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# taz.de -- Die Finanzkrise und ihre Lösung: Linksruck beim IWF
> Noch vor einigen Monaten kaum denkbar: Der IWF fordert eine Regulierung
> der Finanzmärkte.
Bild: Der IWF befürchtet bis zu 945 Milliarden US-Dollar Verluste als Folge de…
Finanzinstitutionen wie Banken und Versicherungen müssen künftig stärker
reguliert werden - diese Forderung stammt nicht etwa von Attac und den
anderen üblichen Verdächtigen, sondern aus dem aktuellen Gutachten des
Internationalen Währungsfonds zur weltweiten Finanzstabilität. In dem am
Dienstag vorgestellten Gutachten beklagt der Fonds "dramatische Mängel" in
der internationalen Finanzarchitektur, die zuletzt zu einer schweren
Vertrauenskrise geführt hätten. Die vergangenen sechs Monate hätten
gezeigt, wie zerbrechlich das globale System tatsächlich sei. Um künftig
ähnliche Krisen zu verhindern, bedürfe es stärkerer staatlicher Kontrollen
und Reglementierungen.
Bislang hat der IWF stets die gegenteilige Ansicht vertreten. Bei jeder
Gelegenheit, etwa bei der Kreditvergabe an Entwicklungsländer, verlangte
der Fonds stets umfassenden Liberalisierungen - auch des Bankensektors. Nun
heißt es in dem Bericht: Banken, Versicherungen und Hedgefonds hätten bei
der Einschätzung von Risiken "kollektiv versagt".
Zugleich korrigierte der IWF seine Einschätzung des weltweit aus der Krise
entstehenden Schadens drastisch nach oben: Während im Februar noch von 600
Milliarden Dollar die Rede war, geht der IWF mittlerweile von einer Billion
Dollar aus.
Das Gutachten des IWF dürfte die Debatte über staatliche Eingriffe in die
Wirtschaft weiter beflügeln. Als der Vorstandsvorsitzende der Deutschen
Bank, Josef Ackermann, kürzlich erklärt hatte, er glaube nicht mehr allein
an die Selbstheilungskräfte der Märkte, hatte er sich jede Menge Kritik aus
den eigenen Reihen anhören müssen - schließlich bildet die Annahme von der
Selbstheilung der Märkte das Fundament der liberalen Wirtschaftstheorie, an
deren Weisheiten sich nicht nur der IWF stets gehalten hat.
Dass nun die Regulierung des Finanzsektors von einigen Seiten gefordert
wird, hält der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel deswegen für eine
"epochale Wende". Zum ersten Mal würden sich "Mainstreamökonomen"
eingestehen, dass die Finanzmärkte hochgradig instabil seien. "Die Banken
haben zuletzt im Kreditverbriefungsmarkt selbst nicht mehr durchgeschaut",
sagt Hickel. Er hofft, dass die IWF-Vorschläge zu grundlegenden Änderungen
im Finanzsystem führen.
Um Krisen künftig zu verhindern, will der IWF, dass staatliche
Aufsichtsbehörden für mehr Transparenz und eine einheitliche
Bewertungspraxis sorgen. Zudem sollen sogenannte Stabilitätsberichte für
schwer bewertbare Finanzprodukte erstellt werden. Auch die Ratingagenturen,
die Risiken von Finanzprodukten bewerten, müssten reformiert werden. Der
Staat solle zudem bereitstehen, um bei Kollapsgefahren einzelner Institute
zu helfen. Die eher vage formulierten Vorschläge werden auf der
Frühjahrstagung von IWF und Weltbank am Wochenende diskutiert und müssen
von den Mitgliedsländern angenommen werden.
"Der Bericht könnte ein erster Schritt zu einer neuen Definition des IWF
sein", sagt Dennis Snower, der Leiter des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft, zur taz. Er hält die Internationale Organisation für
geeignet, über die internationale Finanzarchitektur zu wachen. Von einem
Scheitern der Selbstheilungskräfte will er nicht direkt sprechen. "Der
Markt hat nie perfekt funktioniert", so Snower. Gerade die Finanzbranche
sei auf "enorme Unterstützung" durch den Staat angewiesen. Zuletzt seien
Innovationen der Finanzbranche "nicht mehr kontrollierbar gewesen, deswegen
ist ein neuer Rahmen auf globaler Ebene notwendig geworden".
Die Zeiten, in denen das Kreditwachstum vom Staat beschränkt oder der
Sparzinssatz festgelegt wurde, sind zwar vorüber. Die Geldinstitute
fürchten dennoch weitreichende Eingriffe - und auch Josef Ackermann hatte
seine Aussage schnell relativiert: Eine "Systemdiskussion zur Rolle des
Staates" habe er mit seinen Aussagen nicht auslösen wollen. Denn
zusätzliche Regulierung und Intervention von Aufsichtsbehörden schmälern
die Möglichkeiten der Banken, spekulative und riskante Geschäfte zu
tätigen. Deshalb will die Branche sich nun selbst stärker beschränken -
bevor es andere tun.
Als Präsident des Internationalen Bankenverbands präsentierte Ackermann
gestern einen neuen Kodex, den sich weltweit 375 Geldinstitute geben
wollen: Selbst auferlegte Regeln sollen das Vertrauen in die Branche
wiederherstellen. Von Empfehlungen zum besseren Risikomanagement ist da die
Rede, von der Forderung nach mehr Transparenz bei der Bewertung
komplizierter Finanzmarktprodukte und Vorgaben zu den Vergütungs- und
Anreizsystemen von Investmentbankern und Managern.
Bis zu 20 Experten und Manager sollen eine "Marktüberwachungsgruppe"
bilden, die rechtzeitig auf tatsächliche und potenzielle Gefahren
hinweisen, lautet ein weiterer Vorschlag. "Wir brauchen keine stärkere
staatliche Regulierung, da wir selbst mit den Herausforderungen fertig
werden", sagte Ackermann.
Diese Chance sollte man den Banken geben, meint Diemo Dietrich,
Finanzexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. Denn Banken
seien stets kreativ genug gewesen, staatliche Vorgaben zu umgehen. "Diese
Befürchtung hätte ich nun wieder", sagt Dietrich. Als "Heilsbringer" sieht
er einen solchen Kodex zwar nicht - aber immerhin dazu geeignet, Risiken,
die mit dem Bankgeschäft verbunden sind, präsent zu halten. Etwas
skeptischer ist Franz Hahn, Finanzexperte des Wiener
Wirtschaftsforschungsinstituts: "Es ist ja nicht so, dass Banken plötzlich
einen Kodex brauchten - hätten sie sich stärker an den bestehenden Regeln
orientiert oder nicht Regulative umgangen, hätte man sich einiges erspart."
9 Apr 2008
## AUTOREN
Maike Brzoska
Christine Zeiner
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der IWF, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes versagt hätten und
fordert staatliche Kontrollen.
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