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# taz.de -- Internationaler Waffenbericht: Die Abrüstung der anderen
> Im aktuellen Abrüstungsbericht der Bundesregierung wird viel über die
> weite Welt und ihre Waffen erzählt - über das hiesige
> Entwaffnungspotenzial aber so gut wie nichts.
Bild: Wie viele Kampfhubschrauber hat eigentlich Franz Josef Jung?
Wer das Dokument in den Händen hält, könnte fast vermuten, die Welt stehe
kurz vor der vollständigen Entwaffnung. Im jährlichen Abrüstungsbericht der
Bundesregierung, der am Freitag im Parlament diskutiert wurde (siehe
Kasten), schildert sie auf immerhin 158 eng bedruckten Seiten ihre
"Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung" - so der
offizielle Name des Berichts.
Und klar wird: Bemüht hat sich die Bundesregierung - wenn auch vor allem um
den Rest der Welt.
So erfährt man über Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan
und Usbekistan, dass diese Staaten im Berichtszeitraum erfreulicherweise
ein Abkommen über die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone in
Zentralasien unterzeichnet haben. Besorgt zeigt sich die Bundesregierung
über das Atomprogramm im Iran. Und über Nordkorea wurde notiert, dass es im
selben Jahr einen Atomtest unternommen hat.
Kaum aufregende Neuigkeiten. Erstaunlich sind da schon eher die äußerst
gelassenen Einschätzungen der Atomwaffenprogramme Indiens und Pakistans in
der Jahresbilanz.
Bei so viel globaler Wissensvermittlung kommt die Information über ein
militärisch nicht ganz unbedeutendes Land in Mitteleuropa allerdings etwas
kurz: die Bundesrepublik Deutschland. Abrüstung ist nach Lesart des
Berichts zuallererst die Abrüstung der anderen. Werden in den übrigen
routinemäßigen Berichten an den Bundestag auch und vor allem die Erfolge
oder auch Rückschläge vor der eigenen Haustür betrachtet, widmet der
Abrüstungsbericht gerade einmal zwei kurze Absätzen der Lage im eigenen
Land. Und in denen beschränkt sich die Bundesregierung auf ein Selbstlob:
für die "substanziellen Beiträge" der Bundeswehr zur "internationalen
Friedenssicherung".
Dabei gäbe es etliche abrüstungsrelevante Fragen. Zum Beispiel, wie die
Bundeswehr aufrüsten muss, um sich an den schnellen Eingreiftruppen von
Nato und EU beteiligen zu können. Oder ob sich die Bundesrepublik nach dem
2005 begonnenen Bau des deutsch-amerikanischen Raketenabwehrsystems Meads
nun auch für ein umfassendes Abwehrsystem der Nato einsetzt. Auch ein paar
Zeilen zu der Frage, wie viele Atomwaffen in Deutschland achtzehn Jahre
nach dem Fall der Mauer noch lagern und wie lange Bundeswehrpiloten noch
deren Einsatz üben sollen, sucht man in dem nun vorgelegten
Jahresabrüstungsbericht vergeblich.
So starr ist der Blick auf den Rest der Welt, dass die Bundesregierung
nicht einmal einen erfreulichen Fall von Abrüstung im eigenen Land erwähnt.
Denn seit 2005 lagern zumindest auf dem US-Stützpunkt Ramstein keine
Atomwaffen mehr. Bekannt wurde der dauerhafte Abzug erst im Juli 2007 -
nicht etwa durch eine Unterrichtung der Bundesregierung, sondern durch
aufwändige Recherchen eines agilen Washingtoner Rüstungsexperten. Die
verbliebenen Atomwaffen im eigenen Land - so lagern auf dem
Bundeswehrstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz weiterhin Bomben - sind der
Bundesregierung erst recht keine Zeile im Abrüstungsbericht wert.
Ausführlich aufgelistet wird hingegen jedes einzelne der von der
Bundesregierung mit insgesamt 15,27 Millionen Euro geförderten Projekte zur
Minenräumung. Doch auch hier hat der Bericht einen Schönheitsfehler. Kein
Satz dazu, dass deutsche Firmen weiterhin minenähnliche Streumunition
herstellen und diese auch exportieren. Kein Wort auch dazu, dass die
Bundesregierung diese Munition nicht aus den eigenen Arsenalen entfernen
will - und sich deshalb erst im Dezember bei einer internationalen
Konferenz in Wien gegen ein vollständiges Verbot dieser Waffen engagiert
hat.
