# taz.de -- „Sleep Tight“: Abgründiger Irrsinn | |
> Jaume Balagueró lässt erneut das Grauen in einem Haus wüten. Mit anderen | |
> Techniken als beim Zombie-Schocker „Rec“ erzeugt er nicht weniger | |
> Spannung. | |
Bild: Er sieht alles: Der Hausmeister. | |
Ein demonstrativ altmodisches Haus: Mit seinem gusseisernen Fahrstuhl, dem | |
gewundenen Treppenhaus und den alten Kacheln wirkt es wie ein Überbleibsel | |
aus bürgerlicheren Zeiten, zumal im krisengeschüttelten Spanien. | |
Auch einen Portier gibt es in diesem Fin-de-siècle-Traum noch: César (Luis | |
Tosar) öffnet zuvorkommend die Tür, kennt die Bedürfnisse der Mieter genau, | |
sortiert die Zeitungen vor und hat stets ein Ohr und ein Lächeln übrig: | |
César meint es gut mit dir. | |
Auch in „Sleep Tight“ interessiert sich Regisseur Jaume Balagueró für die | |
räumlichen Begrenzungen eines Mehrfamilienhauses: Im Zombie-Schocker „Rec“ | |
und dessen Sequel inszenierte er darin eine fulminant düstere Echtzeithatz | |
im Found-Footage-Look. | |
Dieses Gebäudes nun inspiziert er mit deutlich ruhigerer Hand und | |
gedrosseltem Tempo. War man im Zombiefilm zuvor schon wegen des | |
ästhetischen Konzepts konsequent an die Opferseite gebunden, findet man | |
sich hier nun ebenso konsequent an der Seite des Täters wieder. | |
## Wie ein Fremder | |
Auch neu: Balagueró hat kein Furiosum im Sinn. Behutsam, minutiös, Schritt | |
für Schritt baut er hier das Grauen auf. Es lauert hinter einer | |
unscheinbaren Kulisse wie ein Fremder mit allerschlechtesten Absichten | |
unter dem eigenen Bett, von dessen Anwesenheit man nichts ahnt. Doch wehe, | |
wenn er sich zeigt. | |
Ging es „Rec“ noch um den Terror klaustrophobischer Beengtheit, liegt der | |
Schrecken hier nun in der Zugänglichkeit selbst privatester Räume: César | |
verfügt über die Schlüssel zu allen Räumen – und er weiß, wann die Leute | |
ihre Wohnungen zu verlassen und wieder aufzusuchen pflegen. | |
Er kennt ihre Marotten und Vorlieben, weiß auch, welche Gemeinheit welchen | |
Effekt zeitigt. Und er hat fast unmenschliche Geduld, wenn er mit viel | |
Chloroform stundenlang darauf wartet bis Clara (Marta Etura) eingeschlafen | |
ist, um sich auf hinterträchtige Weise die Illusion eines gemeinsamen | |
Liebeslebens zu erschleichen. | |
Was anfangs wie eine trocken schwarzhumorige Variante von „Das Leben der | |
Anderen“ im Stil der spanischen Burleske wirkt, zieht dem Zuschauer in | |
einem filmisch raffiniert orchestriertem Spiel bald jeden Boden unter den | |
Füßen weg. | |
Insbesondere in einer bravourös inszenierten Suspense-Szene, in der César | |
aufs haarsträubendste aufzufliegen droht, findet man sich an einer Position | |
wieder, in der man unter keinen Umständen sein wollte: Man fiebert mit, mit | |
einer Bestie in Menschengestalt. Was für ein abgründiger Irrsinn! | |
„Sleep Tight“. Regie: Jaume Balagueró. Mit Luis Tosar, Marta Etura u. a. | |
Spanien 2011, 100 Min. | |
5 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
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