# taz.de -- Neues Album der Band Ja König Ja: Abschweifen, ausschwärmen | |
> Ja König ja gelingt mit ihrem neuen Album "Die Seilschaft der Verflixten" | |
> das Kunststück, die Versprechen barocker Popmusik einzulösen, ohne damit | |
> im selbstbequemen Retrosound zu landen. | |
Bild: Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels sind Ja König Ja - aber keine Buddy-… | |
Ebba Durstewitz, die Sängerin und Komponistin, ist Lusitanistin. Sie | |
unterrichtet an der Hamburger Universität portugiesische Sprache und | |
Literatur. Das weckt einen großen Assoziationsraum, um ihre Band Ja König | |
Ja zu charakterisieren. Da gibt es zum Beispiel das schöne portugiesische | |
Wort barocco, es bedeutet im ursprünglichen Wortsinn so etwas wie | |
unregelmäßige, schiefrunde Perle. Um so ein Exemplar handelt es sich | |
zweifellos bei Ja König Ja. | |
Schiefrundes findet sich hier überall, auch schon auf dem Cover ihres neuen | |
Albums "Die Seilschaft der Verflixten". Da ist eine Collage der Künstlerin | |
Inka Büttner abgebildet. Vier Mädchen spielen vor Gestrüpp auf einem | |
Müllhaufen Fußball. Bei genauerem Hinsehen fallen die Unregelmäßigkeiten im | |
Bild auf. Einer Spielerin fehlt ein Bein, der Ball ist überdimensioniert, | |
mitten im Spielfeld liegt eine weiße Damenhandtasche und jenseits der Wand | |
aus Gestrüpp lauert das schwarze Loch. Die Musik des Hamburger Duos führt | |
die verschrobene Bilderwelt der Cover-Collage fort. Ja König Ja arbeiten | |
nach eigener Zeitrechnung. Seit dem letzten Album "Ebba" sind vier Jahre | |
vergangen, für den Vorvorgänger "Tiefsee" ging man sogar sechs Jahre auf | |
Tauchstation. Diese bewusste Verzettelung braucht die Musik anscheinend, | |
auch um sich zu entfalten. | |
Die Texte von Ebba Durstewitz stecken voller literarischer Anspielungen, | |
"Heerscharen von Gedanken", wie sie an einer Stelle singt. Ob antike | |
Schlachten oder die Hexe Babajaga aus der russischen Mythologie, in "Die | |
Seilschaft der Verflixten" sind unzählige Spuren und lose Verknüpfungen | |
gelegt. Während Durstewitz gedanklich abschweift, schwärmt der | |
Multiinstrumentalist Jakobus Siebels in die Tiefe von Melodien und | |
Arrangements aus und schafft Raum für ihre Stimme. "Wir haben einen Hang zu | |
Brüchen", gesteht Durstewitz. "Und auf der anderen Seite gibt es das Gefühl | |
für Rhythmus." Damit ist auch ihr Sprachrhythmus gemeint, der sich an dem | |
Popmusikgefühl von Ja König Ja reibt. | |
Das Tolle an der Musik von Ja König Ja ist die Distanz zwischen den beiden | |
Musikern, erst der Mix erschafft in den Songs eine Kohärenz. | |
Ja König Ja ist keine Buddy-Band, und man sucht bei ihnen auch vergeblich | |
eine in ihrer Heimat Hamburg verbreitete Tresenromantik. "Bei zwei Musikern | |
kann es gar keine demokratischen Entscheidungen geben", erklärt Jakobus | |
Siebels. "Wir sind eher so great-minds-think-alike-mäßig", fügt Durstewitz | |
hinzu, "und dann auch wieder nicht." Die beiden Musiker verfolgen | |
unterschiedliche Lebenskonzepte, hätten sich aber inzwischen angenähert, | |
heißt es. Sie habe jahrelang nur die "h-Moll-Messe" von Johann Sebastian | |
Bach gehört, erklärt Durstewitz. "Bei mir wars Frank Zander", so der | |
gebürtige Friese Siebels, "hört man aber nicht mehr raus." Schiefrunder | |
gehts ja wohl kaum. | |
"Was noch kein Ende hat, hört niemals auf", lautet ein portugiesisches | |
Sprichwort, das Ja König Ja mit verzerrter E-Gitarre und der aggressivsten | |
Flöten-Melodie, die die Welt je gehört hat, zur barocken Melancholie | |
aufgebohrt haben. "Songs entstehen nur, wenn bei mir eine gewisse Stille | |
eingekehrt ist", erklärt Jakobus Siebels. "Dann greife ich irgendwann aus | |
Langeweile zur Gitarre." Ebba Durstewitz ergänzt: "Wir beginnen, ohne | |
irgendetwas Bestimmtes im Kopf zu haben, wenn die Idee zu sehr einem Stil | |
entspricht, holen wir die Musik aus dieser Ecke wieder raus. Das ist alles | |
eher intuitiv. Wir probieren einfach aus." Mit immer wieder überraschenden | |
Ergebnissen. "Wir sind noch nicht ganz durchgebacken/ Man sitzt uns deshalb | |
