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# taz.de -- Aufbäumen gegen Bayerns Rauchverbot: Wirte streiten bis zum letzte…
> Mit dem Argument, die Liberalitas Bavariae sei bedroht, haben Wirte den
> Verein zum Erhalt der bayrischen Wirtshauskultur gegründet. Dessen
> Vierstufenplan tritt nun in Kraft.
Bild: Bayerns Wirte werden findig, wenn es darum geht, rauchende Kundschaft wei…
MÜNCHEN taz Noch wenige Tage, dann hat es sich von Gesetzes wegen
ausgequalmt in Bayerns Wirtshäusern. Am 1. Januar tritt das schärfste
Rauchverbot in Kraft, nicht mal in Nebenräumen darf dann noch geraucht
werden. Doch nun haben sich die qualmenden Grummler mithilfe der FDP
formiert, um den Freistaat zu schrecken.
Auf ziviler Ebene wird kräftig gestritten, die Front verläuft zwischen
Rauchern und den verbündeten Gastwirten auf der einen und der CSU auf der
anderen Seite. An vorderster Front mit dabei ist Franz Bergmüller, Wirt des
gleichnamigen Lokals im oberbayerischen Unterlaus, gelegen auf halbem Weg
zwischen München und Rosenheim. Der taz sagt der frisch gekürte Vorsitzende
des gerade erst gegründeten "Vereins zum Erhalt der bayerischen
Wirtshauskultur": "Wir organisieren uns weiter!" Mittlerweile habe man gar
einen "Vierstufenplan" ausgeheckt.
Stufe eins gehört zum Einmaleins der Lobbyarbeit: die bayernweite
Vernetzung. Da sei man auf einem guten Weg, versichert Bergmüller.
Stufe zwei ist klug gewählt. "Wir brauchen möglichst viele Unterstützer",
meint der frischgebackene Lobbyist, "das heißt, wir müssen wegkommen vom
reinen Raucherkampf." Die Mobilmachung, auf die Bergmüllers Leute hoffen,
soll über einen altbewährten bayerischen Kunstgriff gelingen: den Verweis
auf die bedrohte Liberalitas Bavariae. Der totale Nichtraucherschutz greife
viel zu weit in die Persönlichkeitsrechte ein, so die Gastwirte, die
Rauchen als Kulturhandlung sehen. Passend zu den Bürgerrechtsgeschützen
habe es schon Gespräche zwischen den Raucherlobbyisten und der FDP gegeben,
so Bergmüller. Und bei der Demo des Wirtshausvereins, die ganz bieder, aber
um so verqualmter Mitte Dezember mit 1.000 Unterstützern im Münchner
Löwenbräukeller stattfand, sprachen die Liberalen dann auch als einzige
Partei. Ein dreiviertel Jahr vor der bayerischen Parlamentswahl wittert die
FDP ihre Chance, mithilfe der Raucher endlich wieder ins Maximilianeum
einzuziehen.
Tatsächlich sind viele altgediente CSUler stocksauer auf die christsozialen
Gesundheitsfanatiker "drunten in München", im Landtag. Raucher-Lobbyisten
nehmen dem neuen CSU-Fraktionschef Georg Schmid übel, dass er - wohl vor
allem aus Profilierungsgründen - einen recht liberalen Gesetzentwurf der
Staatskanzlei zum härtesten Nichtraucherschutz Deutschlands verkehrte. Nun
bleiben ab Januar den Rauchern nur noch ein paar halböffentliche Räume, wie
die Münchner Boulevardblätter nicht müde werden zu melden, darunter die
Arbeitsräume von Huren - nicht zu verwechseln übrigens mit den
Anbahnungsräumen, wo ja zumeist Barbetrieb stattfindet.
CSU-Mitglied und Nichtraucher Franz Bergmüller, Nichtraucher und seit 25
Jahren CSU-Mitglied, mag so viel Gängelei nicht hinnehmen. "Ich erkenne
mich nicht wieder", sagt er, "ich sehe die liberale Haltung nimmer!"
Deswegen eben das Angebandel mit der FDP, die Bergmüller als einzig
relevante politische Unterstützung nennt.
Weil eine Änderung des Gesetzes ungewiss ist, gibt es im Raucherplan die
Stufe 3. "Handlungsempfehlungen" heißt die. Die Idee ist dieselbe wie bei
den Schischa-Bars (siehe Text unten): Alle Stammtischmitglieder und
Vereinsbrüder werden Jahresmitglied in Rauchervereinen, deren Treffen
werden zu geschlossenen Club-Gesellschaften erklärt - und das Rauchverbot
ist ausgehebelt.
Bei Bergmüller könnte das die Freiwillige Feuerwehr Unterlaus sein. Ende
Januar kommen deren Mitglieder abends bei ihm im Speisestüberl zusammen.
Die fade Zeit zwischen TOP 1 "Begrüßung" und TOP 9 "Verschiedenes und
Wünsche" will überbrückt sein, mit Bier, aber wohl auch mit Qualm. Ob
Bergmüller das duldet, lässt er offen. "Sicher werden sich einige
bayerische Wirte über den Trick mit den Vereinsmitgliedschaften in den
zivilen Ungehorsam begeben", sagt er. Allerdings dürfte es bei der ersten
Sitzung noch nicht allzu viel Ärger geben. Ministerpräsident Günther
Beckstein (CSU), ein Gegner des Totalverbots, hat eine sechswöchige
Übergangsfrist angekündigt.
"Ein Schmarrn ist das", sagt Bergmüller, er verweist auf Kampagnenstufe
vier. Die sieht eine Unterstützung von Privatklagen gegen das
Rauchverbotsgesetz vor. Möglichst bald möchte Bergmüller ein landesweites
Volksbegehren einleiten, 38.000 Stimmen will der Verein schon gesammelt
haben. Für die Freiheitskämpfer wieder ein Beweis, dass sie in der Mehrheit
sind.
Doch es ist zumindest zweifelhaft, ob die Mehrheit wirklich bei den
neoliberalen CSU-Grantlern liegt. Viele Umfragen sagen etwas anderes. Auch
in den gut laufenden Diskussionsforen bayerischer Lokalzeitungen macht die
Raucherlobby kaum einen Stich. Auch beim Praxistest in München gabs kaum
Punkte für Raucher: In den letzten Wochen hatte der hippe und stets
überlaufene Tollwood-Weihnachtsmarkt ein vorgezogenes Rauchverbot verhängt.
Im Herzstück des Markttreibens auf der Theresienwiese, dem "Tief im
Wald"-Zelt, sorgten drei Wochen lang gut ausgestattete Bars für den
üblichen weihnachtlichen Alkoholpegel, als Neuerung gabs diesmal eine
Raucher-Security: Schon nach wenigen Zügen hatte jeder Raucher einen
Qualm-Sheriff an seiner Seite. Verdutzt drückten die allermeisten ihre
Kippen aus. Die Betreiber des Tollwood sagen, den Besuchern habe das
Nichtrauch-Reglement gefallen, zweieinhalbtausend Besucher hatten ihr Votum
abgegeben. Die Nichtraucher bewerteten die Rauchfreiheit der
Weihnachtszelte mit der Note 1,1, bei der Raucherfraktion dagegen reichte
es mit einem 3,25 nur zu einem knappen "befriedigend". Geschlagen hat sich
allerdings niemand.
27 Dec 2007
## AUTOREN
Max Hägler
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