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# taz.de -- Volksentscheid über den CDU-Fraktionsvorsitzenden: Der Tief-Pflüg…
> Der CDU-Fraktionschef steckt in der Klemme: Das Volksbegehren zum
> Flughafen Tempelhof spricht vor allem Stammwähler an. Doch Pflügers
> Karriere droht abzustürzen, bringt er die Partei nicht auf liberalen
> Kurs.
Bild: Der Berliner CDU-Fraktio0nschef Friedbert Pflüger
Berlin macht es Friedbert Pflüger wirklich nicht leicht. Anfangs zauderten
die Parteifreunde in der Hauptstadt, dem Hannoveraner die Spitzenkandidatur
bei der Abgeordnetenhauswahl anzutragen. Später mühte sich der
innerparteilich als liberal Geltende nach Kräften, die kleinbürgerlichen
CDU-Sympathisanten mit Charme von sich zu überzeugen. Doch nichts hat
geholfen. Die meisten Berliner fremdeln bis heute mit dem
Fraktionsvorsitzenden der größten Oppositionspartei. Das muss wissen, wer
verstehen will, warum der Volksentscheid über die Offenhaltung des
Flughafens Tempelhof der Union so wichtig ist. Er ist einer ihrer raren
Trümpfe. Er könnte Pflügers letzter sein.
In genau einem Monat dürfen die Berliner per Wahlschein entscheiden, ob sie
den Senat auffordern wollen, den innerstädtischen Flughafen über das
geplante Ende am 1. November hinaus weiter zu betreiben. Das klingt
umständlich, und das ist es auch. Denn der Senat ist an das Ergebnis des
Volksentscheids nicht rechtlich gebunden. Selbst wenn die erforderlichen
mehr als 600.000 Stimmen für die Offenhaltung zustande kommen, gerät
Rot-Rot bestenfalls unter moralischen Druck, auf den Bevölkerungswillen
einzugehen. Aber an einen solchen Erfolg glaubt selbst in der CDU kaum
jemand.
Denn Pflügers Partei hat ihren eigentlichen Erfolg bereits eingefahren, als
die von ihr massiv geförderte Tempelhof-Kampagne in der Vorstufe zum
Volksentscheid mehr als 200.000 Unterschriften sammeln konnte. Der Trumpf
der CDU ist ausgespielt. Nun stehen die Partei und ihre Galionsfigur vor
einer neuen Frage: Was machen wir, wenn der Volksentscheid vorüber ist? Die
wahrscheinlichste Antwort wird vor allem dem liberalen Pflüger gar nicht
passen.
Die Berliner CDU ist im Herzen noch immer eine Westberliner CDU. Und deren
Anhänger identifizieren sich mit anderen Themen als ihr Frontmann: Während
sich viele von ihnen an verstaubter Rosinenbomber-Romantik berauschen,
wirbt der Unions-Öko seit Jahrzehnten für umweltverträgliche
Verkehrskonzepte. Während die Berliner Anhänger von Union wie Grünen wenig
von einem Bündnis nach Hamburger Vorbild halten, sieht Pflüger in
Schwarz-Rot oder Jamaika seine einzigen Regierungschancen. Und zu allem
Überfluss muss der Unionsmann bald noch ein Volksbegehren anführen, das
überwiegend klassische CDU-Wähler anspricht: Die Initiative "Pro Reli" will
an Berlins Schulen Religion als Wahlpflichtfach einführen. Im Juni könnte
das Stimmensammeln beginnen, ein Erfolg ist wahrscheinlich.
Damit gerät Pflüger immer tiefer in ein Dilemma. Eigentlich will der
53-Jährige seine Partei endlich zu dem machen, was sie ihrer
Selbstanpreisung nach bereits ist: eine "liberale Großstadtpartei".
Andererseits hält sich der Fraktionschef derzeit vor allem dadurch an der
Macht, dass er Gefühle strukturkonservativer Stammwähler befriedigt.
