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# taz.de -- die wahrheit: Schockierende Schlampereien
> Die Computerwelt steckt voller Risiken - doch die meisten Nutzer
> ignorieren das.
Bild: Das System lässt sich erst am nächsten Mittag wieder hochfahren - unter…
Schock in Großbritannien: Vor einigen Wochen kamen der Regierung zwei CDs
mit den Daten sämtlicher Kindergeldempfänger des Landes abhanden. Ein
unerfahrener Beamte hatte die Datenträger einem ungeschulten Kurier in die
Hand gedrückt - selbstverständlich ohne jede Sicherheitsvorkehrung; nicht
einmal der unter Ganoven zutiefst gefürchtete "Top Secret"-Stempel kam zum
Einsatz.
Die Aufregung der Briten über diese Schlamperei war groß, aber
verständlich: Gerade Kindergelddaten können entsetzliches Unheil anrichten,
wenn sie in die falschen Finger geraten. Ähnlich wie in den Fällen der
verschwundenen Disketten und Festplatten im US-Atombombenlabor Los Alamos
2000 und 2004 ist das Vertrauen der Bürger in Politik und Behörden nun auch
im Vereinigten Königreich zusammengebrochen. Für den deutschen Normalnutzer
sollte dies jedoch kein Anlass zur Schadenfreude sein - auch er nimmt die
Gefahren der modernen EDV gemeinhin nicht ernst genug.
Das Problem: Die heutigen Datenträger sind so klein, wirken so gewöhnlich
und liegen im Alltag so häufig im Weg herum, dass man ihre Bedeutung nicht
mehr erkennt. Einer selbst gebrannten CD sieht man ja von außen nicht an,
ob sie kostbare Pornobilder enthält oder wertlosen Datenmüll, zum Beispiel
Musik von Radiohead. Gleichzeitig wird die Menge an Daten, die moderne
Speichermedien speichern können, immer größer: Auf zwei CDs passen die
Daten der halben englischen Bevölkerung - auf eine DVD würde die Hälfte der
englischen Bevölkerung selbst passen, jedenfalls die schlankere. Wäre die
plötzlich verschwunden, hätte Premierminister Brown tatsächlich seinen Hut
nehmen und irgendwann vielleicht sogar einmal zurücktreten müssen!
Dabei sind CDs heutzutage die Dinosaurier unter den Speichermedien:
vergleichsweise groß, wunderschön und leider zum Aussterben verdammt. Gar
nicht auszudenken, was für ein Unfug mit den viel kleineren USB-Sticks oder
den winzigen SD-Karten getrieben würde, wenn britische Behörden bereits
welche hätten. Schon im Normalfall kommen sie ständig unter Haftnotizen
fort, rutschen einem unter den Fingernagel und werden vom leisesten
Windhauch aus dem Fenster geweht.
Computerspezialisten sagen: Weil Speichermedien inzwischen so billig sind,
passt man nicht mehr richtig auf sie auf. Hätten CDs einen Materialwert von
100 oder sogar 100.000 Euro, wäre der Kurier damit achtsamer umgegangen,
hätte sie mit einem Geldtransporter abgeholt und auf Umwegen in ein
Schweizer Bankschließfach gebracht. Dass die britischen CDs wieder
auftauchen, halten die Fachleute dennoch nicht für ausgeschlossen:
Verschwundene Daten liegen oft unter dem Sofa, verloren gegangene
Festplatten meist zwischen dem anderen Gerümpel in der Garage.
Was die Experten aber vor allem empfehlen: Vorsicht mit sensiblen Daten!
Ein unbedachtes Wort, ein Fausthieb zum falschen Zeitpunkt - und sie sind
für immer weg oder zumindest total beleidigt. Gerade junge Daten sind noch
empfindlich, brauchen Sicherheit, um zu verantwortungsvollen, erwachsenen
Daten heranwachsen zu können. Und selbstverständlich sollte man
Speichermedien keinesfalls in den Keller sperren; das sagt ja schon der
Name.
Aus diesem Grund, so raten die Informationstechniker, sollte man seine
Daten vor jedem Transport unbedingt verschlüsseln, auch wenn Kryptografie
für viele noch ein Buch mit sieben Siegeln ist. Ihre Tipps dazu:
Umfangreiche Dateien verkleinert man mit einem handelsüblichen Fotokopierer
auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Größe. Passwörter, die jeder kennen
sollte, sind "Name", "Geburtsdatum", "Nationalität" und "besondere
Kennzeichen".
Viele Nutzer verschließen aber die Augen vor den Gefahren, die die moderne
Computerwelt für sie bereithält. Fahrlässigkeit ist die Folge. Früher gab
es bei Rechnern nur drei Fehlerquellen: technisches Versagen, menschliches
Versagen und Spiegeleier, die in die Tastatur rutschen. Heute frisieren
schon Teenager ihre Computer, indem sie den Prozessor anfeilen, die
Benzinzufuhr hochtakten und einen breiteren Auspuff anbringen. Immer
schnellere Rechner überfordern ihre Besitzer und knallen gegen die nächste
Leitplanke. Ein Computerabsturz über dem Indischen Ozean forderte zuletzt
124 Todesopfer. Und auch die Computerviren werden immer bösartiger. Sie
sind teilweise so raffiniert programmiert, dass man sie gar nicht für die
Schädlinge hält, die sie sind. Die neuesten von ihnen geben sich zum
Beispiel als gute Freunde aus. Sie lassen das Telefon klingeln, schlagen
eine "Verabredung" vor, beispielsweise "auf ein Bier". Ohne dass der Nutzer
die Infektion mitbekommt, fährt schon das System runter und lässt sich erst
am nächsten Mittag wieder hochfahren - unter entsetzlichen Mühen, und meist
ist ein ganzer Arbeitstag futsch. MARK-STEFAN TIETZE
14 Jan 2008
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Mathematik
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