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# taz.de -- Ausstellung zum Museumsbau: Der "Bilbao-Effekt"
> Wuchtige Geste oder zurückhaltende Einpassung ins Umfeld. Eine
> Ausstellung in Berlin beleuchtet, wie gegenwärtig Museen gebaut werden.
Bild: Spacelab, Peter Cook / Colin Fournier, Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joa…
Obwohl der Ort längst nicht mehr so unter Spannung steht wie in den Jahren
unmittelbar nach der Eröffnung 1997, elektrisiert Frank Gehrys
Guggenheimmuseum im baskischen Bilbao bis heute. Das silbrig glänzende,
organisch verspielte Gebäude steht für ein neues Verständnis von
Museumsarchitektur: Die Architektur als begehbare Skulptur ist selbst ein
Kunstwerk und hat sich von ihrem Inhalt emanzipiert. Zugleich behauptet
Guggenheim Bilbao eine moderne "Corporate Identity" für eine
Industriemetropole im Wandel. Die Stadt ist Profiteur des Neubaus. Mehr
noch. Der sogenannte "Bilbao-Effekt" hat eine ganze Region neu
konstituiert.
Gehrys Guggenheim Bilbao steht wie ein Architektur-Programm hinter der
Vielzahl der 28 "Museumsprojekte im 21. Jahrhundert", die derzeit im
Berliner Pergamonmuseum gezeigt werden. Die Wanderausstellung,
zusammengestellt vom Art Centre Basel, widmet sich dabei weniger einer
kritischen Bestandsaufnahme neuer Museumsarchitekturen und übergeht auch
Beispiele gerade eröffneter Kunsttempel - wie Peter Zumthors Diözesanmuseum
St. Kolumba in Köln oder Rafael Moneos Erweiterungsbau für den Prado in
Madrid. Ihr Thema ist vielmehr der neue globale Kontext von Museumsbauten
sowie deren schrille Inszenierung und aufdringliche Repräsentanz in den
reichen Kapitalen. Viele der neuen Museen sind aufgeladen von Bildern der
Vernetzung und Mobilität, der Gigantomanie, des Marketings und Konsums.
Bemerkbar macht sich das gesteigerte, expressive Gehry-Programm etwa beim
Kunsthaus Graz. Das Büro Spacelab Cook/Fournier hat 2003 einen irren blauen
Baukörper geschaffen, dessen Form an einen gefüllten Infusionsbeutel
erinnert. Graz ist eine laute Geste, die über die Kunst dominiert. Als
antimuseales Maximum erscheint auch der Entwurf für das Eyebeam Museum of
Art and Technologie in New York, den die US-amerikanischen Architekten
Diller Scofidio & Renfro 2001 entwickelt haben. Bei ihnen erhebt sich ein
aufsteigendes gefaltetes Band bis hinauf in luftige Höhen, in dessen
Schleifen große Räume und Erschließungssysteme für das Museum eingestellt
sind. "Abnorme Architekturen" nennt das Büro seine Projekte - ganz in der
Absicht, die Grundideen des Museumsbaus, der für Bewahrung stand, mit
aggressiven Gegenbildern zu kritisieren.
Gleich gegenüber hängen die Pläne der Lehrmeister von Diller & Co.: Zaha
Hadid, Daniel Libeskind und Frank Gehry und ihre zerklüfteten
Museumsprojekte für Rom, Denver oder Washington. Alle drei pflegen ihre
bekannte, dekonstruktivistische Handschrift und sind zugleich
Paradebeispiele für marktschreierische Imagebildung vor Ort. Das Museum als
spektakuläre Event-Architektur, als globaler "Bilbao-Effekt" - wie es der
Louvre-Ableger von Jean Nouvel in Abu Dhabi sinnfällig vorführt -, hat
seine einstige Aura abgelegt.
Natürlich gibt es sie noch, die sogenannten "richtigen" Museen. In einem
zweiten Teil der Ausstellung werden Bauwerke vorgestellt, die die museale
Architektur thematisieren und sich mit großer Behutsamkeit in einen urbanen
oder landschaftlichen Kontext einzufügen suchen. Sie fungieren als der
andere Pol der Museumsbauten für das 21. Jahrhundert. Bernhard Tschumis
neues Akropolismuseum (2007) für Athen etwa führt hinter einem
klassisch-modernen und edlen Äußeren zu erhabenen Raumfolgen im Inneren.
Als Teil der Natur und Landschaft haben die Londoner Architekten Denton
Corker und Marshall die mystischen Zeichen Stonehenges in das gleichnamige
Museum (2007) übertragen. Es ist ein unterirdischer Bau voll großer
Stimmung geworden, der nur in ein paar oberirdischen Linien und Chiffren,
die sich kreuz und quer über das Rasenfeld legen, erkennbar wird. Hierher
gehört auch David Chipperfields Entwurf für die Berliner Museumsinsel und
sein dortiges Projekt der James-Simon-Galerie, das eine Moderation vornimmt
zwischen Klassizismus, Gegenwart und Stadtlandschaft, die dem Kunsttempel
zwar die einstigen Pathosformeln genommen, ihn aber nicht negiert hat.
Man ist geneigt, diesen Museumstendenzen den Vorzug gegenüber den
expressiven Bau-Events zu geben. Bilden sie doch eher einen Motor des
baulichen Fortschritts und sind Inspirationsquellen des Museumsbaus.
Zugleich zeugt der minimalistische, neutrale Raum hinter einer poetischen
oder funktionalen Hülle doch manchmal von mehr geistiger Offenheit als
viele der Superdomes of Art dies tun.
8 Apr 2008
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Basel
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