Stattdessen wird selbst die Beteiligung an militärischen Planungen, zumal
rechtlich höchst umstrittenen, als abrüstungspolitisches Engagement
verkauft: Bei der im Bericht aufgelisteten Proliferation Security
Initiative (PSI) handelt es sich nämlich um eine 2003 von US-Präsident
George W. Bush initiierte Vereinbarung über das militärische Abfangen von
Schiffen, auf denen amerikanische Geheimdienste Waffenkomponenten vermuten.
Überhaupt: Höchst diplomatisch ist der Ton des dem Bundestag vorgelegten
Abrüstungsberichts immer dann, wenn es um die USA geht. Da wird über die
National Security Strategy (NSS) der Vereinigten Staaten referiert, ohne
ein kritisches Wort über deren Kern zu verlieren: die mit dem Irakkrieg
umgesetzte Präventivstrategie. Kein Wort auch über die Aufrüstung der
Mittelostregion mit tatkräftiger Unterstützung der USA. Selbst die
Information, dass die USA für 46 Prozent der weltweiten Militärausgaben
verantwortlich sind, müssen sich die Abgeordneten aus anderer Quelle holen.
Auch wer etwas über deutsche Abrüstungsperspektiven erfahren will, wird
sich anderweitig kundig machen müssen: Im 2006 vorgelegten "Weißbuch zur
Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" proklamiert
die Bundesregierung nicht nur die Beteiligung an weltweiten Kampfeinsätzen.
Auch die rüstungspolitischen Konsequenzen werden dort beschrieben,
allerdings in einem für Nichtmilitärs kaum verständlichen Code.
Die Bundeswehr strebe, so heißt es im Weißbuch, "eine kontinuierliche
Verbesserung ihres Fähigkeitsprofils an". Die Eingreifkräfte würden mit
"hochwertiger Technologie ausgerüstet", um deutliche Verbesserungen "in der
Befähigung zu Operationen hoher Intensität zu erzielen". Das kann man auch
Aufrüstung nennen.
Wer das Dokument in den Händen hält, könnte fast vermuten, die Welt stehe
kurz vor der vollständigen Entwaffnung. Im jährlichen Abrüstungsbericht der
Bundesregierung, der am Freitag im Parlament diskutiert wurde (siehe
Kasten), schildert sie auf immerhin 158 eng bedruckten Seiten ihre
"Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung" - so der
offizielle Name des Berichts.
Und klar wird: Bemüht hat sich die Bundesregierung - wenn auch vor allem um
den Rest der Welt.
So erfährt man über Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan
und Usbekistan, dass diese Staaten im Berichtszeitraum erfreulicherweise
ein Abkommen über die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone in
Zentralasien unterzeichnet haben. Besorgt zeigt sich die Bundesregierung
über das Atomprogramm im Iran. Und über Nordkorea wurde notiert, dass es im
selben Jahr einen Atomtest unternommen hat.
Kaum aufregende Neuigkeiten. Erstaunlich sind da schon eher die äußerst
gelassenen Einschätzungen der Atomwaffenprogramme Indiens und Pakistans in
der Jahresbilanz.
Bei so viel globaler Wissensvermittlung kommt die Information über ein
militärisch nicht ganz unbedeutendes Land in Mitteleuropa allerdings etwas
kurz: die Bundesrepublik Deutschland. Abrüstung ist nach Lesart des
Berichts zuallererst die Abrüstung der anderen. Werden in den übrigen
routinemäßigen Berichten an den Bundestag auch und vor allem die Erfolge
oder auch Rückschläge vor der eigenen Haustür betrachtet, widmet der
Abrüstungsbericht gerade einmal zwei kurze Absätzen der Lage im eigenen
Land. Und in denen beschränkt sich die Bundesregierung auf ein Selbstlob:
für die "substanziellen Beiträge" der Bundeswehr zur "internationalen
Friedenssicherung".
