# taz.de -- Längst kein Tabuthema mehr: Zum Schutz der Kinder - weltweit | |
> Vom 1. März an werden alle Passagiere, die mit der Fluggesellschaft | |
> Condor in die Dominikanische Republik fliegen, ihre Heißgetränke in | |
> Bechern der Ecpat serviert bekommen. ITB-Veranstaltungsreihe gegen die | |
> sexuelle Ausbeutung von Kindern | |
Bild: Kinder-Protestmarsch | |
Die sexuelle Ausbeutung von Kindern in ärmeren Ländern durch westliche | |
Touristen ist schon längst kein Tabuthema mehr. Das Netzwerk von End Child | |
Prostitution, Pornography, and Trafficking of Children (Ecpat) und andere | |
Organisationen sorgen seit Jahren dafür, dass die Öffentlichkeit weltweit | |
für diese Verbrechen sensibilisiert wird. Die Ecpat unterstützt Regierungen | |
und Nichtregierungsorganisationen. Gleichzeitig motiviert sie | |
Reiseveranstalter und die Medien, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. | |
Ein wichtiger Schritt dazu war, dass viele Tourismusunternehmen den Code of | |
Conduct (CC), den Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller | |
Ausbeutung, unterzeichnet haben. Der CC besteht aus sechs Punkten, | |
beispielsweise der Sensibilisierung und Ausbildung der Mitarbeiter im | |
Herkunftsland und Zielland. Durch seine Anwendung können sozial | |
verantwortliche Reise- und Tourismusunternehmen präventiv dazu beitragen, | |
die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen einzudämmen. Mit der | |
Unterschrift des CC verpflichten sich diese Unternehmen, die sechs | |
Kriterien an all ihre Mitarbeiter weiterzugeben. | |
Für Mechtild Maurer, Geschäftsführerin von Ecpat Deutschland e. V., reicht | |
die Verteilung von Faltblättern nicht aus. "Es werden auch mehr Schulungen | |
benötigt", sagt Maurer auf dem Forum "Qualität und Qualifizierung - | |
Erfahrungen mit Schulungen zum Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder für | |
die Tourismusfachkräfte" am 6. März auf der ITB. Aus diesem Grund geht | |
Ecpat direkt in touristische Fachhochschulen, Berufsakademien und | |
Universitäten, um die Ausbilder von Reiseleitern für das Problem der | |
Ausbeutung von Kindern zu sensibilisieren. Bereits jetzt nehmen zwei | |
Drittel aller Ausbildungsstätten in Deutschland an Ecpat-Kursen teil. Die | |
Schulungen sind teils obligatorisch, teils fakultativ - in München sind sie | |
beispielsweise Pflicht, in Dresden gehören sie zum Angebot. | |
Das Interesse vonseiten der Studenten bezeichnet Maurer als "sehr groß". | |
"Den Studenten wird interaktives Lernen an die Hand gegeben, um die | |
Einstellung und das Verhalten von zukünftigen Reiseleitern zu ändern", sagt | |
Mechtild Maurer. An den Schulungen nimmt neben den Trainern der Ecpat auch | |
immer auch ein Polizist teil, denn das Thema Kinderausbeutung hat nicht nur | |
moralische, sondern auch juristische Aspekte. Die Gesetze seien von Land zu | |
Land unterschiedlich, sowohl die zu Kinderausbeutung und sexuellen | |
Missbrauch als auch die Festlegung der Volljährigkeit. Während man zum | |
Beispiel in Deutschland mit 18 Jahren volljährig sei, gelte man in Thailand | |
nur bis zum Alter von 14 Jahren als Jugendlicher. In Kambodscha gelte | |
Kinderpornografie nicht als Straftat, sondern nur Kinderprostitution. | |
Giorgio Berardi von Ecpat International bemängelt auf dem Forum "Der Erfolg | |
des Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im | |
Tourismus (Code of Conduct)", dass es noch zu wenige Partner in den | |
betroffenen Ländern gebe, die vor Ort Schulungen durchführen können. Zudem | |
ist die hohe Fluktuation im Personal der Reisebranche ein großes Problem. | |
Ecpat könne mit seinen Schulungen nur Impulse geben, die Detailarbeit müsse | |
jedoch vor Ort geleistet werden. Für die Kontrolle müssen die Polizei und | |
die politischen Behörden sorgen. | |
Dass es Möglichkeiten gibt, Kinder und Jugendliche zu schützen und ihnen | |
auf diesem Weg die Chance auf ein besseres Leben zu bieten, war Thema einer | |
weiteren Veranstaltung auf der Tourismusbörse. Die sogenannte Task Force | |