Mit den Folgen dieses Spagats sind die mächtigen CDU-Bezirksfürsten gar
nicht zufrieden. Denn laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts
Infratest dimap kommt die Union derzeit lediglich auf 23 Prozent. Das ist
weniger als im Katastrophenjahr 2001, als die schwarz-rote Koalition
zerbrach und die Union auf 23,8 Prozent abstürzte. Bei Pflügers Einstand
2006 kam der Verlegenheitskandidat sogar nur auf 21,6 Prozent.
Kurzum: Pflüger, der Zugezogene, bewegt sich auf dünnem Eis. In der Partei
hat er keine Hausmacht, und solange die Umfragewerte im Keller bleiben, hat
er wenig Spielraum für sein Lieblingsprojekt: die Öffnung der CDU für neue
Bündnispartner. Besonders deutlich zeigt sich das in diesen Tagen.
Über die Osterfeiertage hat Pflüger ein neunseitiges Papier zum Umgang mit
der Linkspartei verfasst. Darin fordert Pflüger, nebenbei
Präsidiumsmitglied der Bundespartei, die CDU solle künftig anders auf die
bundesweiten Erfolge der Sozialisten reagieren: "Den Kampf um Gerechtigkeit
darf sich meine Partei nicht von demagogischen Linken wegnehmen lassen",
schreibt Pflüger. Um nicht als Linker zu gelten, fügt er hinzu: "Die
mangelnde Bereitschaft der Sozialdemokraten, sich offensiv mit der Linken
auseinanderzusetzen, bedeutet für uns als Union, die Linke offensiver und
konkreter als bisher anzugreifen." Allzu häufig werde die Kritik an der DDR
als ein Angriff auf alle Menschen in der DDR verstanden, schreibt Pflüger
im "Diskussionspapier". Das müsse die CDU "klüger machen als bisher".
Wie das mit parteiinternen Papieren so ist, lassen sie sich je nach Gusto
bewerten. Wer es gut meint mit Pflüger, kann in dessen Papier den Versuch
sehen, der Bundespartei eine Waffe im Kampf gegen die Linkspartei in die
Hand zu geben. Wer es nicht so gut meint mit dem Fraktionschef, kann es als
Vorwurf an die Berliner Union verstehen. Pflügers Parteifreunde meinen es
nicht gut.
Besonders schmallippig reagierte der Generalsekretär Frank Henkel: "In
Berlin haben wir seit je eine klare Linie. Hart gegen Verharmlosen von
Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl - und Anerkennung gegenüber der
Lebensleistung der überwältigenden Mehrheit der Menschen, die sich nicht
von der SED-Diktatur vereinnahmen lassen."
Henkel steht stellvertretend für viele in der Partei. Sie fühlen sich von
ihrem Frontmann überrumpelt und überhört. Der unterschwellige Vorwurf
lautet: Der Hannoveraner weiß nicht, welche Politik wir seit Jahren in
Berlin fahren. Immer wieder prescht Pflüger mit Ideen und Vorschlägen vor,
ohne die Partei genügend vorzubereiten. So war es bei seinem frühen Ja zum
Ausbau der Kitabetreuung, ebenso bei den Avancen an die Grünen. Die
Linkspartei ist erst recht ein Reizthema. Generalsekretär Henkel
beispielsweise spricht bis heute mit Vorliebe von der "roten Einheitsfront"
in Berlin, wenn er SPD, Linkspartei und Grüne meint.
Umfragetief, Themenmangel und parteiinternes Misstrauen: Wohl und Wehe von
Pflügers politischer Karriere hängen davon ab, ob er in Umfragewerten
endlich messbare Erfolge vorweisen kann. Doch wie soll das gehen, wenn die
Linie der Partei und jene ihrer Vorzeigefigur so deutlich
auseinanderklaffen? Berlin wird es Friedbert Pflüger auch in Zukunft nicht
leicht machen.
26 Mar 2008
## AUTOREN
Matthias Lohre
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