Dabei gäbe es etliche abrüstungsrelevante Fragen. Zum Beispiel, wie die
Bundeswehr aufrüsten muss, um sich an den schnellen Eingreiftruppen von
Nato und EU beteiligen zu können. Oder ob sich die Bundesrepublik nach dem
2005 begonnenen Bau des deutsch-amerikanischen Raketenabwehrsystems Meads
nun auch für ein umfassendes Abwehrsystem der Nato einsetzt. Auch ein paar
Zeilen zu der Frage, wie viele Atomwaffen in Deutschland achtzehn Jahre
nach dem Fall der Mauer noch lagern und wie lange Bundeswehrpiloten noch
deren Einsatz üben sollen, sucht man in dem nun vorgelegten
Jahresabrüstungsbericht vergeblich.
So starr ist der Blick auf den Rest der Welt, dass die Bundesregierung
nicht einmal einen erfreulichen Fall von Abrüstung im eigenen Land erwähnt.
Denn seit 2005 lagern zumindest auf dem US-Stützpunkt Ramstein keine
Atomwaffen mehr. Bekannt wurde der dauerhafte Abzug erst im Juli 2007 -
nicht etwa durch eine Unterrichtung der Bundesregierung, sondern durch
aufwändige Recherchen eines agilen Washingtoner Rüstungsexperten. Die
verbliebenen Atomwaffen im eigenen Land - so lagern auf dem
Bundeswehrstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz weiterhin Bomben - sind der
Bundesregierung erst recht keine Zeile im Abrüstungsbericht wert.
Ausführlich aufgelistet wird hingegen jedes einzelne der von der
Bundesregierung mit insgesamt 15,27 Millionen Euro geförderten Projekte zur
Minenräumung. Doch auch hier hat der Bericht einen Schönheitsfehler. Kein
Satz dazu, dass deutsche Firmen weiterhin minenähnliche Streumunition
herstellen und diese auch exportieren. Kein Wort auch dazu, dass die
Bundesregierung diese Munition nicht aus den eigenen Arsenalen entfernen
will - und sich deshalb erst im Dezember bei einer internationalen
Konferenz in Wien gegen ein vollständiges Verbot dieser Waffen engagiert
hat.
Stattdessen wird selbst die Beteiligung an militärischen Planungen, zumal
rechtlich höchst umstrittenen, als abrüstungspolitisches Engagement
verkauft: Bei der im Bericht aufgelisteten Proliferation Security
Initiative (PSI) handelt es sich nämlich um eine 2003 von US-Präsident
George W. Bush initiierte Vereinbarung über das militärische Abfangen von
Schiffen, auf denen amerikanische Geheimdienste Waffenkomponenten vermuten.
Überhaupt: Höchst diplomatisch ist der Ton des dem Bundestag vorgelegten
Abrüstungsberichts immer dann, wenn es um die USA geht. Da wird über die
National Security Strategy (NSS) der Vereinigten Staaten referiert, ohne
ein kritisches Wort über deren Kern zu verlieren: die mit dem Irakkrieg
umgesetzte Präventivstrategie. Kein Wort auch über die Aufrüstung der
Mittelostregion mit tatkräftiger Unterstützung der USA. Selbst die
Information, dass die USA für 46 Prozent der weltweiten Militärausgaben
verantwortlich sind, müssen sich die Abgeordneten aus anderer Quelle holen.
Auch wer etwas über deutsche Abrüstungsperspektiven erfahren will, wird
sich anderweitig kundig machen müssen: Im 2006 vorgelegten "Weißbuch zur
Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" proklamiert
die Bundesregierung nicht nur die Beteiligung an weltweiten Kampfeinsätzen.
Auch die rüstungspolitischen Konsequenzen werden dort beschrieben,
allerdings in einem für Nichtmilitärs kaum verständlichen Code.
Die Bundeswehr strebe, so heißt es im Weißbuch, "eine kontinuierliche
Verbesserung ihres Fähigkeitsprofils an". Die Eingreifkräfte würden mit
"hochwertiger Technologie ausgerüstet", um deutliche Verbesserungen "in der
Befähigung zu Operationen hoher Intensität zu erzielen". Das kann man auch
Aufrüstung nennen.
19 Jan 2008
## AUTOREN
Eric Chauvistré
## TAGS
Ursula von der Leyen
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