# taz.de -- Österreichs Wirtschaft profitiert nicht: Das überschätzte Große… | |
> "Is nix los, feun olle. Is wos los, feun a olle." Soll heißen: Etwas zu | |
> jammern gibt es immer. Die EM etwa hat den Wienern viele Besucher | |
> beschert, aber nicht das erhoffte Geschäft. | |
Bild: Feiern ohne viel Geld zu verballern, das hatten sich die Budenbesitzer au… | |
Die Ringstraße. Das k. u. k Flair dominiert definitiv nicht mehr. Ein Teil | |
des Prachtboulevards ist nun EM-Fanzone: rechts von uns auf dem Heldenplatz | |
das Völkerkundemuseum - die Anubis-Figur, die für die | |
Tutanchamun-Ausstellung wirbt, im überdimensionalen Österreich-Dress. | |
Schräg dahinter die Reiterstatue Prinz Eugen. Erzherzog Karl aber, | |
gegenüber, ist verschwunden: Ihn umgibt ein "VIP-Public-Viewing-Tower" der | |
Bankengruppe Unicredit, kein Pferdeschwanz, keine heroische Geste mehr zu | |
sehen. Links erhebt sich Maria Theresia über ein Meer von roten | |
Sonnenschirmen mit Meinl-Kaffee-Schriftzug. Ihre Feldherren Daun, Laudon, | |
Traun und Khevenhüller sind abgetaucht, eingebunkert von der für Coca-Cola | |
werbenden Plattform. | |
Dort, zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum, kann man nun Melange | |
für 4,20 Euro trinken und sich ansehen, was sich so tut, den sportlichen | |
Anubis an- und dem Gärtner beim Rasenmähen zusehen. Der Freund sagt: "Is | |
nix los, feun olle. Is wos los, feun a olle." Soll heißen: In Wien regt man | |
sich auf und jammert, immer. Diesmal ist man unzufrieden, weil was los ist, | |
aber eben nicht genug. | |
Wirte jammern: "Schauen Sie sich nur um!" Gähnende Leere sieht zwar anders | |
aus, in der Kantine im Museumsquartier wie im Café Central oder Café | |
Prückel. Weil es diesen Juni wegen der EM in Wien keine Kongresse gibt, | |
bleiben aber die meist betuchten Kongressbesucher aus. Dafür kommen | |
allerdings russische Fußballfans, und die gelten als ausgabefreudig. Und so | |
manch einer, der zum Fußballschauen gekommen ist, nimmt auch die | |
"Punk"-Ausstellung mit. | |
Andernorts hat man sich aber mehr erwartet, mehr Besucher, mehr Umsatz. In | |
der offiziellen Uefa-Fanzone auf der Ringstraße hatten 20 Stände nach | |
wenigen Tagen zugesperrt, 16 davon sind mittlerweile wieder vermietet. Die | |
Standmiete liegt zwischen 12.000 und 40.000 Euro, der große Geldregen, der | |
die wettmachen würde, ist für einige aber offenbar nicht eingetreten. Bei | |
4,50 Euro für einen halben Liter Carlsberg-Bier trinkt man dann vielleicht | |
doch eines weniger. Und manche Standbetreiber hätten doch besser statt | |
"Exotischem wie schwedischer Küche" Fußballkompatibles wie Würstel | |
angeboten, meint Wiens EM-Sprecherin Anja Richter. | |
Franz X. Brunner, Organisator des Plattform-Cafés auf dem | |
Maria-Theresien-Platz, glaubt, dass die Erwartungen vieler Wirte von | |
vornherein zu hoch gewesen seien: "Offensichtlich haben viele Gastronomen | |
vergessen, dass die EM in zwei Ländern stattfindet" - das sei ein Fehler | |
gewesen. Zwischen Österreich und der Schweiz seien "verflucht hohe Berge, | |
da reist man nicht einfach von hier nach dort als Fan". Er selbst ist | |
zufrieden mit seinem Bau - wenn auch er sich etwas mehr erwartet hätte. | |
Auch gesamtvolkswirtschaftlich waren die Erwartungen hoch: Von 160 | |
Millionen bis mehr als 530 Millionen Euro an zusätzlicher Wertschöpfung war | |
die Rede gewesen und von 10.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, von denen | |
6.000 dauerhaft sein könnten. Denn als Faustregel gilt: Wächst das | |
Bruttoinlandsprodukt um 1 Prozent, gibt es 20.000 Beschäftigte mehr. Doch | |
das Wirtschaftsforschungsinstitut glaubt nicht an den Job- und | |
Konjunkturmotor EM: "Die EM hat langfristig allenfalls positive Effekte auf | |
den Tourismus", sagt Ökonom Markus Marterbauer. "Die EM rettet uns nicht | |
vorm Konjunkturabschwung." Auch das Deutsche Institut für | |
Wirtschaftsforschung hat nach der WM 2006 davon gesprochen, dass die | |
konjunkturellen Auswirkungen "vollkommen marginal" gewesen seien. | |
Gar nicht gejammert wird dafür bei der Unicredit und der Telekom Austria. | |
Die hat sich das ganze Burgtheater gemietet und verköstigt dort täglich 600 | |
Kunden und Society-Menschen. Die Werbebanner von Theater und Heldenplatz, | |
wo die italienische Großbank eben Erzherzog Karl zugebaut hat, sind bei den | |
Übertragungen europaweit zu sehen. Am Sonntag aber ist auch damit Schluss. | |
"Dann", sagt der Freund, "schauts hier wieder fast so aus wie vor 130 | |
Jahren." | |
26 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Christine Zeiner | |
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Wien | |
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