# taz.de -- Neuer Zombiefilm: Horror in der Feuerwache | |
> Ihr Horrorfilm "[Rec]" könnte Jaume Balagueró und Paco Plaza den | |
> Durchbruch bringen. Zombiefilm-Papst George Romero hat sie zu seinen | |
> würdigen Nachfolgern erklärt | |
Bild: Diese Frau hat Grund zur Angst: Zombies im Anmarsch | |
"Its the end of the world", lautet die erstaunlich fröhliche erste Zeile | |
von "George Romero", einem Song der britischen Popband Sprites. Ihre Hymne | |
an den wichtigsten Regisseur des Zombiefilms beschwört nicht nur die | |
Ausgelassenheit, die das (Angst)-Erlebnis eines guten Horrorfilms mit sich | |
bringt. Sie legt auch eine durchaus angebrachte Fanhaltung an den Tag. | |
In seinem Zyklus von Zombiefilmen hat George Romero die US-Gesellschaft | |
durch die letzten vier Dekaden begleitet: Sein durch dessen Dokumentarstil | |
verstörendes Pionierwerk "Night of the Living Dead" bündelte 1968 Amerikas | |
Ängste zwischen Bürgerrechtsbewegung und Vietnam; seine Konsumkultur-Satire | |
"Dawn of the Dead" verlegte 1978 den Zombie-Aufstand in die Shopping Mall; | |
das kurios-philosophische Splatter-Endspiel "Day of the Dead" hielt 1985 | |
der Reaganomics-Reaktion einen verzweifelten Kellerloch-Humanismus | |
entgegen; in "Land of The Dead" verpasste Romero 2005 schließlich dem | |
Bush-Regime für Abu Ghraib und wachsendes Wirtschaftsgefälle die | |
angemessene Abreibung. | |
Mit ihrem Refrain "Everything I know I learned from George Romero" sprachen | |
die Spites ein Jahr später, 2006, dem Zombiefilmfreund aus dem Herzen. | |
Damals war noch nicht abzusehen, dass sich Romero 2007 mit seiner | |
YouTube-Endzeitfantasie "Diary of the Dead" erstmals verzetteln würde, weil | |
er sich von der Spielerei mit Metaebenen ablenken ließ. Doch Rettung kam | |
aus Spanien: Der dichte, hochspannende Horrorfilm "[Rec]" vom Regieduo | |
Jaume Balagueró und Paco Plaza leistet, was Romero wohl vorschwebte. Der | |
Film setzt virtuos auf jenes Stilmittel, das Romero in "Diary of the Dead" | |
nur ansatzweise nutzt und das unlängst auch im Blockbuster "Cloverfield" | |
wieder zum Einsatz kam - die subjektive Perspektive einer Filmkamera, hier | |
eines Reporterteams. | |
Dass Balagueró und Plaza ungleich mehr Schreckenskapital aus dieser Methode | |
zu schlagen vermögen, verdankt sich wohl ihrer Herkunft aus einer | |
(Film)-Kultur, deren Verhältnis zum Fantastischen noch intakt ist. Romero | |
muss das instinktiv erkannt haben, als er bei einem spanischen | |
Fantasyfestival nach der Vorführung von "[Rec]" die beiden jungen Spanier | |
zu seinen würdigen Nachfolgern erklärt haben soll. | |
Die Wirksamkeit von "[Rec]" verdankt sich vor allem der Haltung und | |
Inszenierung des Films, die Story wurde souverän auf Funktionalität des | |
Schreckens hin getrimmt. Sie beginnt mit dem Team eines lokalen | |
Fernsehsenders, der den Alltag (oder vielmehr: die Nacht) in einer | |
Feuerwache dokumentieren soll. Die Dreharbeiten beginnen ereignislos, | |
liefern dem Zuschauer aber die Orientierungspunkte für die rasche | |
Eskalation der Ereignisse. "[Rec]" präsentiert sich als das vom | |
TV-Kameramann Pablo aufgenommene Material. Mehrere Male wird seine Kamera | |
direkt angesprochen - von der kessen Reporterin Ángela (Manuela Velasco), | |
die wiederholt mahnt, weiterzufilmen - egal, was passiert. | |
Und plötzlich passiert sehr viel sehr schnell, als es zum Einsatz - und zur | |
Katastrophe - kommt: Fernsehteam und Feuerwehrmänner werden mit den | |
Bewohnern eines Hauses dort eingeschlossen und unter Quarantäne gestellt, | |
ohne die genauen Gründe dafür zu erfahren. Klar ist nur: eine Art | |
Zombievirus geht um. | |
Die Beschränkung der Schauplätze sorgt für Klaustrophobie, die meisterhafte | |
Nutzung beschränkter Möglichkeiten für Spannung: Zum Reportagestil | |
passende, drastische Mittel wie Reißschwenks oder der Mangel an Kunstlicht | |
kaschieren die klassische Bauweise des rasanten Grusels: Jenseits blutiger | |
Schocks wird vor allem mit dem Sichtfeld gespielt. Die nervösen, | |
schließlich panischen Kamerafluchten denken eine unheimliche Kinotradition | |
weiter, die den Horror stets in der Verdunkelung andeutet. | |
Anderswo schiebt sich die moderierende Ángela immer wieder genau vor das | |
Bildstück, das man eigentlich sehen möchte: Die "Weiterfilmen!"-Betonung | |
der Schaulust mag erst plump moralistisch scheinen. Doch dahinter steckt | |
eine Reflexionsanordnung, die ans Eingemachte geht, ohne Vielschichtigkeit | |
zu opfern - man muss sie nur wahrnehmen wollen. | |
Das war bislang ein wenig das Problem mit Balaguerós erfreulich | |
unironischem Werk: Wegen der traditionellen Inszenierung wurden seine | |
schönen Schauerstücke oft als "altmodisch" abgetan. Mit seiner zeitgemäßen | |
Form könnte "[Rec]" nun endlich den Durchbruch bringen - Hollywood hat den | |
Stoff (samt Regisseuren) sofort für ein Remake importiert. Bleibt zu | |
hoffen, dass dieses Remake stilistisch und thematisch kompromisslos an die | |
Vorlage anschließt: Der Spielraum verengt sich auf eine Dachkammer, in der | |
Herkunft wie Ausmaß des Dämonischen ambivalent angedeutet werden - typisch | |
für den Lovecraft-Liebhaber Balagueró und seine ornamentalen Oberstübchen | |
des Schreckens. Dann versagt noch das Licht, und der Raum zieht sich | |
endgültig zusammen, bis auf die letzten Zentimeter vor der Kamera. | |
Das ist der Punkt, auf den "[Rec]" präzise zusteuert. Zum Schluss bleibt | |
nur noch der Fall in eine bodenlose Schwärze und die Frage, ob man ein | |
Grauen ohne Ende filmen kann. | |
8 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Christoph Huber | |
## TAGS | |
Horrorfilm | |
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