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# taz.de -- Viel zu viele Golfplätze: Qualität hat ein Handicap
> Eine Studie prangert den sogenannten Qualitätstourismus auf Mallorca als
> umweltschädlich an. Ein Gepräch mit Prof. Thomas Schmitt über die
> Konsequenzen
Bild: Wasser-Schluckspecht Golfplatz
taz.mag: Herr Schmitt, "Ballermann war besser" lautet der süffige Titel
Ihrer Umweltstudie über Mallorca. Massentourismus sei umweltverträglicher
als der sogennate Qualitätstourismus. Ist das Ihr Ernst?
Thomas Schmitt: Ja. Die beiden zentralen Umweltindikatoren Landschafts- und
Wasserverbrauch belegen das. Pro Kopf verbraucht der Qualitätsurlauber mehr
Landschaft und Wasser als der Ballermanntourist.
Anfang der neunziger Jahre machte die Inselverwaltung eine
tourismuspolitische Kehrtwende weg von "Sonne, Sex und Suff" hin zu
Qualitätsangeboten. Wie sehen die aus?
Es gibt mehre Formen. Die kritischen sind der Residenzialtourismus, also
Zweitwohnsitze, der Golftourismus, für den neue Plätze geschaffen wurden,
und der nautische Tourismus mit dem Bau von Jachthäfen. In diesem Umfeld
entstehen hochwertige Hotels, Appartements und Restaurants. Dafür werden
naturnahe Ökosysteme verbaut und versiegelt, Kiefernwälder, Strauchheiden,
Macchie und Mandelbaumkulturen fallen weg.
Warum sind Zweitwohnungen "unter ökologischen Aspekten die aggressivste
Form des Tourismus"?
Beim Vergleich von Luftbildern aus den Jahren 1968, 1990 und 2004 sieht man
den gewaltigen Flächenverbrauch. Zum Beispiel wurden allein in der Gemeinde
Calvia im Südwesten der Insel über 20.000 Zweitwohnsitze gebaut, das sind
60 Prozent aller Wohnungen dort. Dazu kommt der hohe Wasserverbrauch durch
die üppigen Gartenflächen, die bewässert und die vielen Poolanlagen, die
immer wieder gefüllt werden müssen. Von 1990 bis 2004 stieg in einem
Ortsteil von Santa Ponsa die Zahl der Pools von etwa 170 auf weit über 600.
Leider haben wir bisher keine ortsteilbezogenen Zahlen über den
Wasserbrauch. Aber der Pro-Kopf-Verbrauch ist mit Sicherheit viel höher als
bei einem Hotel, wo 200 Gäste nur einen Pool nutzen. Etwa 100.000
Golftouristen pro Jahr tummeln sich auf Mallorcas Greens.
Warum ist Ihnen der Golftourismus ein Dorn im Auge?
Ein Dorn im Auge ist mir die Vielzahl an Golfplätzen auf Mallorca, 19, in
einem Trinkwassermangelgebiet. Ein Golfplatz braucht zwischen 60 und 100
Hektar an Fläche. Der tägliche Wasserverbrauch einer Anlage entspricht dem
Tagesverbrauch eines Ortes von etwa 8.000 Einwohnern. Zwar sollte für die
Bewässerung Brauchwasser genutzt werden, doch zum einen ist die Qualität
des Wassers nicht gut genug, zum anderen gibt es im Landesinnern nicht
ausreichend Brauchwasser. Hinzu kommt eine intensive hochwertige Bebauung
für die Golfer in Form von raumgreifenden Luxusappartements und ein
überdimensioniertes Straßennetz wie zum Beispiel in Santa Ponsa.
Als dritte Umweltbedrohung sehen Sie die Jachthäfen. Warum?
Die Molen, die weit ins Meer ragen, führen zu einer veränderten
Meeresströmung. In der Folge kommt es dann zu einer teilweise bereits
deutlich mess- und sichtbaren Erosion an den Sandstränden.
Sie spielen pauschal den neuen Qualitäts- gegen den alten Massentourismus
aus. Aber die Bettenburgen, die die Playa de Palma rund um El Arenal
prägen, sind doch gerade ein Synomym für die Landschaftszerstörung der
Insel, die so genannte "Balearisierung".
Ja natürlich. Und selbstverständlich sollen nicht die Auswüchse des
Massentourismus nachträglich sanktioniert werden. Mein Anliegen ist es,
aufzuzeigen, dass die Fehler der massentouristischen Erschließung in den
siebziger und achtziger Jahren heute durch den sogenannten
Qualitätstourismus, so wie er auf Mallorca betrieben wird, auf einem
höheren Prestige- und Preisniveau wiederholt werden. Natürlich ist die
Küstenlinie durch den Massentourismus zersiedelt und sind küstennahe
Ökosysteme zerstört worden. Die hohen Hotelbauten an der Playa de Palma
sind nicht sehr ästhetisch, aber durch diese Konzentration ist der
Verbrauch an Fläche viel geringer als durch die vielen Fincas und kleinen
Häuser des dezentralisierten Qualitätstourismus, für den immer mehr
unberührte Flächen im Hinterland erschlossen werden.
Qualitätstouristen bringen viel mehr Geld auf die Insel als die
Quantitätstouristen. Das muss sich doch positiv widerspiegeln.
Nach wirtschaftlichen Analysen 2002 macht der Golftourismus nur zwei
Prozent und der nautische Tourismus sechs Prozent am gesamten Einkommen aus
dem Tourismus auf den Balearen aus. Außerdem werden die Mehreinnahmen aus
dem Qualitätstourismus nicht mit dem Verbrauch an ökologischen Ressourcen
gegengerechnet.
Wie kann denn auf Mallorca ein ökologisch sinnvoller Qualitätstourismus
aussehen?
Er muss auf eine Selbstbeschränkung ausgerichtet sein. Ein sehr gutes
Beispiel ist der Agrotourismus, also Urlaub auf dem Lande, auf durchaus
hohem Preisniveau. Man übernachtet in alten renovierten Häusern, für diese
Variante ist also kein zusätzlicher Flächenverbrauch nötig. Und es gibt nur
ein begrenztes Angebot.
Im März demonstrierten etwa 50.000 Mallorquiner gegen den Bauboom. Laut
einer Greenpeace-Studie sind 170.000 Wohnungen und Villen, 21 Golfplätze
und fünf Sportboothäfen auf Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera
geplant. Das klingt nach einer weiteren Runde Ausbau?
Die Greenpeace-Studie kenne ich nicht. Aber ich weiß von Plänen für weitere
Golfplätze und Jachthäfen. Und überall auf der Insel stehen Baukräne. Eine
ausreichende Nachfrage nach Immobilien und Zweitwohnsitzen darf bezweifelt
werden. Die Bauspekulation blüht dennoch weiter, da viele vom Bauboom
profitieren, die Baufirmen großen Einfluss besitzen und eine Menge
Schwarzgeld auf die Insel fließt.
Also geht der Landschaftsverbrauch fröhlich weiter.
Ein Bau-Moratorium wäre sinnvoll, um die weitere Erschließung zu stoppen.
Aber das halte ich für unrealistisch.
9 Jan 2008
## AUTOREN
Günter Ermlich
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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