# taz.de -- Richtungsentscheidung für Kernenergie: Briten planen zehn Atomkraf… | |
> Die Regierung in Großbritannien setzt auf Atomenergie - der | |
> Energiesicherheit und dem Klimaschutz zuliebe, argumentiert sie. Für die | |
> Bürger könnte das teuer werden. | |
Bild: Das bisher letzte Atomkraftwerk, "Sizewell B", wurde vor 20 Jahren gebaut | |
LONDON taz Die britische Labour-Regierung hat am Mittwoch den Bau von zehn | |
neuen Atomkraftwerken beschlossen. Wirtschaftsminister John Hutton sagte | |
vor dem Unterhaus, dass neue Anlagen gebaut werden müssen, um "die künftige | |
Energiesicherheit zu gewährleisten und einen ausgewogenen Energiemix zu | |
produzieren". Das bisher letzte Atomkraftwerk, Sizewell B in Suffolk, wurde | |
vor 20 Jahren gebaut. | |
Atomkraftwerke decken 18 Prozent des britischen Strombedarfs, doch bis auf | |
Sizewell B sollen sie spätestens 2023 abgeschaltet werden. Noch 2003 hatte | |
die Regierung Atomkraft als "unattraktive Option" bezeichnet. Diese Meinung | |
revidierte sie zwei Jahre später - weil sie Großbritannien von den | |
Krisenherden im Nahen Osten unabhängiger machen und den Ausstoß von | |
Kohlendioxid bis 2050 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 senken will. | |
Allein: Die jetzt anvisierten zehn neuen Atomkraftwerke würden nur eine | |
Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen um vier Prozent bewirken. So ist | |
die Entscheidung der Regierung am Donnerstag heftig kritisiert worden. | |
Greenpeace-Geschäftsführer John Sauven sagte: "Eine Senkung des | |
Kohlendioxidausstoßes um vier Prozent irgendwann nach 2025 ist zu wenig und | |
zu spät, während künftige Generationen sich mit dem teuren Vermächtnis | |
herumschlagen müssen, den Atommüll zu entsorgen." Und der Chef der | |
Liberalen Demokraten, Nick Clegg, meinte: "Die Regierung sollte ehrlich | |
sein und die Kosten für den Bau und Unterhalt der neuen Atomkraftwerke | |
bekannt geben. Wir wollen wissen, wer die Rechnung am Ende bezahlt." | |
Minister Hutton erklärte, dass die Privatwirtschaft die Kosten für die | |
Ausmusterung und die Entsorgung des Atommülls bezahlen müsse. Wenn das | |
ernst gemeint wäre, würde es allerdings keine neuen Atomkraftwerke geben. | |
Die Banken haben schon seit langem das Risiko gescheut, Geld in eine | |
Industrie zu pumpen, die stets am Rande des Bankrotts operiert. Laut | |
Rechnungshof musste die Regierung schon mit 5,1 Milliarden Pfund (6,8 | |
Milliarden Euro) einspringen, um die Atomfirma British Energy zu retten. | |
Huttons Versicherung, dass keine Steuergelder in die Atomwirtschaft fließen | |
werden, ist auch nicht ernst gemeint. So müssen die Unternehmen zum | |
Beispiel keine Lager für radioaktiven Müll bauen, sondern können sich | |
Lagerraum in einer riesigen Atom-Gruft mieten, die von der Regierung gebaut | |
wird. Von Steuergeldern wird auch die "Ausgleichzahlung" in Höhe von knapp | |
1,3 Milliarden Euro an jene Gemeinde bezahlt, in der diese Gruft gebaut | |
werden soll. So soll der Widerstand dagegen gebrochen werden. | |
Auch die Kosten für die Sicherheit und den Atommülltransport übernimmt der | |
Staat. Und selbst die Ausmusterungskosten müssen am Ende die Kunden | |
begleichen. Die Regierung will von den Unternehmen dafür zwar Gebühren für | |
jede verbrauchte Stromeinheit kassieren. Diese sollen in einem Fonds | |
angelegt werden. Doch diese Gebühren werden zweifellos an die Kunden in | |
Form von höheren Strompreisen weitergereicht. | |
11 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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