# taz.de -- Dozentin Mitrovic über Frauenhandel: "Prostitution ist immer noch … | |
> Oft sind es Freier, die auf die Zwangslage von Prostituierten aufmerksam | |
> machen. Diese aufzuklären sei besser als zu bestrafen, meint | |
> Prostitutions-Expertin Mitrovic. | |
Bild: In Hamburg ist es noch nicht möglich, als Prostituierte ein Gewerbe anzu… | |
taz: Frau Mitrovic, Justizministerin Zypries hat vorgeschlagen, die Freier | |
von Zwangsprostituierten hart zu bestrafen. Ist das der richtige Weg? | |
Emilija Mitrovic: Das bedeutet, die Freier zum Gegner zu machen. Ich halte | |
diesen Weg für sehr schwierig. Wenn es heute überhaupt Hinweise auf | |
Zwangslagen von Prostituierten gibt, dann kommen die oft von Freiern. Wenn | |
diese sich strafbar machen, werden sie sich nicht mehr an die Polizei | |
wenden. Es ist besser, die Freier aufzuklären: Sie für Hinweise auf | |
Zwangsprostitution zu sensibilisieren und Freiertelefone einzurichten. | |
Die Bundesregierung setzt aufs Strafrecht. Was wäre Ihr Ansatz? | |
Um den Frauenhandel anzugehen, müßten ganz andere Aufklärungskampagnen und | |
vor allem eine Enttabuisierung der Prostitution stattfinden. So lange man | |
die Arbeitsbedingungen von Prostituierten nicht diskutieren kann, ändert | |
sich auch nichts. | |
Diese Enttabuisierung sollte das Prostitutionsgesetz von Rot-Grün leisten. | |
Aber an der Doppelmoral hat sich nichts geändert. Prostitution ist kein | |
"anständiger" Beruf. Das erkennen Sie an Sperrgebietsverordnungen, | |
Gewerbeverboten und ähnlichem. An den Arbeitsbedingungen selbst ist da kein | |
Mensch interessiert. | |
Das erhofft sich die CDU von der Freierbestrafung: Die Freier müssen sich | |
dann für die Arbeitsbedingung der Prostituierten interessieren. | |
Das ist eine Illusion. Die Freier werden nicht jedesmal die gesamte | |
Situation einer Prostituierten erkunden, das ist unmöglich. Der einzige | |
Weg, um diese Bedingungen zu verbessern ist die Stärkung der Prostituierten | |
selbst. | |
Und wie? | |
Wenn sie ein Bleiberecht bekommen würden, falls sie in einem Prozess gegen | |
Menschenhändler aussagen, dann würden mehr Frauen sich dies trauen. Doch | |
heute werden sie nach dem Prozeß nach Hause geschickt. Da sitzt unter | |
Umständen der Menschenhändler und will sich rächen. Unter solchen | |
Bedingungen sagt niemand in Prozessen aus. Man müßte auch die | |
Beratungsstellen stärken. Aber das ist natürlich teurer als so ein Gesetz. | |
Prostitutierten-Organisationen haben eine Art Gütesiegel vorgeschlagen, für | |
"saubere" Bordelle. Ist das gut? | |
Ich weiß nicht. Wer soll das kontrollieren? Und wie soll der | |
Bordellbesitzer oder die Kontrollinstitution sehen, ob die Papiere der | |
Frauen gefälscht sind oder nicht? Man kann nur den Frauen selbst | |
Instrumente an die Hand geben, sich zu wehren. Wichtig ist, dass erstmal | |
das Prostitutionsgesetz richtig umgesetzt wird. Es gibt nur wenige Städte | |
wie etwa Dortmund, die dafür sorgen, dass Prostituierte ihr Gewerbe | |
anmelden können. In Hamburg zum Beispiel geht das nicht. | |
Über die Hälfte aller Prostituierten sind Ausländerinnen. Sie haben oft nur | |
Touristenvisa und arbeiten deshalb illegal. Denen ist nicht geholfen, oder? | |
Das stimmt. Und wer nicht legal hier ist, nimmt Hilfe von Schleusern und | |
Vermittlern an, die dann eben auch zu Menschenhandel ausarten kann. Eine | |
Green Card, ein Visum für Saisonarbeit, solche Regelungen kann man sich | |
überlegen, um die Migrantinnen aus der Grauzone heraus zu holen. | |
Sehen Sie dafür eine Chance? | |
Nein. Mit der CDU in der Regierung wird es keine Fortschritte geben. In der | |
CDU versteckt man sich hinter dem Satz, Prostitution sei kein normaler | |
Beruf. Und dann macht man Prostituierten das Leben schwer: Doppelmoral | |
eben. | |
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH | |
22 May 2008 | |
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Verdi | |
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