine
> Rolle. Eine Reise von Ost- nach Westafrika.
Bild: Wüstes Land - in Afrika sind die Folgen des Klimawandels bereits deutlic…
Als die Koffer für diese Reise durch Afrika schon gepackt sind, ist es
September. Das Fernsehen zeigt die ersten Bilder von Überschwemmungen in
Ghana, Uganda und anderen afrikanischen Ländern. Vom Atlantik bis zum
Indischen Ozean melden sechzehn Staaten gleichzeitig "Land unter" - genau,
wie der Weltklimarat es vorhergesagt hatte.
Wegen der steigenden Temperaturen, heißt es in dessen aktuellem Bericht,
müssten die Bewohner Afrikas immer öfter mit extremen Wetterlagen
klarkommen - mehr Überschwemmungen, mehr Dürren. Kein Kontinent,
prognostizieren die Klimaforscher, werde stärker unter dem Klimawandel zu
leiden haben als Afrika - und keiner sei so schlecht auf die Folgen
vorbereitet.
Trotzdem wird beim Klimagipfel in Bali nur wenig über Afrika gesprochen,
und wie üblich wird sich kaum ein afrikanischer Politiker in die Debatte
einmischen. Wangari Maathai, Kenias berühmte Umweltpolitikerin, macht dafür
vor allem Unwissen verantwortlich. "Afrika erhebt seine Stimme nicht, weil
die Menschen hier nicht genug Erfahrungen gemacht haben", sagt die
Friedensnobelpreisträgerin, "Sie müssen erst erleben, dass
Temperatursteigerung, lange Dürreperioden und die Schneeschmelze auf dem
Mount Kenya keine vorübergehenden Ereignisse sind." Ohne den Druck der
Betroffenen aber, so Maathai, würden sich afrikanische Politiker nicht
rühren.
Doch auch jene, die die klimapolitischen Hintergründe nicht kennen, müssten
doch längst Veränderungen in ihrem täglichen Leben spüren. Diese Reise,
einmal quer über den Kontinent, soll dieser Vermutung nachgehen.
Die Tour beginnt auf einem Feld im äthiopischen Hochland. Ato Mulualem
Birhane und seine Frau hocken zwischen dem Tef, dem hier am häufigsten
angebauten Getreide, sie rupfen Unkraut. Maschinen gibt es nicht auf den
kleinen und unebenen Feldern hier, alles geht von Hand. Die Ernte könnte
gut werden in diesem Jahr, sagt der 48-jährige Mulualem - wenn das Wetter
mitspielt. "Früher gab es einmal im Jahr eine feste Regenzeit", erzählt er,
"aber seit ein paar Jahren kommt sie mal, mal kommt sie nicht, dann regnet
es zu stark oder zur falschen Zeit." Hinter den beiden Bauern, die hier in
Dembecha, 300 Kilometer nördlich der Hauptstadt Addis Abeba, ihre Farm
betreiben, türmen sich dunkle Wolken auf. In der Ferne donnert es. Ein
schweres Gewitter naht.
Extreme Wetterlagen erleben die Bauern hier inzwischen immer öfter. Im Jahr
zuvor sind in einer schlimmen Flut 900 Menschen umgekommen, Hunderttausende
haben damals ihren gesamten Besitz verloren. "So etwas hatten wir vorher
noch nie gesehen", sagt der Vorsitzende des Äthiopischen Umweltforums,
Negusu Aklilu. "Und nicht nur Überschwemmungen, auch Dürren werden in
Äthiopien allmählich vom Phänomen zur Normalität." Die Folgen sind
katastrophal, denn in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Erde, sind
die Bauern mehr als anderswo davon abhängig, eine gute Ernte einzufahren.
Farmer Mulualem berichtet, dass das Wetter inzwischen selbst dann verrückt
spielt, wenn der Himmel blau ist: "Früher hatten wir im Hochland moderate
Temperaturen, aber inzwischen ist es hier heiß, zu heiß."
