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# taz.de -- Erkenntnisse aus der Hirnforschung: Lernen emotional aufpeppen
> Hirnforscher plädieren dafür, Lernen vielseitig zu gestalten - und früh
> zu beginnen. Denn Hirnareale, die nicht schon früh gefordert werden,
> verkümmern mit der Zeit.
Bild: Hören, Sehen, Fühlen - das Hirn braucht viele Eindrücke, um sich zu en…
"Das menschliche Gehirn ist neurobiologisch darauf vorbereitet, in einem
bestimmten Abschnitt der kindlichen Entwicklung ganz bestimmte Fähigkeiten
zu erlernen", erklärte Erich Kasten, Institut für Medizinische Psychologie,
Universität Lübeck.
"Sehen müssen Kinder im ersten Lebensjahr erlernen. Blindgeborene, die
durch eine Operation erst sehr viel später etwas sehen können, haben große
Schwierigkeiten. Sie sehen etwas, verstehen aber nicht, was sie sehen. Die
Grundlagen der menschlichen Sprache müssen zwischen dem ersten und fünften
Lebensjahr erlernt werden. Danach erweitert sich im Wesentlichen nur noch
der Wortschatz und der Satzbau verbessert sich."
Ob es sinnvoll ist, ein Kind zweisprachig zu erziehen, ist nicht eindeutig
geklärt. Eines weiß man jedoch mit Sicherheit: Frühes Lernen ist besonders
bedeutsam. Die Lerngeschwindigkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab.
Hirnareale, die nicht schon früh gefordert worden sind, degenerieren und
sind später nur schwer aktivierbar. Derjenige, der schon etwas kann, lernt
anders als derjenige, der ganz von vorne anfängt.
Beim Lernen organisiert die Gehirnrinde regelhafte Erfahrungen
landkartenförmig: Nervenzellen, die auf ähnliche Eingaben reagieren, liegen
nahe beieinander, und Häufiges wird durch mehr Nervenzellen repräsentiert
als Seltenes. Neuere Untersuchungen zeigten, dass die Entstehung der Karten
selbst das Signal für deren Verfestigung darstellt. Nachdem eine Karte
aufgrund der Verarbeitung entsprechender Erfahrungen entstanden ist, sorgt
sie für ihre Verfestigung, das heißt, sie kann dann im höheren Lebensalter
nur noch in geringem Ausmaß verändert werden.
Während der Heranwachsende lernt, entwickelt sich sein Gehirn weiter. Eine
Fähigkeit, die gerade erlernt wird, führt dazu, dass sich neue
Verknüpfungen zwischen Nervenzellen bilden. Gehirnaktivität bedeutet unter
anderem, dass Impulse über die Nerven geleitet und über Botenstoffe
zwischen ihnen vermittelt werden.
Werden immer wieder dieselben Nerven gemeinsam aktiv, so verändert sich die
Verbindung zwischen ihnen. Sie wird stabiler und man spricht von Lernen.
Das Gehirn fängt relativ früh nach der Geburt an, neue Synapsen, also
Verbindungen von einer Nervenzelle zur anderen, zu bilden. Dabei übersteigt
die Anzahl der Synapsen bei Kindern weit die Anzahl, die im erwachsenen
Hirn zu finden ist. Die endgültige Anzahl und Art der Verbindungen der
Zellen untereinander ist dabei bis in die Jugendzeit und darüber hinaus
nicht abschließend festgelegt und gerade die Pubertät scheint eine Zeit
besonders starker "Umbauaktivitäten" im Gehirn zu sein.
Ob Fernseher oder Computer bei der Entwicklung Heranwachsender hilfreich
sind oder nicht, ist zurzeit umstritten. "Computer oder Videogames können
gefährlich werden", warnte Kasten. " Sie können süchtig machen. Gerade
Jugendliche mit Problemen in der realen Umwelt neigen dazu, sich in die
virtuelle Scheinwelt zu flüchten. Dies kann so weit gehen, dass sie
gedanklich mehr mit der irrealen PC-Game-Welt verhaftet sind und Probleme
im wirklichen Leben nicht mehr lösen können.
Die Jugendlichen ziehen sich immer weiter von Freunden, Bekannten und
Familie zurück. Zudem unterdrücken viele Games kreatives Denken." Kasten
vertritt jedoch die Auffassung, dass man auf keinen Fall Computer "generell
verteufeln" darf. "Der Computer ist in der heutigen Zeit ein wichtiges
technisches Hilfsmittel, und Kinder sollten lernen, dieses Medium richtig
einzusetzen. Didaktisch gut aufgebaute Lernprogramme können die Schule in
manchen Fächern gut ergänzen." Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass
Videospiele bestimmte geistige Leistungen trainieren können.
Im Gegensatz hierzu ist Manfred Spitzer, Universität Ulm, der Meinung, dass
Fernseh-, Video- oder Computerbildschirm für Heranwachsende immer schädlich
seien - auch dann, wenn gerade die tollste Kindersendung, der schönste
Tierfilm oder das intelligenteste Lernprogramm läuft. Für ein sich
entwickelndes Gehirn seien Bildschirme sehr wenig hilfreich. Sie führten zu
einer Verarmung von wichtigen Erfahrungen. Heute ist bekannt, dass Kinder
beim Lernen alle Sinne brauchen, die sie ständig miteinander abgleichen.
Deshalb funktioniert Lernen besser, wenn nicht nur Denken und Gedächtnis
angesprochen werden. Dies ist beim Computer nicht der Fall: Das Kind kann
nichts anfassen und schon gar nichts riechen oder schmecken, und es fehlt
die Tiefendimension.
Gefühle spielen beim Lernen eine extrem wichtige Rolle. "Die Bedeutung der
Emotionen beim Lernen ist kaum zu überschätzen", erklärte Kasten hierzu.
Man kann Wissen durch ständige Wiederholung erlernen, zum Beispiel beim
Vokabelnpauken. Leichter merkt das Gehirn sich aber alles, was Affekte
auslöst, etwa den Inhalt des letzten spannenden Kinofilms. Hierbei spielen
Verschaltungen zwischen dem Emotionen verarbeitenden Limbischen System und
den Wissen speichernden Hirnarealen eine wichtige Rolle. Der Mandelkern
(Amygdala) bewirkt, dass gefährliche Reize besser gespeichert werden, der
Nucleus accumbens wird bei freudigen Ereignissen aktiv. Derselbe Stoff wird
daher in guter Stimmungslage mithilfe von anderen Gehirnbereichen besser
gelernt als unter negativer emotionaler Emotion.
Das heißt: Wenn das entsprechende Material abgerufen wird, wird im
negativen Fall auch die Angst mit abgerufen. Sogar das Umfeld spielt eine
Rolle: Im selben Raum, in dem gelernt wurde, wussten Versuchspersonen mehr
als in fremder Umgebung.
26 Jun 2008
## AUTOREN
Claudia Borchard-Tuch
## TAGS
Hirnforschung
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