# taz.de -- Revolution ohne Randale: 1. Mai wird wieder politisch | |
> Dieses Jahr könnte der 1. Mai recht entspannt werden: Statt mit | |
> Gewaltritualen beschäftigen sich die Demonstranten mit Kritik an | |
> Mediaspree und Gentrifizierung. Die Polizei glaubt nicht an Krawalle. | |
Bild: Aus Tradition politisch: Mayday-Aktivisten beim Kurzprotest am 11. April … | |
Es wird schon Absicht gewesen sein, dass McDonalds seine erste Filiale in | |
Kreuzberg nicht direkt an der Skalitzerstraße gebaut hat, sondern ein paar | |
Meter nach hinten versetzt. Auch der Zaun um das Gelände herum dient wohl | |
nicht nur der Zier, sondern soll auch potenzielle Benutzer von | |
Wurfgeschossen fernhalten. Nun steht der im September 2007 eröffnete | |
gläserne Kasten vor seiner ersten Bewährungsprobe. Die Organisatoren der | |
abendlichen Revolutionären-1.-Mai-Demonstration haben angekündigt, dass sie | |
vor dem McDonalds eine Zwischenkundgebung abhalten werden. | |
Die Filiale der US-amerikanischen Fastfoodkette sei ein "weiteres Projekt | |
der Umstrukturierung im Kiez" und trage dazu bei, dass arme | |
Bevölkerungsschichten verdrängt werden, sagte Jonas Schliesser, ein | |
Organisator des Revolutionären-1.-Mai-Bündnisses. Die Veranstalter haben | |
ihren Protest unter das Motto "Zusammen gegen Kapital und Krieg" gestellt, | |
wollen aber vor allem gegen Verdrängungsprozesse im Zuge des Stadtumbaus | |
durch das Projekt "Mediaspree" demonstrieren. Ihre Demonstration soll um 18 | |
Uhr am Kottbusser Tor beginnen und unter anderem durch das zeitgleich | |
stattfindende Myfest ziehen. | |
Umstrukturierung, Gentrifizierung und soziale Ausgrenzung sind die | |
Schlagwörter des diesjährigen 1. Mai. Lange Zeit haben nur die | |
sinnentleerten Gewaltrituale die Debatten rund um den "Tag der Arbeit" | |
dominiert; doch bereits im vergangenen Jahr war zu spüren, dass die | |
politischen Forderungen der Demonstranten wieder mehr in den Vordergrund | |
rücken. | |
Dabei scheint die radikale Umgestaltung auf beiden Seiten des Spreeufers | |
zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke zu Mediaspree und damit einhergehend | |
der befürchtete Bevölkerungsaustausch die linken Gruppen momentan besonders | |
zu beschäftigen. "In Friedrichshain und Kreuzberg leben viele Menschen, die | |
von dem Abbau sozialer Rechte in den letzten Jahren besonders betroffen | |
sind", sagt auch Mayday-Sprecher Philipp Stein. | |
Die Mayday-Parade ist neben der Revolutionären-1.-Mai-Demo die zweite große | |
Demonstration an diesem Tag in Kreuzberg; sie findet in diesem Jahr zum | |
dritten Mal statt. "be.Streik.Berlin - organisiert das schöne Leben", | |
lautet das Mayday-Motto. Die Zielgruppe: Genau jenes Publikum, das zur | |
Gentrifizierung durchaus mit beiträgt: StudentInnen, KünstlerInnen, | |
Freiberufliche und PraktikantInnen. "Auch Selbstausbeutung ist selten | |
freiwillig", so Stein. Die Mayday-Parade richte sich "gegen miserable | |
Arbeitsverhältnisse und Prekarisierung". Mit thematischen Wagen wollen die | |
AktivistInnen zeigen, "dass Widerstand gegen antisoziale Politik bunt, | |
offen und kreativ sein könne", erklärt der Mayday-Sprecher. Die Parade | |
beginnt um 14 Uhr und soll vom Boxhagener Platz in Friedrichshain über die | |
Oberbaumbrücke bis zum Spreewaldplatz nach Kreuzberg führen. | |
Doch so groß der Zorn der wachsenden Zahl an Mediaspree-Gegnern zu sein | |
scheint: Die Polizei rechnet nicht damit, dass am 1. Mai von den | |
politischen Demonstrationen Randale ausgehen wird. Die hat es allerdings | |
auch in den vergangenen Jahren nicht mehr gegeben. Und auch sonst gebe es | |
bislang keine Hinweise auf organisierte Krawalle, teilten die Ordnungshüter | |
mit. Allenfalls, so die Gefahrenprognose, könnte es voraussichtlich zu | |
vereinzelten Gewalttätigkeiten von besoffenen Feiernden nach Einbruch der | |
Dunkelheit kommen. | |
Bei McDonalds hat man aber offensichtlich doch Muffensausen. Der Sprecher | |
des Fastfoodkonzerns war jedenfalls nicht bereit, der taz Auskunft zu | |
erteilen, ob die Filiale in Kreuzberg am 1. Mai geöffnet hat. | |
30 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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