# taz.de -- Fragwürdiges aus der Molekularküche: Kulinarische Schaumschläger… | |
> Gourmetköche und Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut diskutierten in | |
> Mainz über Risiken und Nebenwirkungen der Molekularküche, Zusatzstoffe | |
> und Gartemperaturen. | |
Bild: Der spanische Avantgardekoch Dani Garcia zeigt deutschen Sitzenköchen di… | |
Die molekulare Küche brachte uns Goldspaghetti aus Kalbsfond, Eis in | |
Pulverform und zahllose Schäume und Geleevariationen. Doch jetzt melden | |
sich die Kritiker lautstark zu Wort - Effekthascherei sei das alles und die | |
Zusatzstoffe gesundheitsgefährdend, so ihr Credo. Die deutschen | |
Kontrahenten trafen sich am Montag auf einem Symposium beim ZDF in Mainz, | |
wo rund 250 Gastronomen und Wissenschaftler über die molekulare Küche | |
diskutierten. Dabei ging es vor allem um Ernährung und nur wenig um | |
Geschmack. | |
"Die Techniken und Produkte gibt es seit 30 Jahren in der industriellen | |
Produktion", sagte Journalist Jörg Zipprick, der seine vor kurzem im Stern | |
geäußerte Generalkritik an der molekularen Küche in Mainz erneut | |
vorbrachte. Er warnte insbesondere vor der Überdosierung von Zusatzstoffen, | |
die der Verbraucher bislang als E-Nummern aus der Lebensmittelindustrie | |
kennt. Bei seinen Recherchen sei er auf viele Menschen gestoßen, die nach | |
dem Besuch von molekularen Restaurants über Durchfall oder Übelkeit geklagt | |
hätten. Sternegastronomen sollten deshalb auf der Speisekarte die | |
verwendeten Substanzen angeben. | |
Selbst der Mitbegründer der Molekularküche Ferran Adrià, so Zipprick, | |
verwende zu hohe Mengen risikobehafteter Zusatzstoffe und so zielten manche | |
Rezepte mitunter einzig darauf ab, minderwertige Produkte aufzupeppen. Das | |
sei für die Spitzengastronomie auszuschließen, sagte Joachim Wissler, | |
Küchenchef im Vendome im Grandhotel Schloss Bensberg. "Ich verwende | |
Zusatzmittel nur äußerst sparsam und ausschließlich mit dem Ziel, den | |
Geschmack zu verbessern", so Wissler, der sich beim Einsatz der | |
Zusatzstoffe durch Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut beraten lässt. | |
Vilgis, theoretischer Physiker am Max-Planck-Institut und Autor eines | |
Kochbuchs zur Molekularküche, zeigte anhand der Molekülstruktur des | |
Xanthan, dass dieses Geliermittel wie ein löslicher Ballaststoff wirkt, | |
ohne die Abläufe im Körper zu beeinflussen. Er plädierte für die gezielte | |
Nutzung einzelner Substanzen und warnte vor Fertigmischungen, die eine | |
Vielzahl von Substanzen kombinieren. Deren Auswirkungen im Körper seien | |
durch die Komplexität der Abläufe unvorhersehbar. | |
Ebenfalls unerforscht ist, wie aus Inhaltsstoffen Geschmackserlebnisse | |
werden. "Wir verstehen noch nicht, was mit Substanzen beim Kochen | |
passiert", sagt Lebensmittelchemiker Andreas Dunkel von der TU München. | |
Auch die Verarbeitung im Körper sei oft ein Rätsel. Zum Teil habe die | |
Molekularküche die Forschung bereits befördert. "Heston Blumenthal hat zum | |
Beispiel herausgefunden, dass der Kern einer Tomate intensiver im Geschmack | |
ist als die Schale." Wissenschaftler gingen dem nach und fanden heraus, | |
dass die inneren Teile der Tomate mehr Glutaminsäure enthalten. "Das ist | |
das Kerngeschmacksstück der Tomate", so Dunkel. Diese Substanz ist auch der | |
Grund, warum man rohe Tomaten oft salzt, denn dadurch entsteht das | |
geschmacksverstärkende Natriumglutamat. | |
Dass sich selbst das begrenzte Wissen schon genussvoll nutzen lässt, auch | |
wenn man nur mit groben Modellen arbeitet, zeigten Spitzengastronomen in | |
einer Kochdemonstration. Diese bewies gleichzeitig, dass es in der | |
molekularen Küche nicht nur um das Einrühren von Pülverchen geht, sondern | |
auch um neue Küchentechniken. Sternekoch Thomas Bühner vom Restaurant La | |
Vie in Osnabrück zum Beispiel bereitete ein Steinbuttfilet nach der | |
Sous-Vide-Methode zu - ganz ohne Zusatzmittel. Dazu garte er einen | |
vakuumverpackten Fisch bei einer Temperatur von ca. 55 Grad Celsius. | |
"Dadurch bleiben die Eiweißverbindungen stabil und der Geschmack ist | |
besser", so Bühner. Für die Breitenwirkung der molekularen Küche werden | |
solche oft unspektakulären und hobbykochtauglichen Küchentechniken | |
vermutlich wesentlich entscheidender sein als die Verwendung der | |
Zusatzstoffe. Diese sind durch Fastfood-Ketten und Nahrungsmittelindustrie | |
ohnehin bereits massenhaft im Umlauf. | |
5 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Oliver Küch | |
## TAGS | |
Reiseland Spanien | |
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