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# taz.de -- Hambüchen stürzt erneut vom Reck: "Klatschbumm und du liegst am B…
> Turnerhoffnung Fabian Hambüchen hat danebengegriffen - und vermasselt
> damit schon seine zweite Medaillenchance. Überlegen turnte der Chinese
> Yang Wei die Konkurrenz an die Wand.
Bild: Die Lockerheit ist futsch: Hambüchen greift erneut daneben.
PEKING taz Abgang vom Reck. Gestanden. Jetzt reckt er die Arme in die Höhe.
In diesem Moment weiß Yang Wei, dass er Olympiasieger im Mehrkampf der
Turner ist. Ein Aufschrei des Jubels geht durch die Halle. Doch es wird
schnell wieder ruhig. Noch steht die letzte Note, die für die Reckübung,
aus. Yang ist es zu ruhig. Er will sich feiern lassen. Er posiert wie ein
Bodybuilder, verbeugt sich, fordert Applaus ein. Er ist der König der
Turner. Endlich kommt das Ergebnis. 94,575 Punkte. Wieder geht ein
Aufschrei durch die Halle. So gut hat selten ein Mann geturnt. Doch Yang
scheint der Jubel nicht laut genug zu sein. Er will, dass eine ganz laute
Messe auf ihn gesungen wird.
Während auf der Bodenmatte das Siegerpodest aufgebaut wird, schleicht
Fabian Hambüchen auf die Journalisten zu, die direkt hinter dem
Arenaausgang auf ihn warten. Er weiß, dass er Yang an diesem Tag nicht
hätte schlagen können. Auch wenn ihm all die Fehler nicht unterlaufen
wären, die er heute gemacht hat. "Fantastisch", nennt er die Leistung des
neuen Olympiasiegers. Hambüchen wirkt anders als in den Tagen zuvor.
Angeschlagen. Die Lockerheit, mit der er sein Umfeld seit Jahren schon
verblüfft, sie scheint verflogen. Zu viel hat er vermasselt in Peking.
Schon beim Teamfinale am Dienstag war er vom Reck gestürzt. Gerade ist ihm
das wieder passiert. Wieder hatte er vor der letzten Übung alle Chancen auf
eine Medaille. Hätte er die gleiche Punktzahl erreicht wie in der
Qualifikation, er hätte die Halle mit einer Silbermedaille in der
Sporttasche verlassen. Wie es sich anfühlt, wenn man von Reck fällt, will
jemand wissen. Hambüchen wird richtig patzig: "Wie soll sich das schon
anfühlen. Klatschbumm und du liegst am Boden", sagte er.
In der Arena werden derweil die Medaillengewinner aufgerufen. Hinter dem
alle überstahlenden Yang hat der Japaner Kohei Uchimura Silber gewonnen.
Die Tränen der Freude in den Augen hat noch der Drittplatzierte Benoit
Caranobe. Der Franzose war noch nie so gut platziert in seiner Karriere.
Auch Uchimura, der seine Übung am Pauschenpferd wegen eines Fehlers
unterbrechen musste, hat alles andere als einen perfekten Auftritt gezeigt.
Zuverlässig aber nicht überragend turnte Caranobe auf allen sechs Geräten.
All das wusste Deutschlands kleiner Turnheld, als er zum Reck geschritten
ist. Es hätte klappen können. Der Fehler, den er am Gerät zuvor, dem
Barren, gemacht hatte, würde nichts ausmachen, wenn die Übung am Reck
durchturnen würde. Doch es machte klatschbumm. "Dumm gelaufen, dachte ich",
sagt Hambüchen hinterher. Nach seinem Abgang turnt er die ganze Übung noch
einmal. Diesmal bekommt er die Stange nach dem Salto mit ganzer Drehung
sicher in den Griff. "Ich habe gehofft, dass das vielleicht doch noch
reicht, aber das war natürlich utopisch." Vater Wolfgang steht neben seinem
Sohn und lächelt. Er wirkt ratlos. "Nach der Reckübung habe ich Fabian
gefragt, was schief gelaufen ist. Doch er hat nur gesagt 'Nicht jetzt!'"
Sein Sohn will noch etwas klarstellen. Sein verstauchter Finger, wegen dem
er in der Früh Schmerzmittel genommen hatte, habe nichts mit seiner
Leistung zu tun. Als schlechter Verlierer will er auf gar keinen Fall
dastehen.
Der Olympiasieger sitzt mittlerweile auf dem Podium im Pressekonferenzraum
neben Huang Yubin, seinem Trainer. Nein, wenn er sieht, dass vor ihm jemand
vom Reck fällt, könne ihm das nichts anhaben, meint er. "Druck von außen
verspüre ich nicht. Mein Druck kommt immer von innen." Doch, er sei nervös
gewesen. Schon seit zwei Tagen. Er habe nicht richtig schlafen können vor
dem Wettkampf, erzählt er. Vielleicht hat er an die letzten Olympischen
Spiele gedacht. In Athen war er es, der in Führung liegend, vom Reck
stürzte. Danach wollte er aufhören. Er sah in sich einen Versager und
suchte Abstand vom Turnen. "Ich war mir sicher, dass ich nie Gold gewinnen
werde, dass auch spezielles Training nichts bringen würde." Er blickt
hinüber zu seinem Trainer. Huang Yubin hat seinen besten Turner zum
Weitermachen überredet. "Er hat mich weiter angetrieben und schließlich hat
er mich auf den obersten Platz auf dem Siegerpodest katapultiert."
Fabian Hambüchen ist da schon längst abgezogen. Er, der sonst so redselig
ist, hat die Pressevertreter nach ein paar Sätzen stehen lassen. Seinen
letzten sagt er ganz laut: "Schade, aber ich habe ja noch drei Chancen."
Hambüchen hat den Glauben an eine Olympiamedaille nicht verloren. Er turnt
noch in drei Gerätefinals: am Boden, am Barren und am Reck, seinem
Schicksalsgerät. Er weiß: Entweder machte es klatschbumm oder es gibt Gold.
So einfach ist das und doch so schwer.
14 Aug 2008
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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