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# taz.de -- Tourismus und Umweltschutz in Sambia: Der Kolonialstil lebt
> Im Widerstreit der Interessen zwischen Naturschutz und
> Arbeitsmarktpolitik. genehmigt Sambias Regierung touristische Großanlagen
> im Mosi-oa-Tunya-Nationalpark.
Bild: An den Victoriafällen in Simbabwe
Als der Forschungsreisende David Livingstone 1855 den Sambesi erreichte,
benannte er die spektakulären Wasserfälle nach der englischen Queen.
Victoria Falls heißt heute auch der Touristenort auf der Simbabwe-Seite der
Wasserfälle, in dem schon in den 1920ern erste Kurhotels der gehobenen
Kolonialstilklasse florierten. Nach dem „Entdecker“ selbst wurde der Ort
auf der sambischen Uferseite benannt. Mit dem Slogan „Follow Livingstones
Footsteps“ lockte das sambische Tourismusministerium vor zwei Jahren zum
150. Jahrestag der „Entdeckung“ Reiseveranstalter und TouristInnen an die
Fälle. Das war 2005, nun folgen die Investoren.
Die Regierung Sambias hat dem Unternehmen Legacy Holdings Zambia
Konzessionen zum Bau von touristischen Anlagen auf einem Gelände von 220
Hektar zugesichert, für neun Millionen US-Dollar. Die Baupläne und die
Landvergabe an den privaten Investor sind ein Politikum, schließlich ist
das Gebiet Teil des Mosi-oa-Tunya-Nationalparks, der 1989 von der Unesco
zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Bereits Ende 2006 entfachte der Bauplan
für ein Fünfsternehotel mit 1.900 Betten und, wie es heißt, 2.000
Arbeitsplätzen in Livingstone einen gesellschaftlichen Konflikt.
Die Tourismus- und Naturschutzbehörde, die Gewerkschaft der
Hotelangestellten und auch der traditionelle Dorfvorsteher von Mukuni, in
dessen Chiefdom der Park liegt, sprechen sich für den Bau aus: In einem
Land, in dem es für zehn Millionen EinwohnerInnen nur knapp eine halbe
Million Arbeitsplätze im formellen Sektor gibt, während Zweidrittel der
Bevölkerung mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen müssen, solle man
den Naturschutz nicht höher bewerten als die Chance auf 2.000 neue Jobs, so
das Argument. Anlässlich einer Umweltverträglichkeitsstudie, die zu
öffentlichen Anhörungen in Livingstone führte, versicherte Legacy Holdings
Zambia größte Umweltsensibilität bei der Umsetzung der Baupläne.
Zivilgesellschaftliche Umweltgruppen wie der Environmental Council Zambia
oder die Citizens for a Better Environment warnen: Der Verbau des Ufers
ziehe die Ökologie der Flusslandschaft in Mitleidenschaft. Die Baugegner
beziehen sich dabei auf die nachteiligen Auswirkungen durch die
Wasserentnahme der bereits operierenden Hotels. Zudem würde die Wanderung
der Wildtiere durch Uferverbauung weiter beeinträchtigt. Absehbar sei auch
eine weitere Verschlechterung der Wasserqualität durch die zunehmende
Anzahl von Vergnügungsdampfern. Zugleich befürchten die Umweltaktivisten,
dass die Unesco den Schutzstatus zurückziehen und damit das
Tourismusgeschäft erheblich beeinträchtigen könne. Das treffe insbesondere
auch sambische Kleinunternehmen und sei gerade in Bezug auf die erhofften
Arbeitsplätze kontraproduktiv. Die Touristen kämen schließlich, um das
Naturwunder zu erleben.
