Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Blackwater-Buchautor Scahill: "Krieg ist ein gutes Geschäft"
> Private Sicherheitsfirmen wie Blackwater bilden Bushs Schattenarmee im
> Irak. Die Söldner sind jenseits des Rechts. Selbst wenn sie Zivilisten
> töten, so US-Autor Jeremy Scahill
Bild: Rote Farbe als Protest gegen die Gewalt gegen Zivilisten auf dem Blackwat…
taz: Herr Scahill, was unterscheidet Privatarmeen wie Blackwater von der
US-Armee?
Jeremy Scahill: Für die Leute, die dort arbeiten, das Geld. Leute, die bei
der US-Armee 40.000 US-Dollar im Jahr verdienen würden, bekommen bei
Blackwater dreimal so viel. Außerdem ist es eine Frage der Kontrolle:
Blackwater untersteht ja nicht automatisch der US-Regierung, sondern dem
jeweiligen Auftraggeber.
Und was bringt es der US-Regierung, eine Firma wie Blackwater zu
beschäftigen?
Viel. Mit Blackwater verfügt die Bush-Regierung über eine Schattenarmee mit
25.000 jederzeit einsetzbaren Söldnern, den Gerätschaften einer regulären
Brigade und einer eigenen Luftflotte. Tote oder verletzte Söldner tauchen
in der offiziellen Statistik nicht auf. Das mindert die Proteste gegen den
Irakkrieg. Der Einsatz von Blackwater und anderen Söldnern verschleiert,
wie viele US- Amerikaner wirklich im Irak sind.
Blackwater ist in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen. Warum?
Mit einem Wort: Krieg. Etwas ausführlicher: aggressive Angriffskriege wie
im Irak. Die Clinton-Regierung verschaffte Blackwater in den 90er-Jahren
die ersten kleineren Aufträge im Volumen von ein paar hunderttausend
Dollar. Für den Einsatz im Irak bekommt Blackwater derzeit jährlich eine
halbe Milliarde Dollar im Jahr. Irgendetwas zwischen damals und heute ist
also passiert: die Anschläge am 11. September 2001 und die Reaktion der
Bush-Regierung darauf. Der Erfolg von Blackwater verdankt sich der
Eskalation von Gewalt und Krieg. Krieg bedeutet für Blackwater Geschäft,
und das Geschäft geht sehr gut. Es ging noch nie besser.
Wären die USA ohne private Militärunternehmen denn in der Lage, Kriege wie
in Irak und Afghanistan zu führen?
Nein. Bush selbst hat gesagt, dass das private Militär wesentlich für diese
Kriege ist. Es gibt zu wenig Rekruten in den USA und nur noch ein paar
Staaten, die mit den USA im Irak kämpfen wollen. Deshalb sind Söldner
zwingend erforderlich. Entweder die US-Regierung heuert Söldner an - oder
sie akzeptiert, dass ihre Irakpolitik gescheitert ist. Das ist die
Alternative.
Die US-Regierung braucht Blackwater also. Aber was ist, wenn
Blackwater-Söldner Massaker begehen wie im September am Nisour-Platz in
Bagdad, als 17 irakische Zivilisten getötet wurden? Das schadet dem Image
der USA im Irak doch enorm?
Richtig. Dies könnte Blackwater tatsächlich das Genick brechen. Sogar
Verteidigungsminister Robert Gates hat gesagt, Blackwater stehe dem Kampf
gegen die Aufständischen im Weg - weil sie wie wild geworden um sich
schießen und Leute töten. Denn das hat ja direkte Auswirkungen auf das
US-Militär. Für das Massaker von Nisour machen die meisten Iraker die
US-Armee verantwortlich, weil sie Blackwater-Söldner kaum von regulären
Truppen unterscheiden können. Und so etwas kann Racheakte gegen US-Soldaten
provozieren.
Sind die Blackwater-Täter denn vor Gericht gestellt worden?
Bis jetzt nicht. Das US-Militär hat den Fall zwar untersucht und
entschieden, dass dies ein Verbrechen war. Aber Blackwater bewegt sich ja
nicht in der Befehlskette der US-Armee, und passiert ist seitdem nichts.
Die irakische Regierung will, dass Blackwater das Land verlässt. Doch es
gibt eine Order von Paul Bremer, dem ersten Sondergesandten der
US-Regierung im Irak, die allen Angestellten von US-Privatunternehmen
Immunität vor Strafverfolgung im Irak garantiert. Wenn ein
Blackwater-Angestellter also jemanden ermordet, kann ihn kein irakisches
Gericht anklagen. Und das soll eine souveräne Regierung sein?
Sind denn nicht US-Gerichte zuständig für Verbrechen, die US-Bürger im
Ausland begehen?
