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# taz.de -- Zweifelhafte Auswerter "Media Tenor": "Gezwungen zu manipulieren"
> "Media Tenor" wertet Medien aus. Die Seriosität des Instituts wurde schon
> oft bezweifelt - nun stellen sie auch Ex-Mitarbeiter infrage. Die Bonner
> Staatsanwaltschaft ermittelt.
Bild: Besonders die sogenannten Leitmedien arbeiten gerne mit "Media Tenor"
Im Jahr 1993 macht sich ein Mensch auf, Deutschlands (und anderer Länder)
Zeitungen und Nachrichtensendungen auszuwerten. "Medien Tenor" nennt er
sein Institut, "dank seines einzigartigen Ansatzes expandierte es
international und arbeitet heute für Spitzenunternehmen, NGOs, Regierungen,
Medien und Eliteuniversitäten", heißt es in der Selbstdarstellung, denn man
bietet das, was alle wollen: "Strategische Medienintelligenz".
Und die hat ihren Preis: Die aktuelle "Langzeit-Medien-Imageanalyse
2003-2006" der im Aktienindex DAX 30 vertretenen Unternehmen kostet 29.900
Euro plus Mehrwertsteuer. Gern genutzt wird vor allem das alljährliche
Zitate-Ranking des Hauses, vor allem von den sogenannten Leitmedien: Hier
wird in Zeitungen und TV-News ermittelt, wer von anderen Medien wie oft
erwähnt wird. Der Spiegel wirbt mit dieser Liste, in der er oft an erster
Stelle steht, das Handelsblatt (Spitzenreiter bei Wirtschaftszeitungen) tut
es und natürlich auch Bild am Sonntag ("unangefochtene Nummer eins auf dem
Sonntagsmarkt"). Gern genommen werden auch Preise, mit denen das Institut
die Branche beehrt: 2007 wurde auch die taz wieder einmal für
"journalistische Vielfalt" ausgezeichnet.
Dass die Erhebungen der Firma, die nach einer ersten Insolvenz 2005
mittlerweile Media Tenor (MT) heißt, bei anderen Wissenschaftlern höchst
umstritten sind, wird allerdings nicht gern dazugesagt. Auch ehemalige
Mitarbeiter berichten heute, dass zwar nicht die Erfassung der Daten, aber
ihre Auswertung "tendenziös" erfolge: "Die Seriosität ist wirklich gering
einzuschätzen", sagt ein ehemaliger MT-Medienanalyst der taz, der heute (23
Uhr) auch im NDR-Medienmagazin "Zapp" über seine Erfahrungen bei Media
Tenor spricht. Die Datenerfassung sei nach sogenannten Codebüchern erfolgt,
die auch während laufender Untersuchung "angepasst" worden seien: So habe
man nachträglich die Kriterien verändert, wenn "in der Research-Abteilung,
der Abteilung, in der die Auswertung gemacht wird, festgestellt wurde, dass
die Auswertung gar nicht mit dem übereinstimmt, was man sich gedacht
hatte". Die Anweisungen, so der Mitarbeiter, seien von der MT-Leitung
gekommen: "Wir wurden gezwungen, zu manipulieren". Die Medienanalysten
hätten zwar immer wieder zu intervenieren versucht, "gewisse Dinge mussten
aber so gemacht werden".
Media-Tenor-Gründer und Besitzer Roland Schatz, der MT-intern als
"geschäftsführender Chefredakteur" firmiert, mag zu den Vorwürfen nicht
Stellung nehmen: "Warten wir erst einmal das Ergebnis des Presserates ab.
Denn Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass wir Ihnen Ihr Interesse
am Journalismus nicht mehr abnehmen", schreibt Schatz der taz. Der MT-Chef
stößt sich an der taz-Berichterstattung vom Januar: Unter dem Titel "Media
Tenor in Insolvenz - Verfahren über umstrittene Bonner Medienanalysefirma
eröffnet" ging es um finanzielle Probleme des Unternehmens, über das
innerhalb von knapp drei Jahren schon zum zweiten Mal ein
Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Der Deutsche Presserat weiß von einer Beschwerde allerdings nichts: "Herr
Schatz hat sich nicht an uns gewandt", sagt sein Geschäftsführer Lutz
Tillmanns. Schatz behauptet zudem, seine Firma sei "2005 nicht insolvent
gewesen, sondern Gegenstand eines Unfriendly-Takeover-Versuchs, den wir
abwehren konnten". Auch die neuerliche Insolvenz der Media Tenor
Deutschland GmbH, die am 2. Januar 2008 eröffnet wurde, hänge mit
überzogenen Gewerbesteuerforderungen zusammen, so Schatz. Doch da hatte er
längst den nächsten Coup inszeniert: Schon im Oktober 2007 wurde der
Geschäftsbetrieb von Bonn nach Remagen-Rolandseck verlegt. Dort firmiert
nun eine Media Tenor Deutschland AG mit Sitz in Lugano/Schweiz. Und: Mit an
Bord sind längst nicht mehr alle Mitarbeiter, rund 40 blieben beim Umzug
auf der Strecke und klagen derzeit vor dem Arbeitsgericht gegen Schatz.
Nur eine Provinzposse?
Noch unangenehmer dürften für den MT-Chef, der in den Studien seines
Instituts gern auf die Bedeutung von Firmenkultur und Managementqualität
abhebt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn sein: Hier geht es um
Untreue, Bilanzfälschung, Bankrotthandlungen und Vorenthalten von
Arbeitnehmeranteilen. Unter der Geschäftsnummer 400 Js 21708 lautet der
Vorwurf zum Beispiel auf "Veruntreuung von Arbeitsgeld": Nach Angaben der
HDI Gerling-Pensionskassen AG hat Media Tenor von Dezember 2006 bis
mindestens Dezember 2007 keine Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung
eingezahlt. Die Beträge waren aber nach wie vor auf den monatlichen
Gehaltsabrechnungen ausgewiesen.
Eine Provinzposse? Jein. Mal gibt der MT-Chef eine Büroanschrift in Zürich,
mal in New York an. Und nicht nur kritische Fragen der taz stören ihn. Die
aktuellen Recherchen des NDR versuchte Schatz mit einem Brandbrief an den
ARD-Vorsitzenden Fritz Raff auszubremsen. Darin regt er ganz ungeniert ein
Treffen an, bei dem wir "eine Lösung finden können, wie in Zukunft in der
Berichterstattung des NDR über den Media Tenor die journalistischen
Grundprinzipien eingehalten werden" und verlangt zudem "Schadensersatz."
Beim NDR möchte man diese "nicht nachvollziehbaren Äußerungen öffentlich
nicht kommentieren". Denn im Schreiben an den ARD-Chef heißt es auch allen
Ernstes: "Ich bin in fünfter Generation Journalist. Mein Großvater erhielt
im Dritten Reich Berufsverbot", und Schatz schließt: "Ich weiß also, wovon
ich rede, wenn ich die Methoden der Mitarbeiter des NDR mit anderem schon
Gesehenem vergleiche."
Mal sehen, wie der Media Tenor dieses Zitat über den NDR für sein nächstes
Ranking codiert.
16 Apr 2008
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Kolumne Flimmern und Rauschen
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