# taz.de -- Aberglaube auf den Philippinen: Schwarze Magie im Paradies | |
> Der Alltag auf Siquijor ist von Aberglaube geprägt – obwohl der Anteil | |
> der Katholiken weit überwiegt. Angeblich gibt es auf der Insel böse | |
> Zauberer. | |
Bild: Wasserfall auf Siquijor, nahe der Stadt Lazi | |
In dem mehr als 7.000 Inseln umfassenden philippinischen Archipel ein | |
postkartenschönes Urlaubsrevier zu finden, ist nicht weiter schwer. Bohol, | |
Boracay, Cebu, Negros oder Palawan sind exotische Ziele, die westlichen | |
Urlaubern alle nur erdenklichen Tropenträume erfüllen. Im Schatten dieser | |
Kronjuwelen schlummern indes zahlreiche kleinere Inseln im | |
Dornröschenschlaf. Nicht minder schön, nicht minder spannend, doch bisher | |
schlicht noch nicht entdeckt von der Tourismusindustrie. Oder geradezu | |
gemieden - wie im Fall von Siquijor. | |
Das im Süden der Visayas-Gruppe gelegene Eiland wird auf den Philippinen | |
mit leichtem Gruseln in der Stimme auch „Witch Island“, Hexeninsel, | |
genannt. Denn in dem dicht bewaldeten, bergigen Hinterland Siquijors leben | |
und wirken einige Dutzend Geistheiler. Die meisten von ihnen sind | |
sogenannte Mananambals, gute Heiler. Sie gelten als Meister im Brauen von | |
geheimnisvollen Kräutersäften, die gegen allerlei Krankheiten helfen | |
(sollen). Von ihren Patienten nehmen sie als Gegenleistung nur eine Spende | |
an. Was die damalige Präsidentengattin Imelda Marcos, die in den | |
Siebzigerjahren auf Siquijor von einer seltsamen Hauterkrankung geheilt | |
wurde, ihrem Mananambal zukommen ließ, ist leider nicht überliefert. Schon | |
für wenige US-Dollars kann man „Gayumpa“ erstehen, ein Gebräu, das | |
angeblich zu Glück und Erfolg verhilft. „Sumpa“ - Schutzamulette - sollen | |
hingegen böse Geister abwehren und sind ein echter Verkaufsschlager. | |
Denn unter den Heilern auf Siquijor, so schaudern viele Filipinos, gibt es | |
auch schwarze Magier, die sich auf fiese Zaubersprüche verstehen und | |
unliebsamen Zeitgenossen Pech in der Liebe oder gar unheilbare Krankheiten | |
anhexen. Glaubt man den Gerüchten, ist es gang und gäbe, dass Politiker und | |
Geschäftsleute aus der fernen Hauptstadt Manila anreisen, um ihren Gegnern | |
gegen Zahlung von einigen hundert US-Dollar mit üblem Hexenwerk das | |
Handwerk legen zu lassen. | |
Kein Wunder also, dass das im 16. Jahrhundert von den Spaniern eroberte | |
Inselchen nicht gerade ein Besuchermagnet ist. Im Gegenteil: Wer einen | |
Urlaub auf Siquijor plant, wird mit ungläubigem Kopfschütteln bedacht. | |
„Warum denn ausgerechnet Siquijor? Weißt du nicht, dass es dort böse | |
Zauberer gibt?“, fragt mich eine wohlmeinende Bekannte vor der Abreise. | |
Aberglaube ist in der philippinischen Gesellschaft tief verwurzelt. | |
Obgleich der Inselstaat das einzige katholische Land Asiens ist und 86 | |
Prozent der Bevölkerung sich zum Teil devot zu dieser christlichen Religion | |
bekennen, haben animistische Rituale und der Glaube an gute wie böse | |
Geister fast überall im Archipel überlebt. | |
Da auch Japanern, Südkoreanern und Taiwanern, die seit einigen Jahren in | |
immer größerer Zahl Urlaub beim armen Nachbarn im Süden machen, die | |
Geistergeschichten nicht geheuer sind, haben furchtlose Touristen Siquijor | |
nahezu für sich. In einer Handvoll Resorts kümmern sich Siquijodnons mit | |
strahlendem Lächeln und natürlicher Herzlichkeit um die oftmals | |
europäischen Gäste. Meist sind die Urlauber Taucher, die sich an den | |
