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# taz.de -- Grünen-Politiker gegen Diskriminierung: "Abstruse Theorie" gegen H…
> Ein freikirchlicher Kongress bietet umstrittene Seminare zum Thema
> Homosexualität an - finanziell gefördert vom Familienministerium. Der
> Grünen-Politiker Volker Beck ist empört.
Bild: Beck, hier mit Claudia Roth, warnt vor religiösem Fundamentalismus.
taz: Herr Beck, bekommen Sie eigentlich viel Post wegen Ihrer Kritik am
Christival?
Volker Beck: Mein Büro wird von Mails förmlich geflutet. Allein am
vergangenen Wochenende waren es gut 100 zu diesem Thema.
Veranstalter und Deutsche Evangelische Allianz (DEA) werfen Ihnen vor, der
Meinungsfreiheit zu schaden. Trifft Sie das?
Ich finde den Vorwurf bezeichnend für deren Demokratieverständnis:
Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit bedeuten nicht, dass alles, was man
in ihrem Namen artikuliert, völlig außerhalb der Kritik steht. Kritik ist
kein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern ihr Ausdruck.
Das heißt: Sie wollen nicht, dass das Christival gestoppt wird?
Nein! Ich würde mich stets dafür verwenden, dass niemand versucht, das, was
die dort veranstalten, strafrechtlich zu verfolgen - diese
Homo-Heilungs-Seminare eingeschlossen. Genauso ist meine Kritik keine
Kritik am Christentum an sich: Der Versuch von DEA und
Christival-Veranstaltern, bestimmte eigene Positionen mit dem Christentum
gleichzusetzen und sich dadurch gegen Kritik zu immunisieren, ist einfach
illegitim. Ich würde aber alle DemokratInnen und humanistisch orientierte
ChristInnen aufrufen, vor solchen Veranstaltungen zu warnen.
Warnungen seitens der Bremer evangelischen Kirche bleiben bislang aus.
Enttäuschend?
Ich würde mir schon wünschen, dass unsere Bischöfe erkennen: Sie haben auch
eine seelsorgerische Verantwortung für Menschen, die in die Fänge dieser
Gruppierungen geraten. In denen wird auf junge, homosexuelle ChristInnen
ein Druck ausgeübt, sich in Pseudo-Therapien zu begeben - mit den
potenziellen Folgen von schweren Depressionen bis hin zu Suizidversuchen.
Aber holla! Wir sprechen von 90-Minuten-Seminaren. Ist das nicht ein
bisschen überbewertet?
Es geht mir nicht darum, zu behaupten, ein einzelnes Seminar würde
unheimlichen Druck auf jemanden ausüben. Das Problem ist aber: Menschen
erfahren dort von einer abstrusen Theorie - und halten diese dann für wahr.
Wirklich?
Es gibt bestimmte, sehr religiös geprägte Familien, wo die Eltern, wenn sie
von der Homosexualität ihrer Kinder erfahren, diese in solche
Pseudo-Therapien stecken - von denen sie beispielsweise auf so einem
Festival gehört haben. Ich erhalte in dieser Diskussion auch etliche
Schreiben von schwulen oder lesbischen ChristInnen, die berichten, dass ein
enormer Druck auf sie ausgeübt wurde - in genau solche Richtungen. Und dass
es für sie ein sehr schmerzlicher Prozess war, sich daraus zu befreien.
Okay, das ist Standard in solchen Glaubensgruppen
Es ist ein wichtiger Unterschied, ob dieser Druck mit Billigung von
Instanzen wie der evangelischen Kirche oder dem Staat ausgeübt wird - oder
im Widerspruch zu ihnen. Das ist für die Chance, sich davon zu befreien,
ganz entscheidend.
Die Veranstalter behaupten, das Homo-Seminar habe gar keine therapeutische
Zielsetzung gehabt. Halten Sie das für glaubwürdig?
Der ganze Diskurs dieser Leute über Homosexualität ist geprägt von der
Behauptung, Homosexualität wäre ein veränderungsbedürftiges Defizit. Es
wird nirgends die Möglichkeit erwogen, die eigene Homosexualität positiv
anzunehmen - und sie in Übereinstimmung mit dem Glauben zu leben. In
Interviews des DEA-Vorsitzenden kommt klar zum Ausdruck, dass dies für
diese christliche Strömung nicht denkbar ist.
Der besagte Jürgen Werth hatte dem evangelischen Pressedienst gesagt,
Homosexualität sei eine "Zielverfehlung". Was aber ein biblischer Befund
und keinesfalls eine Diffamierung sei
Diese Damen und Herren spielen mit der Sprache. Kritik ist Angriff auf die
Meinungsfreiheit, Diffamierung ist keine Diffamierung, solange sie von
ihnen kommt. Und Selbstbestimmung ist dann, wenn man sich seine
Homosexualität wegtherapieren lässt. Das ist eine Strategie, die hat man in
den USA abgeguckt.
Das Christival existiert seit 30 Jahren. Bisher hat es nie Aufregung
gegeben. Hat bloß niemand hingeguckt?
Ich habe den Eindruck, es gibt in diesem eher konservativen, evangelikalen
Spektrum durch den Einfluss der Bewegungen in den USA eine Engführung auf
bestimmte Themen - wie Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch, überhaupt
Sexuallehre, aber auch den Kreationismus, wo man ganz gezielt versucht, für
eine sehr randständige Meinung gesellschaftliches Terrain zu erobern. Das
hatte man früher in dem Maße nicht - da ging es in erster Linie wirklich um
Religiosität. Mittlerweile geht es um eine religiös begründete Politik.
Die Presse-Resonanz ist schwach - dabei ist Fundamentalismus doch ein
Debatten-Thema. Oder gilt das nur für den Islam?
Auch ich bin auf dieses Christival nur durch die Schirmherrschaft der
Bundesfamilienministerin aufmerksam geworden. Man gibt da von staatlicher
Seite so etwas wie ein Gütesiegel und sagt: Das ist ein christliches
Jugendfestival, offen für alle. Und das stimmt eben nicht. Auch hat mich
erstaunt, dass das Festival staatlich mit 250.000 Euro kofinanziert wird:
Die Bundesregierung sieht offenbar nicht, dass diese Förderung dazu
verpflichten müsste, dass dort wenigstens nichts Minderheitenfeindliches
stattfinden darf.
Naja, das Familienministerium behauptet, man habe wegen des
Homo-Heiler-Seminars interveniert und dafür gesorgt, dass es rausfliegt.
Und die Veranstalter behaupten das genaue Gegenteil: Sie hätten es aus
freien Stücken abgesagt. Nur eins von beiden kann wahr sein. Und ich frage
mich: Wer lügt?
VOLKER BECK, 47, ist seit 1994 Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen. Er ist deren menschenrechtspolitischer Sprecher und ihr
Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Er ist ledig und lebt in schwuler
Lebensgemeinschaft in Köln.
19 Feb 2008
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
Benno Schirrmeister
## TAGS
Olaf Latzel
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