Schwierig. Es existiert ein Gesetz, dass ein Angestellter einer privaten
Firma, der außerhalb der USA die Armee begleitet und dabei eine Straftat
begeht, nach US-amerikanischem Recht verurteilt wird. Doch Blackwater
arbeitet nicht fürs Militär, sondern für das State Department, also das
Weiße Haus. Deshalb gibt es derzeit eine juristische Debatte, ob das Gesetz
auch auf Blackwater anzuwenden ist. Das Justizministerium hat dem Kongress
gerade mitgeteilt, dass es nicht weiß, ob es ein Gesetz gibt, um Blackwater
zur Rechenschaft zu ziehen, weder im Militär- noch im Zivilrecht.
Wäre es Ihrer Ansicht nach denn sinnvoll, Blackwater-Täter nach dem
Militärrecht anzuklagen?
Erstens ist das kompliziert, weil private Söldner im Moment eben nicht zum
Militär gehören. Zweitens wäre es problematisch, weil man damit dem Militär
erlauben würde, Zivilisten vor Gericht zu stellen und die Macht der
Militärjustiz so erweitern würde. Ich halte Blackwater-Angestellte nicht
für Zivilisten - aber das Problem gäbe es dann.
Es existiert also keine rechtlich unbedenkliche und machbare Art und Weise,
die Täter zu verurteilen?
Doch, das Völkerrecht. Denkbar wäre etwa ein Tribunal wie zu den
Kriegsverbrechen in Jugoslawien. Doch bekanntlich erkennt die
Bush-Regierung das Recht des internationalen Gerichtshofs nicht an,
US-Soldaten und Bürger zu belangen.
Arbeitet Blackwater eigentlich ausschließlich für die USA?
Nein, aber zu 90 Prozent.
Und die restlichen 10 Prozent? Wer sind die anderen Auftraggeber?
Es ist fast unmöglich, das herauszufinden. Blackwater sagt nicht mal dem
Kongress, für wen sie noch arbeiten. Ich weiß, dass Blackwater schon für
die jordanische Regierung gearbeitet hat. Aber es gibt auch Privatpersonen
und Unternehmen, die sie anheuern.
Sie haben ein Buch über Blackwater geschrieben. Wie hat sich die Recherche
gestaltet?
Kompliziert. Blackwater hat sich geweigert, mit mir zu sprechen. Auch
Leute, die für Blackwater arbeiten, müssen einen Vertrag unterschreiben, in
dem steht, dass sie 250.000 US- Dollar Strafe zahlen, wenn sie mit
Journalisten reden. Blackwater ist auch kein börsennotiertes Unternehmen,
es gibt keine Aktionäre, mit denen man sprechen könnte. Ich musste die
Regierung verklagen, um deren Verträge mit Blackwater lesen zu können. Ein
paar Leute im Kongress haben mir geholfen. Und ich habe einige Leute
interviewt, die mal für Blackwater gearbeitet haben.
Der Boom von Blackwater basiert, wie Sie sagen, auf Bushs Kriegspolitik.
Würde sich für Blackwater etwas ändern, wenn ein Demokrat die
US-Präsidentenwahl gewinnt?
Wenn Barack Obama gewinnt, gäbe es eventuell Einbußen - aber das Genick
wird Blackwater auch das nicht brechen. Hillary Clinton ist ohnehin eine
der großen Unterstützerinnen des privatisierten Militärs. Generell gilt,
dass diese Unternehmen mittlerweile tief in das System eingebettet sind.
Sie sind selbst geschaffene Monster. Die privaten Militärunternehmen
unterstützen den Wahlkampf, und zwar auf beiden Seiten. Blackwater gibt den
Republikanern, andere den Demokraten. Die spielen alle im selben Team, wenn
es darum geht, das Imperium zu verteidigen. Clinton als Präsident, Bush als
Präsident, das ist alles mehr oder weniger dasselbe, wenn es um die
Kontinuität des Imperiums geht.
INTERVIEW: PATRICIA HECHT
19 Feb 2008
## TAGS
Jeremy Scahill
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sachbuch über US-Kriegsführung: Ungezieltes Töten
Der Kampf der USA gegen weltweit operierende Terrorgruppen ist umstritten.
Autor Jeremy Scahill kritisiert nicht nur die Intransparenz des Vorgehens.
Blackwater-Söldner erhalten Immunität: Die Gesetzlosen
Vor sechs Wochen starben 17 Iraker im Feuer von US-Söldnern. War es Notwehr
oder ein Massaker? Nun kann das FBI nicht ermitteln, weil den
Blackwater-Mitarbeitern Immunität gewährt wurde.
Immunität für Blackwater-Mitarbeiter: "Das ist eine Katastrophe"
Der auf internationales Strafrecht spezialisierte Anwalt und
Menschenrechtler Wolfgang Kaleck über die Immunität der
Blackwater-Mitarbeiter vor strafrechtlicher Verfolgung
US-Söldner im Irak: Zeugen stellen Blackwater bloß
Die private US-Sicherheitsfirma gerät immer mehr in den Verdacht, im Irak
zahlreiche Straftaten begangen zu haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.