Über die steigende Temperatur klagt auch Peter Mireri von der Umweltgruppe
Freunde des Viktoriasees. Nur dass hier in Uganda die Auswirkungen andere
sind. Mireri steht am Anfang eines langen Steges, gut 150 Meter ragt der in
den Viktoriasee hinein. "Hier, wo wir jetzt stehen" sagt er, "haben wir
noch vor drei Jahren unsere Boote vertäut." Er zeigt zum Ende des Stegs:
"Inzwischen mussten wir den Steg bis da hinten verlängern!"
Nach drei Jahren Dürre hat es in diesem Jahr am Viktoriasee erstmals wieder
geregnet, doch der Pegel ist kaum gestiegen. Die Trockenheit macht dem
größten See Afrikas schwer zu schaffen: zu siebzig Prozent speist er sich
aus Regenfällen, wichtige Zuflüsse gibt es kaum, erklärt Mireri. "Und weil
es jetzt auch noch wärmer geworden ist, verdunstet das Wasser wieder
stärker."
Der Umweltaktivist ist sich sicher, dass das Sinken des Pegels einer der
wichtigsten Gründe dafür ist, dass es immer weniger Fische im See gibt. Vor
allem die Laichplätze litten unter der Klimaerwärmung. "Der in den
Uferzonen abgelegte Laich wird so warm, dass die Fische nie schlüpfen."
Deshalb bleiben die Netze der wenigen, die noch von Kisumu aus in See
stechen, oft leer.
Fischer Nicholas und sein Bootsmann brauchen jeden Tag acht Stunden, um
ihre am Abend zuvor ausgelegten Netze zu kontrollieren. Früher, erinnert
sich Nicholas, verfingen sich in den Netzen große Tilapiafische, "und auch
Viktoriabarsche". Das ist längst vorbei. Der Viktoriabarsch, in den
Sechzigerjahren im See ausgesetzt, hat sich massenhaft vermehrt und dafür
gesorgt, dass andere Fischarten ausstarben. Heute gibt es hier fast nur
noch den Viktoriabarsch, der Fisch wird in den zahllosen Fabriken am Ufer
filetiert und gleich nach Europa weiterverkauft.
Als Nicholas am Abend festmacht, kann er den wartenden Zwischenhändlern
gerade mal dreißig kleine Fische anbieten. Drei Euro hat er heute verdient.
Weil es zu wenig Fische gibt, verrotten im einst größten Fischereihafen von
Kisumu die Boote. Verlierer sind aber auch die Bewohner Kisumus, die sich
ihren eigenen Fisch immer seltener leisten können: Der Preis hat sich
binnen zwei Jahren vervierfacht. Am Straßenrand werden stattdessen
Fischgräten gewaschen, die bei der Filetierung des Nilbarschs übrig
bleiben. Sie werden getrocknet und dann in heißem Fett ausgebacken. Was
übrig bleibt, wird mit scharfer Soße gegessen oder zu Suppe verarbeitet.
Mehr gibt der See für seine Anrainer nicht mehr her.
"Natürlich ist der Klimawandel nur ein Faktor von mehreren", sagt
Umweltaktivist Mireri. Überfischung, Ablassen des Wassers in Kraftwerke auf
der ugandischen Seite und andere Faktoren spielten auch eine Rolle. "Aber
der Klimawandel kommt obendrauf, verschlechtert die ohnehin schlimme Lage
und gibt dem See den letzten Rest."
Einige hundert Kilometer weiter westlich steht das staatliche Krankenhaus
von Hoima. Jeden Tag stirbt hier mindestens ein Kind an Malaria.
Die von Moskitos übertragene Krankheit kann in kurzer Zeit schwere Formen
annehmen. "Blutarmut, Unterzuckerung, Erkrankungen der Lunge oder des
Gehirns - das sind alles Komplikationen, die wir hier regelmäßig sehen",
erklärt der Kinderarzt Tom Ediamu, der seit mehreren Jahren hier im Westen
Ugandas arbeitet. Ediamu nennt Malaria eine "Killerkrankheit", und das ist
sie, nicht nur hier. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sterben jedes
Jahr 2,7 Millionen Menschen an der von Anophelesmücken übertragenen
Krankheit. Drei Viertel von ihnen sind Kinder.
