# taz.de -- Boomende Basisdemokratie: Bürger reden gerne mit | |
> Basisdemokratie kommt bei den Deutschen gut an, meldet der Verein Mehr | |
> Demokratie. Bundesweit wurden 4.500 Bürgerbegehren organisiert. | |
Bild: 40 Prozent aller Anliegen erfolgreich: Bürgerinitiative in Bremen gegen … | |
Wer in einer Wahlkabine sein Kreuzchen kritzelt, kann damit seit einigen | |
Jahren nicht nur über Parteien und Politiker entscheiden, sondern auch in | |
Sachfragen. Und immer mehr BürgerInnen wollen genau das, lautet das Fazit | |
eines Bürgerbegehrensberichts, den der Verein Mehr Demokratie am Dienstag | |
in Berlin vorgestellt hat. | |
4.500 Mal haben BürgerInnen sich bundesweit durch ein Bürgerbegehren oder | |
einen Bürgerentscheid in die Politik eingemischt, seitdem es diese | |
basisdemokratischen Instrumente gibt. In fast 40 Prozent aller Fälle hatten | |
die Initiatoren mit ihrem Anliegen Erfolg. Die meisten Bundesländer haben | |
erst im Laufe der Neunzigerjahre den Weg für mehr Bürgerbeteiligung | |
freigemacht. | |
Die Zahlen zeigten, "dass die Bürger sich mehr direkte Demokratie | |
wünschen", sagte der Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, Gerald Häfner, | |
am Dienstag in Berlin. Er beklagte aber zugleich, dass die Hürden, die | |
Politiker und Verwaltungsbeamte vor Bürgerbeteiligungen aufgetürmt hätten, | |
vielerorts zu hoch seien. | |
So seien in vielen Bundesländern zu viele Themen von vornherein von | |
direkter Demokratie ausgenommen. Nordrhein-Westfalen und vier andere | |
Bundesländern schlössen etwa die Bauleitplanung von Bürgerbegehren aus. | |
Dies führe dazu, dass BürgerInnen dort niemals darüber entscheiden dürften, | |
ob und wo ein neues Einkaufszentrum oder eine Schnellstraße entstehen soll. | |
Häfner nannte das eine "Anmaßung der Politik gegenüber den Bürgern" und | |
forderte die ersatzlose Streichung aller Themenausschlüsse. | |
Weiterhin seien die Mindestbeteiligungsquoren, die an den Erfolg von | |
Bürgerbegehren oder -entscheiden geknüpft seien, oft zu hoch. Eigentlich | |
erfolgreich durchgeführte Bürgerentscheide würden so im Nachhinein noch | |
gekippt, weil zu wenige BürgerInnen an die Wahlurnen gegangen seien. Häfner | |
bemängelte, dies sei eine "Prämie für Abstinenz" und plädierte dafür, die | |
Quoren vor einem Bürgerbegehren als "Filter" zwar zu erhalten, den Erfolg | |
oder Misserfolg eines Bürgerentscheids selbst aber nicht mehr an eine | |
Mindestbeteiligung zu knüpfen. Er nannte außerdem die Information der | |
Bürger im Vorfeld von Begehren "vielerorts stark verbesserungswürdig". | |
Professor Theo Schiller von der Universität Marburg, der den | |
Bürgerbegehrensbericht wissenschaftlich begleitet hatte, stellte heraus, | |
dass - anders als von einigen Kritikern befürchtet - die Stärkung der | |
Bürgerbeteiligung die Politik in den Gemeinden nicht ineffizienter gemacht | |
habe. Direktdemokratische Verfahren seien oft sogar Auslöser, um | |
"politische Entscheidungen nochmals zu überdenken und ihren Nutzen für die | |
Allgemeinheit kritisch zu prüfen." | |
Dass konservative Parteien, die mehr direkte Demokratie einst abgelehnt | |
hatten, Verfahren der Bürgerbeteiligung heute verstärkt selbst nutzen, fand | |
Michael Efler vom Bundesvorstand der Basisdemokratielobbyisten "ganz | |
wunderbar." | |
19 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Siepmann | |
## TAGS | |
Kommunalpolitik | |
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