# taz.de -- Australien beendet "unmenschliche" Asylpolitik: Ende der Zwangsinte… | |
> Die Labor-Regierung beendet die umstrittene Zwangsinternierung von | |
> Asylsuchenden. Flüchtlingsorganisationen sehen eine Verbesserung der | |
> bisher "unmenschlichen" Asylpolitik. | |
Bild: Flüchtlinge sollen künftig normal in der Bevölkerung leben können, bi… | |
CANBERRA taz Australien schafft die obligatorische Zwangsinternierung aller | |
papierlosen Asylsuchenden ab, die als sogenannte "boat people" auf dem | |
Seeweg das Land erreichen. "Verzweifelte Menschen werden nicht dadurch | |
abgeschreckt, dass ihnen eine harte Internierung angedroht wird", erklärte | |
Einwanderungsminister Chris Evans am Dienstag. "Sie flüchten häufig vor | |
noch viel schlimmeren Bedingungen". | |
Flüchtlinge sollen künftig normal in der Bevölkerung leben können, bis über | |
ihr Asylgesuch entschieden sei. Die bisherige, von Kritikern als | |
"unmenschlich" genannte Internierung in Lagern werde nur noch für | |
diejenigen Asylsuchenden angewendet, die als "Gefährdung" der Bevölkerung | |
gelten. Ihnen werde künftig aber rechtlicher Beistand angeboten, erklärte | |
Evans. Auch Kinder würden nicht mehr interniert. Außerdem sollen die | |
Behörden den bisher oft Jahre dauernden Anerkennungsprozess deutlich | |
reduzieren. | |
Im Januar hatte die im letzten November gewählte Labor-Regierung unter | |
Premierminister Kevin Rudd die Lager auf abgelegenen Inseln im Pazifik | |
geschlossen. Dorthin waren unter seinem konservativen Vorgänger John Howard | |
seit 2001 hunderte Asylsuchende verbannt worden. Auch in von Elektrozäunen | |
und Stacheldraht umgebenen Lager im isolierten Outback Australiens mussten | |
die meist aus Afghanistan und Irak stammenden Flüchtlinge zum Teil Jahre | |
ausharren. Unter ihnen waren auch hunderte Kinder. | |
Flüchtlingsorganisationen - über Jahre schärfste Kritiker der Internierung | |
- begrüßten die Kehrtwender der Asylpolitik. Laut einem Sprecher von | |
Amnesty International passe sich Australien damit an die Flüchtlingspolitik | |
anderer westlicher Demokratien an. Bis zu 380 derzeit in australischen | |
Internierunglagern lebende Asylsuchende könnten in Kürze entlassen werden, | |
so die Organisation. Auch Jack Smit von der Flüchtlingsorganisation Project | |
SafeCom sprach von einer fundamentalen Verbesserung. Er kritisierte jedoch, | |
dass über die Internierung so genannter "gefährlicher" Asylanten allein die | |
Einwanderungsbehörde entscheide, die unter der Howard-Regierung "immer mehr | |
politisiert worden" sei. Rudd habe es bisher versäumt, die Behörde | |
"auszumisten". | |
Mit Beendigung der Zwangsinternierung zieht Australien einen Strich unter | |
eines der schwärzesten Kapitel seiner Geschichte. Zwar hatte Labor-Premier | |
Paul Keating Anfang der 90er Jahre die Internierungspolitik begonnen. | |
Verfeinert und als politische Waffe genutzt aber wurde sie von seinem | |
erzkonservativen Nachfolger Howard. Dieser stand vor einer Wahlniederlage, | |
als vor der australischen Weihnachtsinsel das norwegische Frachtschiff | |
"Tampa" erschien. Es hatte über 300 vorwiegend afghanische Flüchtlinge aus | |
Seenot gerettet, die nach Australien gelangen wollten. | |
Howard verweigerte der "Tampa" die Einfahrt in australische Gewässer. Mit | |
der Begründung, es könnten unter ihnen Terroristen sein, ließ er das Schiff | |
von einer Eliteeinheit der Armee stürmen. Die erschöpften und kranken | |
Flüchtlinge wurden auf die isolierte Pazifikinsel Nauru verfrachtet. Damit | |
hatte Howard die "Pazifische Lösung des Flüchtlingsproblems" erfunden, wie | |
er die abschreckende Politik nannte. Die Vereinten Nationen kritisierten | |
sie als Verstoß gegen die Menschenrechte. | |
Kritiker warfen Howard vor, aus machtpolitischen Gründen Fremdenangst zu | |
schüren. Denn ein großes Problem waren die Flüchtlinge zu keiner Zeit. Im | |
Durchschnitt schafften es pro Jahr ein paar Dutzende durch die gefährlichen | |
Gewässer der Timorsee bis in australisches Territorium. Doch für Howard | |
ging die Rechnung auf: Kurz nach dem Tampa-Vorfall wurde er wiedergewählt. | |
Er bezeichnete alle Boat People als "Illegale", obwohl laut internationalem | |
Recht jeder Mensch in einem Drittland Asyl beantragen darf. Die Regierung | |
riegelte später im Norden die Seegrenzen ab. Alle aufgegriffenen | |
Bootsflüchtlinge mussten in Lager. Viele wurden durch lange Gefangenschaft | |
traumatisiert. Selbstmordversuche, Verstümmelungen, Gewalt und Krawalle | |
waren alläglich. Dabei waren die meisten Boat People echte Flüchtlinge laut | |
Definition der Vereinten Nationen. Schließlich wurden 98 Prozent anerkannt | |
und integrierten sich später in die australische Gesellschaft. | |
29 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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