# taz.de -- Steuerzahler müssen haften: Rettungspaket für Hypo Real Estate | |
> Der Bund beteiligt sich an einer Bürgschaft für den Immobilienfinanzierer | |
> Hypo Real Estate mit 27 Milliarden Euro. Auch andere Banken in Europa | |
> haben schwer zu kämpfen. | |
Bild: Belastung für den Steuerzahler: Die Hypo Real Estate. | |
BERLIN taz Die weltweite Finanzkrise hat zum ersten Mal eine deutsche | |
Großbank erwischt: Die Hypo Real Estate muss durch Bürgschaften in Höhe von | |
35 Milliarden Euro gerettet werden. Davon übernimmt der Bund 26,6 | |
Milliarden Euro; den Rest tragen privatwirtschaftliche Banken. Allerdings | |
muss der Haushaltsausschuss des Bundestages noch zustimmen, der am Dienstag | |
zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Zudem wurde die EU-Kommission nicht | |
vorab informiert, die sich nun eine gründliche Prüfung vorbehält. | |
Die Hypo Real Estate ist durch ihre irische Tochter Depfa ins Schleudern | |
geraten, die sie überhaupt erst im letzten Jahr übernommen hatte. Damals | |
schien dieser Erwerb eine gute Idee zu sein, denn die Depfa ist auf | |
Staatsbauten spezialisiert und dieses Geschäft gilt als besonders | |
risikoarm. Was nun zum Problem wurde: Die Depfa hat langfristige Kredite | |
kurzfristig refinanziert, um die Zinsdifferenz auszunutzen. Jahrelang | |
funktionierte dieses Geschäftsmodell, doch jetzt sind die Banken kaum noch | |
bereit, sich untereinander Geld zu leihen - zu groß ist das Misstrauen, | |
dass die anderen Institute durch die weltweite Finanzkrise in | |
Schwierigkeiten geraten könnten. Bei der Depfa drohte ein | |
Liquiditätsengpass. | |
Trotz der Rettungsaktion brach der Kurs der Hypo Real Estate am Montag | |
zeitweise um mehr als 75 Prozent ein - das ist der größte Verlust, der | |
jemals bei einem DAX-Wert verzeichnet wurde. | |
Verwirrung stiftete zudem, dass sich das Bundesfinanzministerium am | |
Montagmorgen etwas unklar über die Zukunft von Hypo Real Estate ausließ: | |
Ziel sei die "geordnete Abwicklung", sagte ein Ministeriumssprecher, der | |
auch von einem "geordneten Untergang" sprach. | |
Das sieht die Krisenbank selbst ganz anders: Zumindest Hypo Real Estate | |
glaubt noch an die eigene Zukunft. Die Bürgschaften sichern Kredite eines | |
Bankkonsortiums ab - und damit sei der Refinanzierungsbedarf "auf absehbare | |
Zeit gedeckt", wie es optimistisch auf der Homepage von Hypo Real Estate | |
heißt. Experten rechnen allerdings damit, dass Abschreibungen in | |
Milliardenhöhe fällig werden. | |
Die Anleger reagierten geschockt auf die Krise bei der Hypo Real Estate: | |
Der DAX brach bis zum Nachmittag um drei Prozent auf 5.878 Punkte ein. Auch | |
andere Finanztitel gerieten in Mitleidenschaft - vorneweg die Commerzbank, | |
die erneut fast 18 Prozent verlor. | |
Die Anleger beunruhigte auch, dass die Hypo Real Estate keineswegs die | |
einzige europäische Bank ist, die übers Wochenende gerettet werden musste. | |
So griffen Belgien, Luxemburg und die Niederlande bei Fortis ein - und | |
kauften Sonntagnacht für 11,2 Milliarden Euro 49 Prozent des | |
Finanzkonzerns. "Sonst wäre sehr die Frage gewesen, ob Fortis den | |
Montagmorgen noch überlebt hätte", sagte der niederländische Finanzminister | |
Wouter Bos hinterher. | |
Auch Fortis war letztlich in Not geraten, weil Kreditgeber kein weiteres | |
Geld mehr herausrücken wollten. Im vergangenen Jahr hatte Fortis die ABN | |
Amro Bank für 24 Milliarden Euro übernommen - was sich nun als deutlich | |
überteuert herausgestellt hat. Zudem wurde dieser Deal damals weitgehend | |
über Schulden finanziert, für die nun keine Geldgeber mehr zur Verfügung | |
standen. Die Benelux-Regierungen geben sich aber überzeugt, dass Fortis im | |
Kern gesund ist: Das Engagement auf dem krisengeschüttelten | |
US-Hypothekenmarkt sei "übersichtlich". ABN Amro soll jetzt wieder verkauft | |
werden, für mindestens 12 Milliarden Euro. Allerdings fragt sich, ob sich | |
ein Interessent findet: Kaum wurde bekannt, dass die niederländische ING | |
als Käufer in Frage kommen könnte, sank deren Börsenkurs ebenfalls kräftig. | |
Auch die britische Regierung musste am Wochenende aktiv werden: Sie | |
verstaatlichte die Hypothekenbank Bradford & Bingley und übernahm ein | |
Portfolio von 50 Milliarden Pfund, das zum großen Teil riskante Anlagen wie | |
Immobilienkredite enthält. 18 Milliarden Euro musste der Finanzminister | |
zuschießen, um die Bank vor der Pleite zu bewahren. Bradford & Bingley ist | |
bereits die zweite britische Bank, die in Staatsbesitz übergeht: Im Februar | |
wurde die Hypothekenbank Northern Rock vor dem Konkurs gerettet. | |
In Großbritannien ist die Lage der Banken besonders prekär, weil die | |
Immobilienpreise rasant fallen - die Häuser haben innerhalb von nur einem | |
Jahr 10 Prozent an Wert verloren. Die Folge: Inzwischen sind die Immobilien | |
häufig weit weniger wert als die Hypotheken, die sie besichern sollen. | |
Gleichzeitig stecken viele Briten in der Schuldenfalle: Wenn sie ihre | |
Kredite nicht mehr bedienen können, nutzt es ihnen nichts, ihre Häuser zu | |
verkaufen - bleiben sie doch weiterhin auf einem Teil der Schulden sitzen. | |
Bei den Banken wiederum fallen entsprechende Abschreibungen an. Experten | |
rechnen damit, dass diese Deflationsspirale noch längst nicht ihr Ende | |
erreicht hat. Gerade aus Großbritannien und den USA sind daher weitere | |
Bankpleiten zu erwarten. | |
Vorerst aber scheint es mit der Dexia eine weitere Bank in Belgien und | |
Frankreich zu treffen. Der belgische Premier Yves Leterme deutete eine | |
Rettungsaktion an. Zuvor waren die Aktien des französisch-belgischen | |
Instituts um 30 Prozent abgestürzt. Die Europäische Zentralbank (EZB) | |
pumpte unterdes am Montag 120 Milliarden Euro in den Markt, um die Stimmung | |
zu beruhigen. | |
. | |
29 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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