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# taz.de -- Studie zu Abwanderung: Europas Osten zieht westwärts
> Die Demografiestudie des Berlin-Instituts zeigt: Polen, Bulgarien und
> Rumänien leiden unter Abwanderung. In Moldawien fehlt bereits ein Drittel
> der jungen Generation.
Bild: Deutsche Baustelle, auf der Dutzende polnische Arbeiter beschäftigt sind.
Jeden Abend brechen vom Busbahnhof in Oppeln, einer südpolnischen Stadt mit
130.000 Einwohnern, zwanzig Reisebusse nach Westen auf. Hinzu kommen
unzählige Kleinbusse und Fahrgemeinschaften. Ein Zehntel der Menschen im
Bezirk Oppeln arbeitet im Ausland, in manchen Dörfern sind mehr als die
Hälfte aller Männer in Westeuropa unterwegs. Im Schnitt verliert die Region
zwischen Breslau und Kattowitz jährlich ein Prozent ihrer Bevölkerung, bis
zum Jahr 2030 wird nach Prognosen ein Fünftel der Bewohner verschwunden
sein.
"Hunderttausende Osteuropäer haben sich auf Wanderschaft begeben und reißen
Lücken in ihren Heimatländern", sagt Reiner Klingholz. Der Direktor des
Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung stellte gestern die Studie
"Die demografische Zukunft von Europa - Wie sich die Regionen verändern"
vor. Die Zeitschrift Geo präsentiert die wichtigsten Ergebnisse in ihrer
Septemberausgabe, eine ausführliche Version erscheint im Deutschen
Taschenbuch Verlag.
Die Studie analysiert die Bevölkerungsentwicklung in 285 Regionen der 27
EU-Länder sowie Norwegens, Islands und der Schweiz. In Polen, Irland,
Frankreich, Schweden und Bulgarien porträtiert sie Gebiete, die sich
besonders stark verändern. Klingholz nennt sie "Vorbilder für die Zukunft
Europas: mobiler, bunter und innovativer als heute".
Diese Beschreibung trifft sicher auf Irland zu, dessen Wirtschaftsboom der
90er Jahre nicht zuletzt auf dem Zustrom billiger Arbeitskräfte aus Polen
und dem Baltikum beruhte. Als preiswerte Shuttles dienen neben Bussen die
Billigflieger. In Irland spricht man in Anspielung auf die dort ansässige
Fluggesellschaft von der "Ryan-Workforce" oder vom "Easy-Jetset". Teils
setzen die Streckenplaner die Wanderung erst in Gang: In den ersten
Maschinen auf neuen Routen sitzen häufig Arbeitsvermittler, die das Terrain
erkunden.
Alles andere als bunt und innovativ geht es dagegen jenseits der
EU-Außengrenze zu. Staaten wie die Ukraine oder Weißrussland haben mit der
Abwanderung in Nachbarländer wie Polen und Rumänien zu kämpfen. "Moldawien
lag zwar außerhalb unseres Samples, aber wir schätzen, dass dort ein
Drittel der jungen Leute fehlt", berichtet Institutschef Klingholz. Wie die
Studie am Beispiel Bulgarien zeigt, schützt aber auch ein Beitritt zur EU
keineswegs vor Abwanderung.
Von der Migration profitieren Schweden, das wie Irland lange ein
Auswanderungsland war, sowie Großbritannien, die Niederlande und Teile von
Spanien und Frankreich. Dennoch kommen auch auf Westeuropa demografische
Probleme zu. Trotz steigender Einwohnerzahlen und überdurchschnittlich
vieler Geburten "altert selbst das kinderreiche Frankreich", betont
Forscher Klingholz.
Die Spitzenpositionen im Ranking nehmen Island sowie die Hauptstadtregionen
Oslo und Stockholm ein, es folgen sechs Regionen der Schweiz. Deutschland
beschreibt die Studie als "gespalten": mit Oberbayern am oberen und
Sachsen-Anhalt am unteren Ende der Tabelle. Als Indikatoren nennt Stefan
Krohnert vom Berlin-Institut einen großen Anteil der unter 35-Jährigen an
der Bevölkerung, hohe Kinderzahlen bei gleichzeitig hoher
Frauenerwerbsquote sowie Bildungsinvestitionen und ein hohes
Qualifikationsniveau.
Am schlechtesten schneiden die peripheren Regionen Osteuropas, aber auch
Süditalien und Griechenland ab: Sie sind durch wenig Geburten,
"Vergreisung" und Abwanderung gekennzeichnet. Die Studie zieht Verbindungen
zwischen demografischer Schwäche und konservativer Familienpolitik: "Je
mehr Frauen im Beruf stehen, desto höher ist die Kinderzahl."
Die Forscher sagen voraus, dass die EU-Bevölkerung ohne Zuwanderer bis 2050
um 52 Millionen auf 447 Millionen schrumpfen wird. Als Strategie für eine
"alternde, aber dennoch innovative Dienstleistungsgesellschaft" empfiehlt
Reiner Klingholz einen Politikmix, der die Vielfalt der Vorbilder nutzt:
"Erfolgreiche Integration wie in Schweden, die Bildungspolitik Finnlands
kombiniert mit französischer Familienförderung."
21 Aug 2008
## AUTOREN
Thomas Gesterkamp
## TAGS
Landwirtschaft
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