# taz.de -- Bäume gegen Wüstenbildung: Die Sahara wird grün | |
> In Dan Saga im Niger pflanzen Bauern Bäume und holen sich so ein Stück | |
> der Wüste zurück. Ausländische Entwicklungshelfer verschnarchen den Trend | |
> zum Grünen. | |
Bild: Baumwurzeln halten Wasser im Boden und schützen vor Sandstürmen. | |
NIAMEY taz Neben fast jedem Haus in Dan Saga steht ein Baum. Im Schatten | |
sitzen alte Männer auf bunten Strohmatten, Frauen zerstoßen Getreide in | |
Mörsern und haben ein Auge auf spielende Kinder. Auf den Äckern arbeiten | |
Bauern im Schatten weiterer Bäume. Johlend lenkt ein Mädchen einen mit | |
Wassertonnen und Teenagern vollgepackten Ochsenkarren. | |
Dan Saga ist ein Dorf in Niger am Rande der Sahara; der großen Wüste, die | |
sich infolge des Klimawandels wie durch menschliches Zutun ausbreitet. Noch | |
vor einigen Jahren war es auch in Dan Saga kahl: "In den Siebziger- und | |
Achtzigerjahren hatten wir schreckliche Dürren", erzählt der Bauer Issa | |
Ibahimi. "Damals haben wir alle Bäume gefällt, um mehr Land für Ackerbau | |
frei zu machen. Was wir falsch gemacht hatten, begriffen wir erst, als wir | |
sahen, wie auf verlassenen Feldern vieles von allein nachwuchs. So dachten | |
wir: Wir lassen die Schößlinge wachsen." Und die Bauern begnügten sich | |
nicht mit dem Wildwuchs, sondern pflanzten im Dorf selbst Bäume an. | |
Baum, der Erntehelfer | |
Unter einem von ihnen sitzt der Bauer. Es ist der älteste Baum der Dorfes, | |
ein Neembaum. "Dieser und vier andere Neembäume waren die ersten. Die | |
übrigen vier starben, aber dieser hier ist unser Stolz. Damals konnten wir | |
nicht draußen sitzen wie jetzt. Staub und Sand wirbelten nur so herum. | |
Jetzt haben die Bäume den Wind gezähmt." | |
Die Bäume spenden nicht nur Schatten. Die Wurzeln des Gaobaums, eine | |
Akazienart, fixieren die Erde auf den Feldern, sodass sie nicht erodiert. | |
Herabgefallenes Laub dient als Humus. "Früher konnten wir von einem Hektar | |
sieben Lagerräume mit Hirse füllen. Heutzutage holen wir von einen Hektar | |
mehr als das Doppelte", sagt Issa Ibrahimi. | |
Zweige werden auf dem Markt als Brennholz verkauft. Die Gaoblätter dienen | |
auch als Viehfutter. Aus den Blättern des Baobab lässt sich Soße kochen, | |
die des Neembaums besitzen medizinische Wirkung bei hohem Blutdruck und | |
beginnender Zuckerkrankheit. | |
Dan Saga ist keine Ausnahme. Im Süden von Niger ergrünt es vielerorts am | |
Rand der Wüste. Der Vergleich von Satellitenfotos zeigt, wie in den | |
vergangenen 25 Jahren auf mehr als 50.000 Quadratkilometern Bäume gewachsen | |
sind - einer Fläche so groß wie Niedersachsen. "Man schätzt, dass 65 | |
Millionen Bäume angepflanzt wurden", erzählt der niederländische | |
Bodenexperte Chris Rey. "Aber ein großer Teil davon ist innerhalb von ein | |
paar Jahren gestorben. Anpflanzen ist kompliziert und relativ teuer." Dafür | |
belaufe sich die Zahl der wild gewachsenen Bäume, die von Bauern auf den | |
Feldern gepflegt würden, auf 200 Millionen. | |
Immer mehr Bäume scheinen sich an die härter werdenden Bedingungen | |
anzupassen, selbst wenn sie dafür mitunter Hilfe benötigen. Große Strecken | |
entlang der Autostraße, die von Westen nach Osten quer durch Niger führt, | |
sind von hohen Bäumen flankiert. Ebenso oft sieht man junge Schößlinge, die | |
mit Strohmatten gegen hungrige Ziegen geschützt werden. | |
Die vielen ausländischen Entwicklungshelfer in Niger scheinen den Trend zum | |
Grünen nicht bemerkt zu haben. Ein ausländischer Mitarbeiter einer | |
Hilfsorganisation schaut verblüfft, als er darauf angesprochen wird. "Ich | |
sehe hier und da Bäume, aber eine Begrünung des Sahel?", wundert er sich. | |
Larwanou Mahamane, ein nigrischer Forstwissenschaftler, muss darüber | |
lachen. "Der Mann ist wie viele seiner Kollegen zu sehr mit eigenen | |
Projekten beschäftigt. Sie können oder wollen die Begrünung nicht sehen. | |
Schließlich ist es kein spektakuläres Projekt, das Hilfsorganisationen oder | |
Regierung gestartet haben. Es ist eine Eigeninitiative der Bauern." | |
Der Wissenschaftler von der Universität der Hauptstadt Niamey erforscht die | |
Folgen der Begrünung für Bauern und Umwelt. Er betont, dass Initiativen aus | |
