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# taz.de -- Interview Fairer Kaffee: "Fairer Handel bei Lidl - das geht nicht"
> Viele Firmen drucken ein Fairtrade-Siegel auf ihre Packungen - das für
> gerechte Entlohnung von Kaffeebauern steht. Dennoch machen sie ihren
> Umsatz ganz konventionell, so der alternative Kaffeehändler Cappell.
Bild: Bei Lidl landen deine wirklich fair gehandelten Produkte im Einkaufskorb,…
taz: Herr Cappell, der Kaffeepreis an den Börsen ist so hoch wie lange
nicht. Was kommt bei den Bauern an?
Eckhard Cappell: Im Prinzip sind höhere Preise an den Börsen gut. Denn
irgendwann müssen sich die auch auf das letzte Glied in der Kette
auswirken: die Bauern. Unsere Bauern profitieren direkt davon, weil sich
unser Preis auf den Weltmarkt bezieht: Sobald dieser über unseren fixen
Mindestpreis von 130 Cent pro Pfund steigt, addieren wir verschiedene
Aufschläge dazu. Im Gegensatz dazu kann der Preis an den Börsen ja wieder
deutlich fallen.
Unternehmen und NGOs haben einen "Common-Code for the Coffee-Community"
entwickelt. Wird dies Verbesserungen für konventionelle Produzenten
bringen?
Unser Eindruck ist, das ist eine geschickte Imagestrategie für Unternehmen.
Der Ausgangspunkt für die Initiative war Qualitätsschutz - ohne an einer
entscheidenden Ursache etwas zu ändern. Die miesen Preise gibt es nach wie
vor. Im Raum steht bloß: Wenn dieses und jenes effizienter wird, könnten
Bauern vielleicht mehr Geld bekommen. Was die Unternehmen aber eben nicht
sagen, ist: Wir nehmen euch den nach bestimmten Kriterien aufwändiger
produzierten Kaffee ab und garantieren euch einen bestimmten Preis.
Brächten Fix- oder Mindestpreise außerhalb der Nische nicht Probleme mit
der Welthandelsorganisation?
Nein. Wollten Unternehmen mehr zahlen, könnten sie das. Wenn ein
Handelshaus Kaffee direkt einkaufen will, kann es das.
Aber können große Unternehmen die Börse so einfach ausschließen?
Machen wir doch auch. Wir schließen einen Vertrag direkt mit den
Produzenten. Und auch die Konzerne kaufen besonders ihre Spitzenkaffees
direkt ein.
Das sind doch aber ganz andere Mengen.
Jedenfalls heißt: "Geht nicht" in Wirklichkeit "Wir wollen nicht". Denn
natürlich merkt man es negativ in der Bilanz, wenn 10 Cent mehr pro Pfund
gezahlt werden.
Weitergedacht hieße das: Man würde sich von der Börse abwenden. Klingt
utopisch
Ja, ist es auch. Es ist nicht zu erwarten, dass der faire Handel in der
jetzigen Form solchen Umfang erreicht, dass er die Börsen aushebelt.
Sie haben sich einst mit der Revolution in Nicaragua solidarisiert, heute
verkaufen Sie Kaffee. Wie gut vertragen sich Handel und politischer
Anspruch?
Handel befördert für uns politische Arbeit. Für uns geht es nicht nur
darum, anständige Preise für den Kaffee zu bezahlen. Wir stellen das Warum
in den Vordergrund, die Handelsstrukturen, die zu den niedrigen Preisen auf
dem Weltmarkt führen. Und wenn man das so sieht, kann man unmöglich fair
gehandelten Kaffee ins Lidl-Regal stellen.
Sondern?
Den Kaffee in Weltläden verkaufen und per Versand. Wir wollen informieren,
wie wir handeln und warum. Allerdings mussten wir vor drei Jahren eine
Entscheidung treffen. Denn so ging es nicht weiter - der Umsatz ging
langsam, aber stetig bergab. Deshalb sind wir in den lokalen Einzelhandel
gegangen, damals Spar-, heute Edeka-Märkte.
Damit machten Sie aber einen Schritt aus dem alternativen Handel heraus.
Es geht ja darum, wie weit der Anspruch des fairen Handels reicht. Ob er
aufhört, wenn die Ware das Erzeugerland verlässt oder ob er auch hier
aufrechterhalten wird. Ideal wäre, wenn sich die Händler hier genauso wie
die Erzeuger zertifizieren lassen müssten. So weit reicht aber noch kein
Siegel. Daher müssen wir uns hier bei den Supermärkten darauf verlassen,
dass wir mitkriegen, wie die Arbeitsbedingungen sind.
Ihre Organisation ist damit jenem Handel näher gekommen, den man überwinden
wollte. Warum verwenden Sie dann nicht auch das Transfair/Fairtrade-Siegel?
Die Fairtrade-Siegel-Geschichte ist für uns zweischneidig. Einerseits ist
das Siegel eine gute Orientierung für Konsumenten, die fairen Handel
interessant finden, ohne besonders informiert zu sein. Allerdings ist das
Siegel auch kurzsichtig: Viele Bauern haben gar nicht die Chance,
besiegelten Kaffee zu verkaufen, weil sie nicht in Kooperativen organisiert
sind oder nicht die gewünschte Qualität liefern. Außerdem wird das Siegel
von vielen Firmen dadurch entwertet, dass sie eine Sorte siegeln und sich
damit fair geben, den Großteil ihres Umsatzes aber weiter mit unfair
gehandeltem Kaffee machen und daran auch nichts zu ändern gedenken.
Trotzdem: Für viele Bauern bietet das Fairtrade-System eine Verbesserung
ihrer Lage - gleich, ob der Abnehmer nun gepa oder Nestlé heißt.
Ja, dies ist wichtig. Aber wir meinen: Produktion, Handel und Konsum dürfen
niemanden in dieser Kette ausbeuten und auch die Umwelt nicht ruinieren.
Und das erreicht man nicht, wenn man mit Konzernen kuschelt.
INTERVIEW: CHRISTINE ZEINER
27 Dec 2007
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Kaffee
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