fand bereits zum 21. Mal statt und steht unter der Schirmherrschaft der | |
Welttourismusorganisation (UNWTO). Vorgestellt wurde etwa die Youth Career | |
Initiative (YCI), die erfolgreich jugendliche Schulabbrecher im Alter von | |
18 Jahren in Jordanien integriert. Die Jugendlichen durchlaufen im Rahmen | |
eines sechs Monate langen Programms alle Bereiche im Hotelbetrieb - vom | |
Empfang bis zur Küche. Anschließend haben sie die Möglichkeit, mit ihrem | |
erworbenen Zertifikat dauerhaft im Hotelgewerbe zu arbeiten. | |
Am 10. März startet ein Pilotprojekt in der brasilianischen Stadt | |
Fortaleza, organisiert von Tourism & Childhood und dem brasilianischen | |
Ministerium für Tourismus. Dabei werden Jugendliche für Jobs in der | |
gesamten Tourismusindustrie ausgebildet. Die Ausbildung besteht aus 200 | |
teils theoretischen und teils praktischen Stunden. Dieses Projekt soll | |
künftig auch von anderen brasilianischen Städten übernommen werden. | |
Als großen Erfolg wertet Ecpat-Geschäftsführerin Mechtild Maurer, dass alle | |
Fluggäste, die ab dem 1. März mit der Fluglinie Condor in die | |
Dominikanische Republik fliegen, ihre Heißgetränke in Bechern der Ecpat | |
serviert bekommen. Ecpat Deutschland hatte 2007 den Wettbewerb "Gegen das | |
Wegsehen - Kinder sind kostbar!" ausgeschrieben, bei dem junge Menschen aus | |
der Reisebranche Sensibilisierungsprojekte für Reisende entwickeln und | |
gleichzeitig Partner aus der Tourismusindustrie für deren Umsetzung suchen | |
sollten. Studierende der Hochschule Heilbronn hatten mit ihrem Entwurf | |
eines Pappbechers gegen sexuelle Ausbeutung den ersten Platz gewonnen. | |
Luís Méndez, Leiter der dominikanischen Ecpat Partnerorganisation M.A.I.S. | |
in Puerto Plata, berichtet, dass er und seine Organisation vermehrt von | |
Reiseunternehmen und Hoteliers nach Schulungen für ihre Mitarbeiter gefragt | |
werden. Während deutsche Reiseveranstalter vorwiegend ihr eigenes Personal | |
schulen, kooperieren andere europäische Reiseunternehmen bereits eng mit | |
nationalen Nichtregierungsorganisationen und öffnen ihre Veranstaltungen | |
auch für einheimische Beschäftigte der Reisebranche. Wie Luís Méndez | |
berichtet, wurde im Jahr 2000 in der Dominikanischen Republik das Problem | |
sexueller Ausbeutung von Kindern im Tourismus noch totgeschwiegen, sodass | |
die Situation dramatisch war. Seitdem habe sich jedoch dank der | |
Unterstützung verschiedener Organisationen und Länder die Situation stark | |
verbessert. Dies bestätigt auch eine Evaluation, die im vergangenen Jahr im | |
Auftrag des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) durchgeführt wurde: | |
Demnach haben Maßnahmen, die der DRV in Kooperation mit der Ecpat und mit | |
Unterstützung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) | |
durchführt, deutlichen Erfolg. Die Evaluation ergab, dass sich einheimische | |
Organisatoren ernst genommen fühlen und die Unterstützung als wichtige | |
Hilfe empfinden. | |
Aufgrund des Drucks anderer Länder könne die dominikanische Regierung den | |
Missbrauch von Kindern inzwischen nicht mehr leugnen und sehe sich zum | |
Handeln gezwungen, sagte Méndez. Im Jahr 2003 unterschrieben zahlreiche | |
dominikanische Hotels und Reiseveranstalter den CC. Die Teilnahme des | |
Tourismussekretariats der Insel, von Staatsanwälten, der Tourismuspolizei | |
und verschiedenen Agenturen an einem Workshop zur Umsetzung des CC in der | |
Dominikanischen Republik war ein weiterer großer Schritt. Dies ist ein | |
Zeichen dafür, dass das Thema endlich von den Behörden als | |
menschenrechtliches Problem angesehen wird. "Jetzt ist die Situation in der | |
Dominikanischen Republik zwar immer noch schlimm, aber wenigstens gibt es | |
Fortschritte", sagte Méndez. | |
15 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Janina Terheyden | |
## TAGS | |
Entwicklungszusammenarbeit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Kalter Kaffee aus Madrid | |
Schwerpunkt der Welttourismusorganisation ist der Tourismus in | |
Entwicklungsländer. Dieser wächst auch ohne UNWTO prächtig. |