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# taz.de -- Sepp Bierbichler-Porträt: Autodidakt mit Axt
> "Bierbichler", ein Porträtfilm von Regina Schilling, schaut dem Mimen
> beim Holzhacken zu und begleitet den großen bayrischen Anarchisten ans
> Theater und in sein Heimatdorf.
Bild: Sepp Bierbichler - mit seiner Kollegin Irm Hermann.
Zum Theater sei er wegen eines Minderwertigkeitskomplexes gekommen, sagt
Sepp Bierbichler, einer der großen deutschen Schauspieler in dem gerade
angelaufenen Dokumentarfilm der Kölnerin Regina Schilling. Bierbichler
wollte eben mehr sein als ein Land- und Gastwirt aus Ambach vom
Starnbergersee. Und er wurde es, ein Autodidakt, entdeckt von Werner Herzog
und zusammen mit Herbert Achternbusch der führende Vertreter des
bayerischen Anarchismus.
Ambach, der Gasthof "Zum Fischmeister" und eine überschaubare Anzahl von
Freunden und Exfreunden sind das Zentrum von Schillings zurückhaltendem
Film. Bierbichler lässt sich bis heute nicht gern in die Regie zwingen.
Schilling lässt ihn klugerweise gleich selbst mit der Kamera vom Balkon des
"Fischmeisters" über das Westufer des Sees wackeln und seinen Heimatort
kommentieren. Unten gerät ein Mann im Jogginganzug ins Visier der Kamera.
"Das ist der Dusjan", erklärt Bierbichler aus dem Off. Der, so Bierbichler
weiter, "der macht die Arbeit, die ich eigentlich machen sollte. Weil ich
keine Zeit dafür habe und einen Aufsatz für das Theater der Zeit schreiben
soll."
Schillings Film zitiert sparsam aus dem Künstlerleben des erfolgreichen
Außenseiters, der im April 60 Jahre alt wird. Es gibt Ausschnitte aus
Herzogs "Woyzeck", in denen Bierbichler den schmächtigen Klaus Kinski im
Schwitzkasten hält. Oder Bierbichler in Achternbuschs berühmten
"Bierkampf", live von der Münchner Wiesn, den sie Ende der 70er dort
drehten. Es genügt, um einen Eindruck von der unmittelbaren Wirkung,
Methode und Präsenz des Schauspielers zu bekommen, von dem
eigenbrötlerischen und queren Witz. Bierbichler und Achternbusch haben sich
seit Jahren nichts mehr zu sagen, das wird in dem Film schnell klar. Wie
die beiden getrennt voneinander in ihren Stuben übereinander sprechen,
gehört zu den angenehm skurrilen und intimen Dimensionen dieses
Dokumentarfilms.
Bierbichler, Schelm und Berserker, hat ein Problem sich zu entblößen und
auch wieder keins. In einer Sequenz liegt er nackt in der Badewanne, ein
Buch mit einem Arm in die Höhe gestreckt, als ob er lesen würde, den Kopf
unter Wasser. "In Bayern leben 60 Prozent Anarchisten und die wählen CSU",
heißt es in einem Achternbusch-Film.
2005, nach dem Tod der Schwester, hat Bierbichler sich mehr oder weniger
von der Bühne verabschiedet. Im Film hackt er Holz in seinem Wald. Die
Kamera geht dabei nahe an ihn heran, er sagt: "Ich muss das machen,
Holzhacken, weil ich dem deutschen Theater endlich zeigen will, was
künstlerische Arbeit ist." Der Film begleitet ihn auf seiner Fahrt nach
Berlin, mit seinem selbst geschlagenen Holz aus dem Ambacher Forst. Dann
sieht man, wie er die Bäume vor die Schaubühne kippt.
2006 hatte dort sein Einpersonenstück "Holzschlachten. Ein Stück Arbeit"
Premiere. Es war Bierbichlers persönlicher Kommentar zu den immer haltloser
wiederkehrenden Opferdebatten der Deutschen. Ein ohne die Sensibilität des
Schauspielers Bierbichler wohl nur schwer auszuhaltender Bühnenmonolog aus
der Perspektive eines deutschen KZ-Arztes: "Ih habs Theater nie als Arbeit
empfunden. Deswegen hab ih a nie die Klagen verstanden. Und a deswegen will
ih mal Holz hacken im Theater und den Text sag ih nebenher auf." ANDREAS
FANIZADEH
15 Mar 2008
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
Andreas Fanizadeh
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Nachruf
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