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# taz.de -- Yves-Saint-Laurent-Ausstellung: Marokko, mon amour!
> Die Pariser Ausstellung "Une passion marocaine" ist eine Hommage an die
> Kleiderkultur von Yves Saint Laurents nordafrikanischer Wahlheimat.
Bild: Roland Barthes (3.v.r.), 1978 im Pariser Café Bonaparte
Als Yves Saint Laurent und sein Partner Pierre Bergé 1966 zum ersten Mal
nach Marokko reisten, tauchten sie in die Hochburg des internationalen
Jetsets um Talitha Getty, Loulou de la Fressange und Mick Jagger ein. Ihr
Traumorient, der bereits französische Denker wie André Gide oder Roland
Barthes wegen der Schönheit der arabischen Menschen fasziniert hatte,
betörte den jungen Saint Laurent vor allem durch das freie Hippieleben.
Während die gute Pariser Gesellschaft noch einem strengen Verhaltens- und
Kleidungskodex folgte, zelebrierte man in Marrakesch den hedonistischen
Lebensstil der Londoner Upperclass. Dass dieser Ort, weit über die erste
Faszination hinaus, eine derart zentrale Rolle in ihrem Leben spielen
würde, hätten sie, so Bergé, damals nicht geahnt.
Tatsächlich aber hat Marokko nicht nur das Leben des damals 31-jährigen
Couturiers für immer verändert, sondern auch seine Mode und seine Vision
der Frau eindringlich geprägt. Das bezeugt er 1983 in einem Interview mit
Paris Match: "Auch wenn ich an die Farben und das Licht Nordafrikas gewöhnt
war, habe ich erst später, als ich Marokko kennenlernte, erkannt, dass
meine Farbigkeit die der Dschellaba und des Kaftans ist. Den Wagemut, den
ich seitdem an den Tag lege, verdanke ich der Schamlosigkeit der Mischungen
und dem Feuer der Erfindungskraft dieses Landes. Diese Kultur ist meine
eigene geworden, jedoch habe ich mich nicht damit zufriedengegeben, sie zu
importieren. Ich habe sie annektiert, adaptiert und verändert."
Die noch vor seinem Tod am 1. Juni in der Pariser Fondation Pierre Bergé -
Yves Saint Laurent eröffnete Ausstellung "Une passion marocaine", führt mit
36 traditionellen Gewändern und seltenen Schmuckstücken in genau diese
beeindruckende Kultur ein. Und so sprießt im 16. Arrondissement, auf der
Rive Droite, gleich gegenüber den YSL-Haute-Couture-Ateliers, in der
atmosphärischen Rekonstruktion des legendären Jardin Majorelle ein
exotischer Lustgarten aus Kaftanen, pinken Bougainvilleas, aprikotfarbenem
Samt und goldenen Stickereien. Um die reine Schönheit des marokkanischen
Gewandes wirken zu lassen, hat der große Maître sich und sein eigenes Werk
zurückgenommen.
Nur am Eingang der Show finden sich zwei farbenprächtige, blumig bestickte
Couture-Kreationen der Marke Yves Saint Laurent aus dem Jahr 1989. Die
restliche Ausstellung führt vom extravaganten Kaftan aus Fes für die
modebewusste Frau um 1800 über den schlicht und einfarbig gehaltenen Kaftan
für den Mann hin zu den wertvollen Gewändern der Hochzeitszeremonien. Das
T-förmige Gewand wurde Mitte des 17. Jahrhunderts aus Bagdad nach
Nordafrika importiert, wo es zum Kult wurde. Seltene Stoffe und raffinierte
handgearbeitete Stickereien aus goldenem Seidenfaden machen jeden Kaftan zu
einem einzigartigen Kunstwerk.
Die Parallele in Yves Saint Laurents Schaffen liegt in genau diesem Aspekt.
Seine Farben, Seidenstoffe und Applikationen wollen Individualität: "Ich
bin kein Diktator, ich bin froh, wenn die Frau in meinen Kollektionen etwas
findet, wodurch sie ihre Identität ausdrücken kann." Für den Schriftsteller
Tahar Ben Jelloun erfüllt der Kaftan genau diese Funktion. Er nennt es "die
stumme Sprache des Kaftans". Auch wenn Yves Saint Laurents Sprache weniger
stumm und leise ist, der mysteriös-sinnliche Stolz, den die Frau in seinen
Kleidern ausstrahlt, bleibt im Grunde der gleiche. Mit seinen Kleidern hat
er die Schönheit des Kaftans, die bereits der französische Maler Delacroix
im 18. Jahrhundert mit seinen Gemälden importierte, im 20. Jahrhundert
weltweit verbreitet.
Um die kulturgeschichtliche Führung des Monsieur Saint Laurent durch seine
Wahlheimat perfekt zu machen, darf der Bezug zum Marokko von heute
selbstverständlich nicht fehlen. Nicht grundlos vergleicht der Kurator der
Ausstellung, Christoph Martin, den Luxusanspruch des Kaftans mit dem der
Haute Couture. Denn Ersterer erlebt heute, ähnlich wie Letztere, ein
modernisiertes Revival.
Bestes Beispiel hierfür sind ausgewählte Kleider und Westen der jungen
marokkanischen Designerin Tamy Tazi, die dem traditionellen Kaftan eine
neue Silhouette schenkt. Dass die Umgestaltung des Kleides bei Tazi, genau
wie damals bei Saint Laurent, mit einer Neupositionierung der Frau in der
marokkanischen Gesellschaft verbunden ist, macht das Bild dann perfekt. Bei
so viel Schönheit und Geschichte verzeiht man am Ende auch gerne das leicht
kitschige Plätschern des Brunnens.
28 Jul 2008
## AUTOREN
Annabelle Hirsch
## TAGS
Roland Barthes
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