vorgelagerten Korallenbänken und der tropischen Fischwelt nicht sattsehen | |
können. Zum Entspannen genügt die Hängematte am weißen Strand. | |
Viele versäumen es, sich den Rest der Insel anzuschauen. Dabei gibt es | |
entlang der gerade mal 75 Kilometer langen asphaltierten Uferstraße eine | |
Menge zu entdecken. Die unterirdische Welt der Cantabon-Höhle etwa ist | |
nichts für ängstliche Naturen, doch Kammern mit abenteuerlich geformten | |
Stalagmiten und Stalaktiten belohnen die anstrengende Kraxelei entlang dem | |
unterirdischen Fluss. Abkühlung von der Expedition in die Unterwelt bieten | |
die jadegrünen Naturpools am Fuße der Cambugahay-Wasserfälle. | |
Natürlich hat auch die Hexeninsel katholische Wurzeln: Der Konvent im | |
Örtchen Lazi wurde 1884 erbaut und gilt als der älteste im Archipel. Auf | |
jeden Fall dürfte er einer der baufälligsten sein: Wer sich in den ersten | |
Stock wagt, braucht einen Schutzengel, um heil wieder ans Tageslicht zu | |
kommen. Die alten Holzbohlen sind an vielen Stellen morsch und knarzen | |
bedrohlich unter der Last schwergewichtiger Besucher. Für einen Moment | |
vergisst unsere einheimische Begleiterin ihre gute Laune: „Wir haben | |
einfach kein Geld, um den Konvent zu sanieren. Und auf Hilfe aus Manila | |
brauchen wir gar nicht zu hoffen, für die sind wir nur eine Provinz | |
irgendwo im Süden. Wenn mehr Touristen kämen, dann könnten wir sicher etwas | |
abzweigen, um unsere Kulturgüter zu bewahren.“ | |
Die ebenfalls aus Holz und Korallengestein gebaute | |
San-Antonio-de-Padua-Kirche gegenüber ist in keinem besseren Zustand. Das | |
1857 von den Spaniern erbaute Gotteshaus gleicht eher einem Geisterhaus: | |
Vergilbte Gemälde, durchgebogene Kirchenbänke, modriger Geruch und unterm | |
Dach flatternde Fledermäuse sind wenig Ehrfurcht einflößend. Alte Weiblein | |
sind dennoch inbrünstig in Gebete vertieft. Wenn das nichts hilft, kann man | |
ja immer noch zum Mananambal gehen. | |
Auf der staubigen Dorfstraße ist man rasch von neugierigen Kindern umringt. | |
Kichernd schauen sie sich die großen Füße und die helle Haut der Besucher | |
an. Belästigungen, aufdringlichen Verkaufsangeboten oder gar der Bettelei | |
ist man auf Siquijor nicht ausgesetzt. Im Gegenteil, die etwa 80.000 | |
Siquijodnons scheinen die philippinischen Tugenden Gastfreundschaft, gute | |
Laune und Herzlichkeit zu potenzieren. Wäre der Begriff „unverdorbenes | |
Paradies“ nicht ein solch abgedroschenes Klischee, er würde Siquijor am | |
trefflichsten beschreiben. | |
Während der Osterwoche verwandelt sich das ansonsten so geruhsame | |
Inselchen, wo die Uhren noch langsamer zu ticken scheinen als sonst wo im | |
Archipel, in einen - nun ja, in einen großen Hexenkessel. Dann nämlich | |
reisen Heiler aus allen Teilen des Landes an, um ab Karfreitag in geheimen | |
Riten besonders potente Zaubersäfte herzustellen. Eine Medizinfrau aus | |
Mindanao ist sich sicher, dass man „nirgendwo sonst auf den Philippinen so | |
wirksame Pflanzen findet wie auf Siquijor“. Angezogen von dem mystischen | |
Treiben, eilen in dieser Zeit auch Medienteams aus der ganzen Welt herbei, | |
und ihre Schlagzeilen manifestieren einmal mehr Siquijors Ruf als | |
Hexeninsel. Am Ostermontag dann ist der Spuk vorbei, und das Eiland mit der | |
besonderen Aura schlummert ein weiteres Jahr im Dornröschenschlaf. | |
3 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Hilja Müller | |
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