der Bevölkerung selbst kommen müssen, wenn sie Erfolg haben sollen. | |
"Trotzdem bleibt Hilfe von außen nötig. Nicht in der Form von Kisten voll | |
Geld und Organisationen, die den Bauern sagen, was sie tun sollen, sondern | |
durch Ausbildung von lokalen Experten." | |
Hilfsorganisationen hören nicht auf die Bevölkerung | |
Zinder, ein Städtchen 450 Kilometer östlich von Dan Saga, ist ein Zentrum | |
von Hilfswerken. An den Straßenecken weisen bunt bemalte Schilder den Weg | |
zu ihren Büros. Sie kamen im Jahr 2005 in großer Zahl, als eine | |
Dürreperiode in Niger zu einer Hungersnot führte, die weltweit Schlagzeilen | |
machte. Einheimische Organisationen betrachten die neuen Partner mit | |
Skepsis. "Hilfe aus dem Ausland ist wunderbar, aber es mangelt den | |
Organisationen an eines: Sie hören nicht auf die Bevölkerung", meint Amadou | |
Bachir von der Organisation SOS Sahel, die seit zwanzig Jahren in Zinder | |
tätig ist. "Wir machen es anders. Wir hören uns an, was die Menschen zu | |
sagen haben. Es kostet Zeit, die Menschen in aller Ruhe erklären zu lassen, | |
was ihre Probleme sind und was sie als Lösung sehen." | |
Amadou Bachir ist Forstwissenschaftler. Er ist entzückt über die Begrünung | |
des Sahel, findet aber, dass Initiativen dazu der Bevölkerung ebenso wenig | |
aufgedrängt werden dürfen wie andere Entwicklungshilfeprojekte. "Das ist | |
der Grund, warum so viele Projekte scheitern", meint er. | |
Er erzählt über das Dorf Kupkup, wo die Einwohner angefangen haben, die | |
Schößlinge zu pflegen, die wild auf ihren Ackern wachsen. Seit kurzem | |
pflanzen sie selber Bäume. SOS Sahel brachte einige Dorfbewohner ins ferne | |
Dan Saga, damit sich die Bauern untereinander darüber austauschen können. | |
Der Weg nach Kupkup führt durch ein abgeholztes Gebiet mit kargem Boden. Ab | |
und zu wächst etwas müde aussehende Hirse auf einem Feld. Die Armut ist | |
offensichtlich sehr groß. Die Mittagshitze beträgt 43 Grad. Ein paar Hühner | |
und Ziegen liegen still im Schatten eines Hauses. Selbst der dünne Esel | |
schweigt. Mahadi Adamon, ein 40-jähriger Bauer, sitzt auf einer farbigen | |
Matte mit anderen Dorfbewohnern. Sie sprechen über ihre Zukunft. "Mit den | |
Bäumen werden wir die Sahara aufhalten und unsere Äcker wieder fruchtbar | |
machen", erzählt er zuversichtlich. | |
Aber ist die Umgebung nicht zu trocken für Landwirtschaft? Mahadi Adamon | |
widerspricht und will es beweisen. Nach zwei Kilometern schweißtreibendem | |
Fußmarsch deutet der Bauer auf kleine Schößlinge, die von niedrigen | |
Kriechpflanzen umgeben sind. "Die Pflanzen sorgen dafür, dass die Erde | |
nicht wegweht. Zwischen den Wurzeln leben Insekten. So fängt der Prozess | |
an, dass die Erde wieder fruchtbar wird." | |
Kupkup hat während der Dürreperiode und der Hungersnot schwer gelitten. Die | |
Sonne versengte die Ernte, Geld für Essen hatte die Bevölkerung nicht. Die | |
Bauern merkten, dass es so nicht weitergehen konnte. Bäume schienen Abhilfe | |
zu versprechen. "Wir haben erst mal die Schößlinge in den Feldern gesichert | |
und geschützt", erklärt Mahadi Adamon. "Eine Hilfsorganisation, die uns vor | |
zwei Jahren mit Nahrung versorgte, gibt uns Bäumchen. "Es dauert noch drei | |
Jahre, bis auf diesem Stück Land wieder eine Ernte eingefahren wird. Aber | |
der Gedanke daran macht mich sehr froh." | |
Die nigrischen Behörden unterstützen die Initiative von Kupkup. Die | |
Regierung finanziert Baumpflanzungen auf der anderen Seite des Sandweges, | |
als Windschutz. Stundenlang haben die Einwohner von Kupkup diskutiert, wie | |
das Land nachher verteilt wird. | |
Dabei stoßen sie auf neue Probleme: Niger hat die höchste | |
Bevölkerungswachstumsrate der Welt, über drei Prozent sind es im Jahr. | |
Bauern haben oft nicht genug Land, um es unter all ihren Kindern zu | |
verteilen. Was liegt näher, als durch Wüstenbekämpfung mehr Land zu | |
schaffen für mehr Menschen? "Wenn wir die Wüste mit Bäumen aufhalten | |
können, ist alles andere ein Kinderspiel", meint Mahadi Adamon. | |
25 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
Ilona Eveleens | |
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wochentaz | |
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