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# taz.de -- Olympia-Schwimmerin Britta Steffen: Zartes Gemüt unter Druck
> Die Vorzeigeschwimmerin Britta Steffen lässt sich recht leicht
> beeindrucken. Doch in Deutschland hat man bereits ihre Olympiamedaillen
> fest eingeplant
Bild: "Ich bin ein kleines Sensibelchen": Britta Steffen.
Wie gut, dass Britta Steffen schon einmal da war. Von ihren schärfsten
Konkurrentinnen fehlte bei der Olympia-Generalprobe Anfang Februar zwar
jede Spur, die sportliche Entdeckungsreise in Pekings berühmtem "Water
Cube" brachte der Berlinerin aber trotzdem den gewünschten Erfolg.
Schließlich weiß die 24-jährige Freistilspezialistin immer gern, woran sie
ist. Und wo was ist.
Das gilt speziell für die gewaltige olympische Schwimmhalle mit ihren 177
Metern Länge und den 17.000 Zuschauerplätzen. Also hat sich die
Europarekordhalterin über 100 Meter Freistil vor dem Ernstfall informiert,
"wo der schnellste Weg zu den Toiletten ist und wo ich mich zur
Konzentration zurückziehen kann". Wichtiges Grundlagenwissen für eine Frau,
deren kometenhafter Flug an die Weltspitze vor zwei Jahren begleitet war
von Dopingverdächtigungen - und deren mentale Fitness bekanntlich
intensiver Extraschichten bedarf.
Denn beeindrucken lässt sich die angehende Wirtschaftsingenieurin von fast
allem: Die Diskussion über einen möglichen Olympia-Boykott machte ihr im
Frühjahr ebenso zu schaffen wie die aufgeheizte Debatte über die Wirkung
der neuen, supermodernen Schwimmanzüge oder die Spitzenzeiten ihrer größten
Widersacherinnen. Die Duftmarken der schnellen Damen hatten ihr "inneres
Ego angekratzt", so Steffen. Sie strich kurzerhand die 4 x
200-Meter-Staffel aus ihrem Olympia-Programm.
Als Egoistin wurde sie anschließend hingestellt. Vor allem entsprechende
Kommentare aus dem eigenen Team ließen sie den Tag nach ihrem Entschluss
komplett "depressiv verbringen". Sie sei, sagt Steffen, "eben ein kleines
Sensibelchen." Kurz vor den Spielen hat sich mit Franziska van Almsick eine
frühere Kollegin zu Wort gemeldet, die selbst schon erfolglos gegen den
Druck angekämpft hat, Deutschland mit einer olympischen Goldmedaille zu
beglücken. "Eine hochtalentierte Schwimmerin wie Britta", sagt van Almsick,
"muss lernen, sich selbst zu lieben."
Helfen ließ sich die heute 30-Jährige von denselben Personen, mit denen
Britta Steffen nun zusammenarbeitet: In der Schwimmhalle von Heimtrainer
Norbert Warnatzsch und dazwischen regelmäßig von der Berliner Psychologin
Friederike Janofske. Der große Unterschied zwischen den beiden
Schwimm-Ästhetinnen, abgesehen vom ungleichen medialen Glamourpotenzial:
Franziska van Almsick schoss bereits mit 14 ins olympische Rampenlicht, als
sie in Barcelona drei Staffelmedaillen und Bronze über 100 Meter Freistil
holte. Britta Steffen dagegen glänzte als 15-Jährige zunächst mit sechs
Titeln bei der Junioren-EM - denen sich frustrierende Olympia-Erlebnisse in
Sydney und Athen anschlossen.
Daraufhin hängte sie den Badeanzug an den Nagel - und machte sich nach
einem Jahr Beckenpause an den sportlichen Neustart. Die Leichtigkeit, mit
der die Schwimmerin unter Warnatzschs Anleitung dabei durchs Wasser pflügt,
geht Steffen abseits des Pools allerdings oft ab. Bei den Einzelstrecken in
Peking über 50 und 100 Meter Freistil gemeldet, könnte sie auf ihrer
Paradestrecke - den zwei Bahnen Kraul - sogar im Idealfall Probleme
bekommen. "Selbst wenn ich Gold gewinnen würde", sinniert Steffen vorab,
"wüsste ich nicht, ob ich mich richtig darüber freuen könnte." Der Grund:
"Weil es nur ein Ergebnis wäre, das die Erwartungen erfüllt."
Früher störte sich das zarte Gemüt der Schwimmerin mitunter gar daran, eine
Konkurrentin zu besiegen. Zumindest diese für eine Spitzensportlerin
unvorteilhafte Nächstenliebe scheint auf dem Weg nach China jedoch besiegt:
Am 19. Juli schwamm Britta Steffen in Magdeburg Europarekord über 100 Meter
Freistil und blieb dabei mit 53,05 Sekunden nur 17 Hundertstel unter dem
Weltrekord der Australierin Lisbeth Trickett. "Ein Rekord zu diesem
Zeitpunkt", kommentierte DSV-Schwimmchef Örjan Madsen die frischeste aller
vorolympischen Bestmarken anschließend knapp, "zeichnet Weltklasseathleten
eben aus."
4 Aug 2008
## AUTOREN
Andreas Morbach
## TAGS
Schwimmen
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