# taz.de -- Kommentar Mitgliederbilanz der Volksparteien: Kein Grund zur Schade… | |
> Die Integrationskraft der Volksparteien schwindet. Sie müssen Formen der | |
> Beteiligung finden, die keine lebenslange Mitgliedschaft voraussetzen. | |
Bild: Bangen gemeinsam um verlorene Schäfchen: Armutpapst und Merkelmutti. | |
Es ist ein schaler Triumph für die CDU. Bei nahezu allen Wahlen seit 2005 | |
hat die Partei Stimmen verloren. Doch zu ihrem Glück fielen ihre Verluste | |
meist geringer aus als bei der SPD. Jetzt wiederholt sich das gleiche | |
Muster in der Mitgliederbilanz. Die Christdemokraten können sich als größte | |
deutsche Partei feiern: Die Zahl der Parteibücher geht weniger schnell | |
zurück als bei den Sozialdemokraten. Seit dem Höchststand vor einem | |
Vierteljahrhundert ist die Mitgliederzahl bei der SPD um fast die Hälfte | |
zurückgegangen, bei der CDU dagegen nur um ein knappes Drittel. | |
Die Integrationskraft der Volksparteien schwindet. Aber ist das schlimm? | |
Linke, FDP und Grüne eilen von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, obwohl sich ihre | |
Mitgliederzahl im Vergleich zur Zahl der Stimmen sehr bescheiden ausnimmt. | |
So kommen die Grünen - als klassische bürgerliche Honoratiorenpartei - mit | |
ihren nur 45.000 Mitgliedern auf Wahlergebnisse von zehn Prozent. Wählt man | |
das als Maßstab, müssten die Volksparteien jeweils mehr als hundert Prozent | |
der Wählerstimmen auf sich vereinigen - oder sie könnten ruhig weitere zwei | |
Drittel ihrer Mitglieder verlieren. | |
Für die Stabilität der Demokratie muss der Mitgliederschwund der | |
Volksparteien keine Katastrophe sein. Die hohen Zahlen, an denen Union und | |
SPD heute gemessen werden, waren einer historischen Ausnahmesituation | |
geschuldet. In den extrem politisierten Siebzigerjahren schwärmten die | |
einen für Willy Brandt, fürchteten die anderen die Einführung des | |
Kommunismus. Niemals zuvor waren so viele Parteibücher im Umlauf. | |
Es ist ehrenwert, dass sich die Parteien um Neumitglieder bemühen. Viel | |
wichtiger wäre, dass sie sich endlich auf die veränderten Verhältnisse | |
einstellen. Sie müssen Formen der Beteiligung finden, die keine lebenslange | |
Mitgliedschaft voraussetzen. Um die Nöte der Durchschnittsbürger auch | |
anderswo aufzunehmen als nur über den Ortsverein von CDU oder SPD, braucht | |
es neue Wege. Diese Strategie würde weiter tragen als die Schadenfreude | |
darüber, dass es dem politischen Gegner noch schlechter geht als einem | |
selbst. RALPH BOLLMANN | |
29 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralph Bollmann | |
## TAGS | |
Spiegel | |
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