sehr im Nacken", mit solchen Zeilen wird in dem Song "Das Problem des | |
dezidierten Geschmacks" die Einflussangst verarbeitet. | |
Ja König Ja sehen in Popmusik etwas Größeres als sich selbst. Diese | |
Selbstlosigkeit bewahrt sie auch vor Pathos. "Die Seilschaft der | |
Verflixten" ist ein grandioses Durcheinander an Themen und Stimmungen, an | |
Gefühlswelten und Geisteshaltungen, es ist das gültige Manifest für alle | |
organisationslosen Freaks und Fantasten. Ja König Ja sind ohnehin eine Welt | |
für sich, und diese Haltung ist historisch begründbar. Zu den Hochzeiten | |
der "Hamburger Schule", in den Neunzigern, waren sie die Antithese zum | |
Diskursrock. Die Hansestadt war führend in Deutschlands intellektueller | |
Musikszene, und jeden Mittwoch spielten Ja König Ja als Hausband live im | |
Szenetreffpunkt Pudelclub, zu zweit mit Gitarre, Cello und intimistischer | |
Liebeslyrik. Das erboste die Rockistenfraktion. "Wir standen bestenfalls an | |
der Peripherie", sagt Ebba Durstewitz, "und sahen uns auch nicht als Teil | |
der Hamburger Schule. Die Sichtweise der Außenstehenden haben wir | |
beibehalten. Wenn Punk bedeutet, nicht so zu sein wie alle anderen, dann | |
empfinden wir uns als Punk." Heute existieren die alten Zusammenhänge der | |
Hamburger Schule nicht mehr. Und doch sind Ja König Ja beim Hamburger | |
Artschool-Label Buback bestens aufgehoben. "Ambivalenz spielt auf dem Album | |
in allen Bereichen eine Rolle. Es geht darum, wie wir Dinge zusammenbringen | |
oder eben genau andersrum, wie wir die Gegensätze unaufgelöst stehen | |
lassen", sagt Ebba Durstewitz. | |
Nach der nonchalanten Geste der geklauten Einleitung - das | |
Militärstiefelklappern vom Sex-Pistols-Album "Never mind the Bollocks" ist | |
zu hören - zählt Ebba Durstewitz zum Auftakt im programmatischen Titelsong | |
Leute auf einem langen Marsch auf: "Artisten, Anarchisten … Solisten, | |
Nihilisten und vermisste Pantheisten." Sie ruht sich aber nicht auf ihrem | |
Reim über die Seilschaft der Verflixten aus, sondern stürzt weiter vorwärts | |
in ihrer grenzenüberschreitenden poetischen Mission. "Nicht zu scheitern | |
ist für Götter/ Heroismus bin ich leid/ Grenzen sind für Spötter/ und die | |
Sphäre der Bedenklichkeit." Mit der Musik und der Gesangsmelodie werden | |
diese Zeilen zu einem Zopf verknüpft. So entstehen comichafte Anti-Helden. | |
"Wir werden nie vernichtet/ Nie zerstört." In den Laut-Leise-Passagen, den | |
Tempowechseln und seltsamen Instrumentierungen wird die Lust an Popmusik | |
hörbar, das reine Vergnügen, Musik zu machen. Die Stimme des Begehrens. | |
"Damit ist das Aufbegehren gemeint. Wenn man sich entscheidet, in eine | |
künstlerische Richtung zu gehen, von der man sich nicht ernähren kann, aber | |
trotzdem keine Abstriche machen will. Den schwierigen, statt den einfachen | |
Weg zu wählen, da ist das Begehren der wichtigste Punkt", sagt Ebba | |
Durstewitz. | |
Ebba Durstewitz hat ein Faible für seltsame, unsingbare Worte. Balustrade, | |
Golgatha, Hotelappartements oder Hasenställe werden Teil der | |
Gesangsmelodien, wie man sie sonst vielleicht aus der brasilianischen | |
Popmusik kennt oder vom frühen Brian Eno. Musikalisch untermauern Ja König | |
Ja ihr Projekt mit einem Diffundieren in alle möglichen Richtungen. Was die | |
Band mit Schulterzucken beantwortet, denn ihr Verhältnis zur Popmusik ist | |
überzeitlich. Der Entstehungsprozess ihrer Songs ähnelt der | |
Produktionsweise von House. "Wir schichten Instrumentenspuren", sagt | |
Siebels, "bis eine richtige Hookline entsteht. Dann wird sie wieder | |
abgetragen, um Platz für die Stimme zu schaffen." | |
Ja König Ja sind - das bleibt bitte unter uns - sensationell! Ihr Album | |
"Die Seilschaft der Verflixten" ist ökonomisch der Gegenentwurf zum | |
überperfektionistischen Streberpop, aber auch zu jeder Art von | |
Befindlichkeitslyrik, und zum business as usual im Indierock sowieso. | |
10 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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