Tatsächlich äußerte die Unesco auf ihrem Treffen in Vilnius im Juli 2006
Sorge bezüglich des Ausbaus der Infrastruktur und forderte von Sambia und
Simbabwe gleichermaßen Rechenschaft: Der Schutzstatus der Victoriafälle
könnte aufgrund der zunehmenden Umweltverschmutzung, die von einer
unkontrollierten Tourismus- und Stadtentwicklung ausgehe, zurückgenommen
werden. Das Unternehmen, das nun den Bau von zwei Hotels, 450 Chalets und
einer Golfanlage für insgesamt 260 Millionen US-Dollar durchgesetzt hat,
gehört der südafrikanischen Gruppe Legacy Holdings International an. Der
vor einigen Jahren fertig gestellte Bau des Sun Hotel durch den Hotel- und
Kasinobetreiber Sun International war ähnlich umstritten. „Ich erinnere
mich an die Diskussionen, bevor die Besitzer das Gelände bezogen“, so
Vincent Katanekwa, Museumsdirektor des Livingstone Museum. „Der Transfer
vom Flughafen und andere Dienstleistungen sollten von sambischen
Kleinunternehmern übernommen werden. Doch das erwies sich als leeres
Versprechen. Das Hotelmanagement brachte, als der Betrieb aufgenommen
wurde, seine eigenen Geschäftspartner aus Südafrika mit, so die Bush
Company für den Transport der Gäste und sogar die Sicherungsdienste.“
Der touristische Aufschwung in Sambia in den letzten zehn Jahren ist unter
anderem auf die politische Situation in Simbabwe zurückzuführen. Obwohl es
im simbabwischen Victoria Falls eine komfortable touristische Infrastruktur
gibt, meiden Anbieter die Stadt und besuchen stattdessen das
beschaulich-friedliche Livingstone. Serah Nyondo vom sambischen
Tourismusministerium bringt die Konkurrenz des Geschäftes, das als
wichtiger Devisenbringer für beide Länder mit großen Erwartungen verbunden
ist, auf den Punkt: „Wenn sich die Situation drüben beruhigt, ist Simbabwe
wieder im Rennen und wird uns schlagen.“ Insofern ist der Aufbau der
Tourismusindustrie ein Wettkampf mit der Zeit, solange der Autokrat Robert
Mugabe in Simbabwe das Sagen hat.
Der Bau des neuen Hotels mit 1.900 Betten verspricht symbolisch den
Gleichstand. In Simbabwe ist eine Kapazität von 3.000 Betten vorhanden, in
Livingstone gibt es bisher 1.000. Levy Mwanawasa, seit 2002 Präsident des
ehemals staatssozialistischen Sambia, schlug eine Politik der Marktöffnung
ein. „Ausländischen Investoren wurde alles auf einem silbernen Tablett
serviert“, kritisiert Katanekwa. Nicht zuletzt die Erfahrung mit dem Sun
Hotel sorgt heute in Livingstone für Skepsis. „Vorherrschend war der
Glaube, die Regierung würde über die Besteuerung der ausländischen
Unternehmen Gewinne machen. Doch wie will man Steuern erheben, wenn Konten
und Geschäfte außerhalb des Landes geführt werden?“
Dass Sambia kaum eine Kontrolle über die Geldgeschäfte der im Lande tätigen
Investoren hat, schwächt die Aussicht auf staatliche Einnahmen. Umso
ärgerlicher ist, dass jetzt Vereinbarungen mit der Legacy Holdings
International über eine periodische Steuerabgabe unter Verschluss liegen.
Ein sambischer Experte für Landrechtsfragen warnt davor, Land ohne
ordentliche Verfahren an touristische Unternehmen zu vergeben. Dies schaffe
einen rechtlichen Präzedenzfall und schwäche so auch für die Zukunft jede
Möglichkeit einer staatlichen Regulierung entlang des Sambesi gegenüber den
Interessen der Privatwirtschaft.
Inzwischen hat Sambia reichlich Kredite von der Weltbank und dem IWF für
den Ausbau touristischer Infrastruktur erhalten. Im Bau befindet sich ein
Einkaufszentrum am Stadtrand von Livingstone, der Flughafen wird für
Direktflüge aus Europa hergerichtet. Rund 90 Prozent des
Tourismusgeschäftes sind in ausländischem Besitz. „Die Tätigkeiten, die an
Sambier vergeben werden, reichen nicht aus, um einen sozialen Aufstieg zu
bewirken“, so Katanekwa, „das Arbeitsangebot bewegt sich primär auf der
Ebene von niederen Hilfsarbeiten und begünstigt die Tagelöhnerei.“
Beim Streit um die besseren Argumente zwischen Naturschutz und
Arbeitsmarktpolitik kommt bei den Verantwortlichen weder die harsche
Konkurrenz auf dem touristischen Arbeitsmarkt zur Sprache noch die Frage
nach den realen Chancen für die Mittelschicht der Sambier und für die
Ungelernten oder noch unerfahrenen jungen Leute. Insofern beruhen die
jüngsten Proteste gegen den Hotelbau auf schlechten Erfahrungen. Einer
zivilen Kontrolle der staatlichen und privaten Machenschaften legt nun ein
neues Gesetz, das im Juli 2007 dem Parlament vorgelegt wurde, neue
Stolpersteine in den Weg: Nichtregierungsorganisationen sollen demnächst
von einem zehnköpfigen Gremium auf Herz und Nieren geprüft werden.
Zivilgesellschaftliche Proteste gegen die Gesetzesvorlage laufen auf
Hochtouren.
17 Nov 2007
## AUTOREN
Martina Backes
## TAGS
Sambia
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