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# taz.de -- Architekt für Altbaufans: Der Erfinder des Berliner Mietshauses
> Eduard Knoblauch hat die Synagoge in der Oranienburger Straße gebaut und
> zahlreiche Mietshäuser. Eine Ausstellung an der TU erinnert an ihn.
Bild: Das bekannteste Werk von Eduard Knoblauch: Die Neue Synagoge an der Orani…
Es ist noch immer Mode in der Stadt, in einem typischen Berliner Mietshaus
in Mitte, Kreuzberg oder Prenzlauer Berg zu wohnen. Wer dort eine
bezahlbare Wohnung ergattert hat, zieht nur ungern wieder aus. Die Häuser
haben zumeist noch schöne Fassaden und Balkone nach vorn oder hinten
heraus. Fahrstühle sind Mangelware, dafür sind die Treppenhäuser hell,
ebenso die gut geschnittenen Wohnungen mit hohen Decken sowie die großen
Zimmer. Man geht auf Holzdielen; wenn man Glück hat, gibt es noch Stuck
oder kunstreich verzierte Jugendstil-Türen. Das ist der Ersatz für kleine
Bäder, hohe Heizkosten, das dämmrige Berliner Zimmer und Blicke in den
Hinterhof.
Kaum jemand weiß, dass Eduard Knoblauch (1801-1865) quasi der Erfinder des
Berliner Mietshauses ist. Knoblauch ist in der Bauszene als Architekt
zweier gänzlich anderer Gebäudetypen bekannt. Nach seinen Plänen wurde das
Jüdische Krankenhaus errichtet. Am bekanntesten aber - und ein Meisterwerk
der Berliner Schinkelschule - ist Knoblauchs große Synagoge in der
Oranienburger Straße, die 1866 eingeweiht wurde. Ebenso wie sich diese mit
ihrer goldenen Kuppel über die Stadt erhebt, überstrahlt das Gotteshaus für
damals 3.200 Gläubige das Gesamtwerk und die weitere Bedeutung des
Architekten.
Denn obwohl Knoblauch mit mehr als 130 ausgeführten Bauten eine maßgebliche
Bedeutung für die Berliner Architektur des 19. Jahrhunderts hatte und neben
Schinkel und Schlüter zu den Großen in der Architektur Preußens zählte,
sind sein Leben und sein Werk weitgehend in Vergessenheit geraten. Die
Gründe sind vielschichtig: Nicht wenige seiner Bauten wurden zerstört,
lange fehlten Zeichnungen und Planunterlagen. Sein Nachlass galt als
verschollen.
Auch gehört zu der Geschichte des Vergessens, dass Knoblauch nicht im
Staatsdienst tätig war, sondern den Beruf des freischaffenden
Privatarchitekten wählte. Er war, wie im Titel einer neuen Ausstellung an
der Technischen Universität deutlich wird, "ein Baumeister des Bürgertums".
Auch Knoblauch durchlief auf dem Weg zu den Bürgerhäusern einen mehrfachen
Wandel. Erst entwarf er feudale Sommerhäuser in der Berliner Umgebung im
klassizistischen Landhauslook mit Säulenportal, Dreiecksgiebel oder Attika.
Es folgten seine im Stil der italienischen Renaissance geplanten Villen in
Moabit und Tiergarten. Vom französischen Barock angehaucht waren
schließlich Architekturen und Entwürfe für große Stadtpalais - etwa die
russische Botschaft - und seine Bahnhofspläne in Berlin - etwa die für die
Berlin-Stettiner Eisenbahngesellschaft.
Nach den Stein-Hardenbergschen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts
erlebte Berlin einen Aufschwung in Handel und Industrie. Immer mehr
Menschen strömten in die Metropole, neuer Wohnraum wurde gebraucht - und
gebaut. Knoblauch entwarf keine engen Mietskasernen für die Spekulanten des
Baugewerbes, sondern nahm Aufträge aus der neuen Schicht des vermögenden
Bürgertums an. Für diese entwickelte er jenen Prototyp des Berliner
Mietshauses mit historisierender Putzfassade, drei- bis vierstöckigem
Aufbau und standardisiertem Grundriss, der eine enorme Wirkung erzielte.
Seine Mietshäuser in der Kronenstraße 28 (1832), in der Oranienstraße 101
(1847) oder in der Wallstraße 3 (1852) sind wunderbare Beispiele dieser
Architekturidee. Die Bauten haben einen strengen axialen Aufbau mit Vorder-
und Seitenflügel. Hinter aufwendigen Durchfahrten weiteten sich lichte
Höfe. Die Treppenhäuser waren abgeschlossen, die Wohnungen mit hohen
Fenstern erhielten den bekannten großzügigen Grundriss. Man betrat einen
breiten Flur, die Zimmer konnten durch Verbindungstüren beschritten werden.
Schlafräume gingen zum Hof. Hinter dem Berliner Zimmer befanden sich die
Kammern für das Gesinde. Knoblauch schuf den Raum für den bürgerlichen
Mikrokosmos.
Heute haben wir uns dort Küchen, Bäder oder Arbeitszimmer eingerichtet.
Dank Knoblauch ist die Altbauwohnung bis dato ein großer Wurf: flexibel,
funktional und noch immer schön.
17 Jan 2008
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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