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# taz.de -- Deutschland und der Krieg: Unser Kampf?
> Die CSU spricht nun von einer "gescheiterten Kommunikationsstrategie",
> andere Politiker reden weiter drum herum: Deutsche Soldaten sind längst
> im Kampfeinsatz. Heuchelei oder Taktik?
Bild: Neusprech im Anmarsch: Soldat? Warum nicht "Konfliktbeauftragter"
Überall, in den Denkfabriken wie Entscheidungszirkeln, wird das Mittel der
militärischen Präsenz in Afghanistan als "Krieg" bezeichnet, hierzulande
hingegen als "Einsatz". Diese sprachliche Differenz macht die Debatte um
eine stärkere deutsche Beteiligung am Hindukusch so zäh. Die USA wollen,
dass die Deutschen ihr Kontingent an Soldaten aufstocken, so dass sie nicht
allein den ohnehin befriedeteren Norden bewachen, sondern auch für Teile
von umkämpften Provinzen im Westen Afghanistans zuständig werden. Aber die
Deutschen wollen nicht, und das auch noch parteiübergreifend.
Im Sommer 2002, vor der Wiederwahl Gerhard Schröders, gewann die rot-grüne
Koalition auch deshalb, weil die Union das offenbar
generationsübergreifende Gefühl der Deutschen nicht spürten. Kein Krieg!
Was haben wir mit Afghanistan zu tun! Wozu müssen unsere Soldaten sterben!
Wir brauchen allerhöchst eine Landesverteidigung, aber die Grenze der
Bundesrepublik verläuft eben nicht am Hindukusch. Das war erstaunlich und
korrespondierte möglicherweise mit den kollektiven Erinnerungen unseres
Landes. Die Alten wollten nicht mehr stahlhelmern, die Mittelalten, die
sogenannte Flakhelfergeneration, waren ohnehin grundskeptisch, die Jungen
dementsprechend erzogen im faktisch pazifistischen Duktus. Die Deutschen
hatten ihre Freude am Militär verloren, an internationaler Macht und ihrer
gewollten Inszenierung. Der Titel des Exportweltmeisters reichte allemal.
Die Deutschen haben offenbar seit 1945 jedweden Krieg, in den sie ziehen
sollen, endgültig satt.
Warum sollen Norweger oder Kanadier kein Problem damit haben, in die
umkämpfteren Gebiete Afghanistans zu ziehen, aber sehr wohl die Deutschen?
Weshalb, fragten diese amerikanischer Überheblichkeit unverdächtige Länder,
versteht ihr Deutschen euch nur auf militärbetreutes Länderbesuchen, nicht
aber auf die Pose der Entschlossenheit ohne jedwede sozialpädagogische
Attitüde, für die ja die Bundeswehr Nato-weit fast berüchtigt ist?
Diesen Widerspruch ungelöst gelassen zu haben, räumte am Samstag auf
Spiegel Online der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg ein:
"Unsere Kommunikationsstrategie der letzten Jahre ist gescheitert", und
fügte noch hinzu: "Wir müssen uns hier definitiv verbessern. In die
Bevölkerung hinein und gegenüber den Bündnispartnern muss Deutschland
detailgetreuer darstellen, was die Bundeswehr in Afghanistan macht und
weshalb sie es tut."
Bekundungen, die mehr verrätseln als erhellen: War es nicht schon in der
jüngsten Zeit so, dass die umgekommenen (andere sagen: gefallenen)
Bundeswehrangehörigen (andere wählen das Wort: Soldaten) nicht im Bild
gezeigt wurden? Ist es auch schon ein Kommunikationswunder an Vernebelung
gewesen, dass wir, als in der Heimat sitzendes Publikum, keine blutigen
Leiber gesehen haben, der wahre Krieg uns also auch medial verschont hat?
Karl-Theodor zu Guttenberg spricht hingegen am Rande der Münchner
Sicherheitskonferenz von einer "gewissen Schüchternheit", mit der die
deutschen Sicherheitskader öffentlich dargelegt haben, was in Afghanistan
Sache ist.
Die Lage war aber so: Die kriegsunwilligen Teile der Bundesrepublik hatten
keine Lust, auf die militärischen Voraussetzungen ihrer Freiheit einen
analytischen Blick zu verschwenden. Die militärgewogenen hingegen wollten
nicht kommunizieren, was die deutsche Sache irgendwo hinterm Mittelmeer
sein könnte. Es blieb ein vages, gedankenfaules Konstrukt, diese Debatte,
die nur seitens der Linkspartei engagiert - wenn auch in ihrem
grundsätzlichen Sinne (traditionell: "Lieber rot als tot") - geführt worden
war. Wir als Publikum haben zu erwarten: Neusprech im Orwellschen Sinne.
Aus Kugeln werden rasch fliegende Objekte, aus getöteten Menschen
Kollateralschäden, aus Panzern möglicherweise schwer rollende Fahrzeuge mit
prunkigen Waffen. Oder ähnlich, jedenfalls: Die Aussicht für einen
demokratischen Präsidenten in den USA, die Deutschen militärisch
gleichgeltend einzubinden, was sowohl von Hillary Clinton als auch Barack
Obama beabsichtigt ist, sind schlecht.
Die Deutschen werden nicht bewaffnet sonstwo kämpfen wollen, nicht am
Hindukusch und auch sonst nirgends. Der imaginierte Feind ist zu weit weg,
mental und medial - und an den Außengrenzen ist alles (bis auf die Schweiz)
eingehegt: vom langen Zaun der Nato.
11 Feb 2008
## AUTOREN
Jan Feddersen
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