# taz.de -- Architekt Deyan Sudjic rechnet ab: Geldgierige Huren | |
> "Berliner Lektionen": Deyan Sudic wirft seinem Berufstsand vor, für Ehre | |
> und Ruhm einfach alles zu tun - im Dienste der Macht und der Mächtigen. | |
Bild: Diane Disney Miller (Kapital) und Frank Gehry (Architektur) vor der "Walt… | |
Was meint eigentlich "very british"? Dass die Queen tagtäglich um 16 Uhr | |
Tee trinkt? Oder dass es immer regnet? Komischer Linksverkehr herrscht? All | |
right! | |
In unserem Fall meint es natürlich das andere Klischee von der Insel. Very | |
british ist die Höflichkeit in Person, die mit Ironie, Coolness und | |
Understatement daherkommt - so wie der Architekt Deyan Sudjic am ersten | |
Adventssonntag bei den "Berliner Lektionen". Auf den ersten Blick scheinen | |
jene Charaktereigenschaften exakt auf die monatlich stattfindenden | |
Lektionen im altehrwürdigen Renaissance-Theater zu passen. Auf den zweiten | |
Blick aber verfangen solche Manieren "auf dem intellektuellen Kalender der | |
Stadt" (Eigenwerbung) immer weniger. Sind doch die Lektionen zu so etwas | |
wie die Plattform für politische und kulturelle Ruckreden avanciert. Statt | |
über Fragen des 21. Jahrhunderts zu sinnieren, wird lieber holzschnittartig | |
über Gott und die Welt losgepoltert - zuletzt taten das Biermann, | |
Grönemeyer oder Mankell. | |
Auch Deyan Sudjic (55) hat Gewicht in der Szene: Architekt aus London, | |
Direktor des Design-Museums, Chef der Architekturbiennale in Venedig 2002, | |
Professor etc. Und er hatte einen Vortrag, "The Uses of Memory in | |
Architecture", mit schwerem Geschütz aufgefahren, nämlich - "by the way" - | |
die Abrechnung mit seinem Berufsstand. | |
Wo schon des provokanten Themas wegen bei anderen der Deckel "ruckmäßig" | |
hochgegangen wäre, ließ Sudjic es leise, aber pfefferscharf köcheln. | |
Architekten, befand er, sind halt wie geldgierige Huren und dienten sich | |
der Macht und den Mächtigen, totalitären Regimen und megalomanen Politikern | |
an, nur um des einen Zieles willen: zu bauen, zu gestalten, for honour and | |
glory. | |
Wenn die Baumeister darüber hinaus glaubten, sie verwirklichten sich noch | |
selbst, gehen sie ihren Auftraggebern voll auf den Leim. Denn nicht | |
Michelangelo, sondern die Kirche, Hitler, Stalin oder Saddam Hussein | |
führten die Hand am Reißbrett. Auch die Modernen wie Le Corbusier und Oscar | |
Niemeyer oder heute Norman Foster oder Rem Koolhaas, jene selbst ernannten | |
Architektur-Demokraten, die gerade für die chinesischen Machthaber deren | |
Träume von Olympia realisieren, zählen zu den Handlangern der Macht. Der | |
teuflische Pakt lautet: Architekten wollen bauen und die Mächtigen sich in | |
Bauwerken verwirklicht sehen. | |
Wäre Sudjic nicht ein famoser Redner, der alle Kritik verpackt wie in | |
Vorweihnachtswatte, wo selbst Frank Gehrys ach so freakiger Crash-Kommerz | |
witzig getadelt wird, es hätte weniger Heiterkeit geherrscht unter den | |
zahlreichen Architekten im Saal. Vielleicht lag es aber auch daran, dass | |
Sudjic - very british - Berlin und seine Architekten außen vor ließ. Man | |
kotzt nicht unter den Tisch des Gastgebers. | |
4 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
## TAGS | |
Architektur | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Uwe Carstens über Flüchtlinge nach 1945: „Europa hat nichts gelernt“ | |
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen mehr Flüchtlinge als heute. Die Fehler der | |
überforderten Bürokratie aber sind die gleichen, sagt Soziologe Uwe | |
Carstens |