Monat für Monat kommen zu Ediamu und seinen Kollegen 5.000 neu infizierte
Kinder. "Es gab hier schon immer Malaria, sagt der Arzt, "aber seit ein
paar Jahren nimmt die Zahl der Fälle ständig zu." Vor der Kinderstation
sitzen Familien unter freiem Himmel, sie warten auf ein freies Bett. Den
Grund für den Ansturm kennt Ediamu: Es ist der Klimawandel. "In der langen
Regenzeit zwischen September und November regnet es seit einigen Jahren
viel mehr als üblich", sagt er. Wo immer dann Wasser in Pfützen steht,
entwickeln sich die Larven der Anophelesmücke besonders schnell. Die
Beobachtung des Arztes deckt sich mit der Analyse des Weltklimarats.
Ähnliche Entwicklungen dokumentiert der Rat überall in Afrika, seit sich
die Regenzeiten verschoben haben.
Weil es insgesamt wärmer ist, breitet sich die Malaria heute selbst dort
aus, wo der Erreger wegen niedriger Temperaturen früher nicht überleben
konnte, zum Beispiel im Hochland. "Ich komme aus dem Südwesten Ugandas und
hatte nie Malaria, bis ich mit 18 nach Kampala gezogen bin", erinnert sich
Achilles Byaruhanga, Direktor von der Umweltschutzorganisation Nature
Uganda. An Malariafälle in seiner Heimat am Fuß der Rwenzori-Berge kann er
sich nicht erinnern. "Heute wird die gleiche Gegend als endemisches Gebiet
für Malaria geführt, die Zahl der Fälle nimmt ständig zu." Vor allem für
arme Menschen auf dem Land ist Malaria gefährlich. Oft haben sie schon
andere Krankheiten, oder sie leiden unter Fehl- oder Mangelernährung,
sodass ihr Immunsystem geschwächt ist.
Letzte Etappe der Reise ist Westafrika. Im leichten Zelt der Nomaden gießt
Aïcha den Tee auf. Die Tradition in Mauretanien gebietet es, dass jeder
Besucher, der die Sahara durchquert hat, mindestens drei Tassen leeren muss
- so soll sein Überleben gesichert werden. Doch entgegen aller Tradition
sind im Süden des Wüstenstaats die Nomaden längst sesshaft geworden.
Sidi el Moctar ist aus Schaden klug geworden, seit der ersten schweren
Dürre in den 70er-Jahren schützt er die letzte Oase, die hier noch Wasser
führt, um den nun sesshaften Nomaden ein bisschen Land- und Viehwirtschaft
zu er möglichen. 5.000 Bäume müssen el Moctar und seine Helfer jedes Jahr
anpflanzen, um die Dünen aufzuhalten, die wegen der zunehmenden Hitze und
der immer größeren Trockenheit schneller vorrücken als je zuvor. Das
Vordringen der Wüste in den Sahelgürtel, in Mauretanien das fruchtbarste
Land, können selbst die Schutzwälle kaum noch aufhalten. "Wir haben große
Angst vor dem Klimawandel", sagt el Moctar. "Wir gehen unter, wenn wir
nicht unermüdlich gegen den Vormarsch der Wüsten kämpfen. Zwischen hier und
Atar im Norden lebt inzwischen niemand mehr, dort gibt es kein Wasser
mehr."
Längst fordern Afrikas Umweltschützer, die ich auf dieser Reise getroffen
habe, von der Staatengemeinschaft mehr als nur die Reduzierung der
Treibhausgase. Sie wollen von den Verursachern des Klimawandels konkrete
Hilfe, um die Folgen abfedern zu können. Negusu Aklilu ist enttäuscht, wie
wenig Hilfe Afrika bislang bekommt. "Ein Sprichwort sagt: Das Gegenteil von
Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit", sagt er. "Ich glaube
nicht, dass Politiker überall auf der Welt den ärmsten Teil der Erde
hassen, aber wir sind ihnen egal."
30 Nov 2007
## AUTOREN
Marc Engelhardt
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