# taz.de -- US-Foltergefängnisse bestehen weiter: Rechtsfreie Räume | |
> Trotz eines Urteils des Supreme Court und einer Neufassung des | |
> Feldhandbuchs für US-Soldaten betreibt die CIA weiterhin geheime | |
> Gefängnisse. | |
Bild: "Alternativen Verhörmethoden". | |
BERLIN taz George W. Bush wusste 2004 genau, was in Abu Ghraib geschehen | |
war. "Einige wenige amerikanische Soldaten haben dort unsere Werte in den | |
Schmutz gezogen." Nach dieser Maßgabe verhandelte auch die US-Militärjustiz | |
den Fall. Neun Soldaten, nur niedere Ränge, wurden verurteilt. Lynndie | |
England ist nach drei Jahren Haft wieder frei. Im Gefängnis sind noch die | |
als Haupttäter identifizierten Charles Graner und Ivan Fredrick, die zu | |
zehn bzw. sieben Jahren verurteilt wurden. Die Folterungen und sexuellen | |
Demütigungen waren, so die Version des US-Militärs, Einzelfälle. | |
Diese kühne Deutung ignoriert alle Indizien, die zeigen, dass Abu Ghraib | |
keine zufällige Verfehlung war, sondern dass Folter systematisch angewandt | |
wurde und von oben sanktioniert war. Der Soldat Javal Davis gibt in Morris | |
"Standard Operating Procedure" zu Protokoll, dass 2003 oft Gefangene | |
eingeliefert wurden, deren Namen nirgendwo auftauchen durften. Wenn | |
Inspektionen des Roten Kreuzes drohten, wurden diese Gefangenen stets | |
versteckt. | |
Sicher ist zudem, dass in Abu Ghraib 2003 der Gefangene al-Jamadi von | |
CIA-Mitarbeitern bei einem Verhör zu Tode gefoltert wurde. Publik wurde | |
dies nur, weil die Soldatin Sabrina Harman damals Fotos der Leiche machte. | |
Im Fall al-Jamadi wurden CIA-Mitarbeiter angeklagt, verurteilt wurde indes | |
niemand. | |
Forciert von George W. Bush und Donald Rumsfeld, wurde nach 9/11 das | |
Folterverbot aufgeweicht und die Geltung der Genfer Konvention | |
eingeschränkt. Al-Qaida-Verdächtige, so das Argument, seien irreguläre | |
Kämpfer und keine Kriegsgefangenen. Deshalb hätten sie auch keinen Anspruch | |
auf die internationalen Rechtsnormen, die für Kriegsgefangene gelten. | |
Faktisch existieren Terrorverdächtige in US-Lagern somit in einem nahezu | |
rechtsfreien Raum. | |
Unter dem Eindruck der Bilder aus Abu Ghraib entstand in den USA eine bis | |
heute währende Debatte, ob diese faktische Aufhebung des Folterverbots | |
zulässig sei. So verfügte der Oberste Gerichtshof im Sommer 2006, dass auch | |
des Terrorismus verdächtigte Häftlinge das Anrecht auf einen Prozess und | |
menschenwürdige Behandlung haben. Praktische Folgen hat dieses Urteil bis | |
jetzt nicht. So sind in dem Lager Guantánamo derzeit über 300 Gefangene | |
inhaftiert, viele bereits seit sechs Jahren und ohne Anklage. Eine | |
UN-Kommission stellte im Februar 2006 fest, dass in Guantánamo noch immer | |
Gefangene gefoltert wurden. Auch im afghanischen Bagram wurden 2006 | |
hunderte Gefangene willkürlich und ohne Anklageerhebung inhaftiert. | |
Eine direkte, wenn auch späte Reaktion auf die Bilder aus Abu Ghraib war | |
das neue Feldhandbuch der US-Armee, das im September 2006 erschien. Dort | |
wurden ausdrücklich sexuelle Erniedrigungen, das Überstülpen von Kapuzen, | |
Scheinhinrichtungen und "waterboarding", das simulierte Ertränken von | |
Gefangenen, verboten. Diese Neufassung ist ein Ergebnis der öffentlichen | |
Debatte und der Rechtssprechung des Supreme Court. | |
Allerdings gilt dieses Handbuch für Soldaten - nicht aber für | |
CIA-Mitarbeiter. Dass die CIA geheime Gefängnisse im Ausland betreibt, ist | |
regierungsamtlich. George W. Bush erklärte im September 2006, dass in | |
diesen Lagern Terrorverdächtige inhaftiert sind, die keinen Kontakt zur | |
Außenwelt - etwa Anwälten - haben und "alternativen Verhörmethoden" | |
unterzogen werden. | |
14 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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