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# taz.de -- Adolfs Elite aus der Antarktis: Bürger, kauft Vorräte!
> Die rechtsradikalen Anhänger von Neuschwabenland vereint beinharte
> NS-Nostalgie, bizarre Verschwörungstheorien und der Glaube an UFOs. Ein
> Ortstermin in Berlin.
Bild: Leider unscharfe Abbildung einer Reichflugsscheibe aus Neuschwabenland.
Wer diese Zeilen liest müsste schon längst tot sein. Es sei denn er hätte
den Generalangriff der Russen auf Europa überlebt, der heute starten
müsste. "Das Armageddon steht uns bevor", ruft Peter Schmidt gestikulierend
ins Publikum. "Seid wachsam und vorbereitet!"
Applaus. 50 Leute aus ganz Deutschland klatschen in einem stickigen
Nebenzimmer einer schmuddeligen Ostberliner Eckkneipe am Spittelmarkt.
Peter Schmidt redet vor ihnen über den "Tag X". Der Tag, an dem Russland
Deutschland und ganz Westeuropa angreift. Es ist aber auch der Tag, an dem
eine arische Überrasse aus der Antarktis mit Raumschiffen den Deutschen zur
Hilfe kommen soll.
Die Luft im Raum riecht am späten Sonnabend schwer nach Kölnisch Wasser.
Das Porträt eines Adlerkopfes droht über dem Rednerpult. Schwach beleuchtet
kommen selbsternannte Experten, Silberwasser trinkende Hartz IV-Empfänger
und Vertreter der Exilregierung des Deutschen Reiches zum 130.
Neuschwabenland-Treffen zusammen. Die "Regierungsvertreter" mit
Schwarz-Weiß-Roter Krawatte bekleidet und einer Nadel am weißen Hemdkragen
in Form der Reichsfahne.
Sie alle vereint der Glaube an die Existenz von Neuschwabenland. Angeblich
wurde schon während des Zweiten Weltkrieges in der Antarktis eine unter dem
Eis liegende deutsche Stadt gegründet. 1945 flüchteten führende Nazis,
Wissenschaftler und Militärs auf diese geheime Basis. Dort perfektionierten
sie sowohl ihre Gene als auch ihre Pläne von kampfstarken
Reichsflugscheiben, auch als "UFOs" bekannt. Seitdem huschen sie zu
Patrouilleflügen über den Himmel und warten auf den Tag X, an denen die
Russen ihnen freiwillig die Macht über das Deutsche Reich zurückgeben.
"Dann sind wir endlich frei und nicht mehr fremdbestimmt", sagt Andreas
Sauer.
Peter Schmidt und Andreas Sauer organisieren seit fast sechs Jahren diese
Treffen. Schmidt ist freier Journalist, Sauer hat Jura studiert, aber nicht
abgeschlossen. In ihren Reden warnen sie vor der großen Gefahr, vor der
Verschwörung der globalen Weltelite, der "Hochfinanz". Sie sprechen von
"dieser bestimmten Minderheit" und meinen die Juden und Kommunisten. In den
Mund nehmen will das aber keiner. Es könnte sich ja jemand vom
Verfassungsschutz unter das Publikum gemischt haben. In der altdeutschen
Kneipe mit dunklen Möbeln und holzvertäfelten Wänden lauschen alle
angespannt dem kruden Theorienmix aus Verfolgungsangst und rechtsextremer
Ideologie. Dabei trinken sie dicht gedrängt Bier und sprudelfreie Cola in
Humpengläsern.
Glaubt man dem schwergewichtigen Berliner Initiator Schmidt, werden bei
angeblichen Schutzimpfungen vorsätzlich Krebs- und Aidsviren gespritzt, um
die Menschheit langsam aber sicher auszurotten. Und die Kondensstreifen am
Himmel sind in Wirklichkeit versprühte Gifte, so genannte Chemtrails, die
uns krank werden lassen. Beweise lassen nicht lange auf sich warten. Ein
arbeitsloser Elektronikbastler meldet sich zu Wort. Er habe sich einen
motorbetriebenen Filter einer Dunstabzugshaube ins Schlafzimmerfenster
geschraubt, um die Luft zu reinigen. "Erst probierte ich es mit einer
NVA-Luftschutzmaske, aber da habe ich beim Schlafen immer so im Gesicht
geschwitzt", sagt der Mittfünfziger. Mit der Dunstabzugshaube aber fühle er
sich viel gesünder. Das Publikum nickt.
Der fast zahnlose Hartz IV-Empfänger wird ein begehrter Gesprächspartner an
diesem Abend. Denn er hat nicht nur seine Luft gereinigt, sondern auch
einen großflächigen Hautpilz mit einer selbst hergestellten kolloidale
Silberwassermixtur, einer Lösung von Silbersalzen, besiegt. Seine Botschaft
lautet: Trinkt Silberwasser, lehnt Antibiotika ab. Denn das Gebräu heilt
angeblich nicht nur Krebsgeschwüre, Blutvergiftungen, Akne und die
Beulenpest, sondern neutralisiert auch biologische Kampfstoffe.
Auf dem Treffen geht es aber nicht nur um unbewiesene Heilmethoden, sondern
auch um rechtsradikale Inhalte. Da kommen solche Fälle dem Duo
Schmidt-Sauer gelegen, die Anhängerschaft bei Stange zu halten. Schließlich
geht es hier um mehr als nur die innere Reinigung. Es geht um den Kampf
gegen 60 Jahre alliierte Gegenpropaganda, die Leugnung der BRD und um die
Neuschreibung deutscher Nachkriegsgeschichte: Sie seien Aufklärer einer
jüdisch-freimaurerisch-kommunistischen Konspiration, erklärt deshalb auch
Sauer, der ein wenig wie Peter Maffay aussieht. "Unser Ziel ist ein reiner
deutscher Volkskörper in den Grenzen des Deutschen Reichs." Seine
völkerrechtliche Ausbildung absolvierte Sauer bei dem Rechtsradikalen
Wolfgang Ebel. Der nennt sich amtierender "Reichskanzler" der
Kommissarischen Reichsregierung. Eine obskure Gruppe, die behauptet, das
Deutsche Reich existiere weiterhin und sie sei die rechtliche Vertretung.
Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Ziele erhoffen sich alle von den
Besatzungen der Reichsflugscheiben. Doch bis es soweit sein soll, rät
Schmidt denn auch seinen Zuhörern erstmal: "Legt Euch Lebensmittelvorräte
an und informiert Eure Nachbarn." Seine Mutter jedenfalls freue sich schon
auf die Rückkehr der Deutschen aus Neuschwabenland, schließlich habe sie
früher in der Reichsluftwaffe gedient.
20 Jul 2008
## AUTOREN
Carl Ziegner
## TAGS
Schwerpunkt Demos gegen rechts
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