# taz.de -- Zum Tod von Sydney Pollack: Tränen, Dollars, Oscars | |
> Er drehte "Tootsie" und bekam für "Jenseits von Afrika" den Oscar: | |
> US-Regisseur und Schauspieler Sydney Pollack ist im Alter von 73 Jahren | |
> gestorben. | |
Bild: Pollack (l.) mit Dustin Hoffman bei den Dreharbeiten zu "Tootsie", 1982. | |
Das Werk, das ihn zurück zu seinen Wurzeln als Fernsehregisseur geführt | |
hätte, hat Sydney Pollack nicht mehr drehen können. Am vergangenen Sonntag | |
war im amerikanischen Pay-TV-Sender "HBO" der viel beachtete Film "Recount" | |
zu sehen, eine engagierte Auseinandersetzung mit dem Skandal um die | |
Stimmenauszählung in Florida bei den US-Präsidentschaftswahlen des Jahres | |
2000. | |
Seine Regieführung hatte Pollack dafür bereits vertraglich gesichert, | |
musste jedoch, als er im letzten Jahr von seiner Krebserkrankung erfuhr, | |
davon zurücktreten. Auch am Anfang von Sydney Pollacks Filmografie stehen | |
einzelne Folgen heute vergessener TV-Serien und zwei Episoden von "The | |
Alfred Hitchcock Hours". | |
Als Sohn russischer Einwanderer wurde er 1934 in Indiana, im konservativen | |
Mittleren Westen der USA geboren. In der Schule entdeckte er die Liebe zur | |
Schauspielerei, ging nach New York auf die renommierte Schauspielschule | |
"Neighborhood Playhouse", spielte ein paar Rollen am Broadway und lernte | |
dann sein Handwerk als Regisseur beim Fernsehen. Seinen ersten Spielfilm, | |
das Selbstmorddrama "The Slender Thread" (1965) mit Anne Bancroft und | |
Sidney Poitier, fand er selbst später "furchtbar". | |
Vier Jahre darauf entsteht das erste Meisterwerk, "Nur Pferden gibt man den | |
Gnadenschuss". Der gnadenlose und eben darum grandiose Film mit Jane Fonda | |
ist angesiedelt in der Ära der Weltwirtschaftskrise und erzählt von | |
verzweifelten Menschen, Teilnehmern an einem Marathontanzwettbewerb. Sie | |
tanzen, tagelang, bis zur Erschöpfung und bis zum Tode, und die Kamera | |
macht alles, nicht zuletzt die zermürbenden Tempowechsel, immer mit. | |
Sydney Pollack war - und blieb - der Regisseur eines gemäßigten "New | |
Hollywood". Kein "Auteur", keiner, der seine eigenen Drehbücher schrieb, | |
aber ein brillanter Handwerker mit Sinn für Spannung und zugleich für | |
Subtilität, vergleichbar mit John Frankenheimer ("Botschafter der Angst") | |
oder Norman Jewison ("Thomas Crown ist nicht zu fassen"), die beide | |
ebenfalls vom Fernsehen kamen. Pollack war einer, der immer mit den | |
wichtigen Stars arbeitete, der das große, das ganze Publikum wollte, aber | |
trotzdem eher in Richtung Kunst als Popcorn zielte. | |
Er liebte die Arbeit in Genres und respektierte deren Vorschriften und | |
Regeln, nutzte sie aber, um ambivalente Geschichten zu erzählen und | |
komplexe Charakterbilder zu entwerfen. All das gelang ihm unzweifelhaft in | |
seinen besten Filmen der 70er-Jahre, im meditativen Western "Jeremiah | |
Johnson" ebenso wie im Thriller "Die drei Tage des Condor", beide mit | |
Robert Redford, der dann später als Regisseur in ziemlich genau derselben | |
Liga spielte wie Pollack. | |
Die große Zeit dieses amerikanischen Kinos der Qualität war mit den 70ern | |
eigentlich vorbei. Dennoch folgten erst im Jahrzehnt danach zwei von | |
Pollacks größten Erfolgen. Zum einen seine einzige Komödie, das | |
Verkleidungsstück "Tootsie" (1982), der zum Publikumshit wurde und auch | |
deshalb in Erinnerung blieb, weil zwischen dem Regisseur und seinem | |
Hauptdarsteller Dustin Hoffman während der Dreharbeiten die Fetzen flogen. | |
In "Tootsie" trat Pollack übrigens auch das erste Mal nach mehr als 20 | |
Jahren Pause wieder als Schauspieler in Erscheinung - es folgten weitere, | |
durchaus beachtete Rollen unter anderem in Woody Allens "Ehemänner und | |
Ehefrauen" und Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut". | |
Und dann kam 1985 "Jenseits von Afrika", das große Liebesmelodram mit | |
Robert Redford und Meryl Streep, gewiss nicht Pollacks stärkster Film, aber | |
einer, der jede Menge Afrikasehnsucht, Tränen, Dollars und Oscars - | |
darunter für den besten Film und die beste Regie - produzierte. | |
Im Jahr darauf gründete der Regisseur seine eigene Produktionsfirma Mirage. | |
Der nächste Film "Havanna" wurde 1990 ein böser Flop, und Pollack hatte | |
seitdem vor allem Erfolge als Produzent - zuletzt mit dem | |
George-Clooney-Vehikel "Michael Clayton". Immerhin war sein letzter eigener | |
Spielfilm "Die Dolmetscherin" (2005) mit Nicole Kidman noch einmal ein | |
echter Pollack, handwerklich gekonnter und intelligenter Genre-Mainstream. | |
Es gelang dem Regisseur, was zuvor nicht einmal Hitchcock durfte: Die UN | |
ließ ihn in ihrem New Yorker Hauptgebäude drehen. Ein Publikumserfolg wurde | |
der Film leider trotzdem nicht. Der uneitle Regisseur, als Person von | |
jedermann geschätzt und in Hollywood längst als Elder Statesman anerkannt, | |
wusste, dass die Art, wie er Filme machte, inzwischen als altmodisch galt. | |
"Heutzutage musst du ganz schnell die Pistole ins Spiel bringen oder deine | |
Figuren möglichst rasch ausziehen", hat er in einem jüngeren Interview | |
gesagt. Dergleichen lag dem am Montag im Alter von 73 Jahren verstorbenen | |
Sydney Pollack bis zuletzt fern. | |
27 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
## TAGS | |
Dokumentarfilm | |
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