| # taz.de -- Streik bei bedrohtem Radiosender: Multikulti sendet auf Sparflamme | |
| > Die freien Mitarbeiter von Radio Multikulti wollen mit | |
| > Arbeitsniederlegungen gegen die Schließung der RBB-Welle protestieren. | |
| > Die Angestellten machen beim Streik nicht mit - weil sie nicht dürfen und | |
| > ihre Jobs auch nicht bedroht sind. | |
| Bild: Dagmar Reim versteckt sich hinter der ARD. | |
| Spät kommt der Protest, aber gewaltig soll er werden. Die freien | |
| Mitarbeiter von Radio Multikulti haben angekündigt, heute nicht zu | |
| arbeiten. Sie wollen sich vor dem RBB-Fernsehzentrum treffen und gegen die | |
| geplante Schließung der Hörfunkwelle zum Jahresende demonstrieren. "Es muss | |
| Schluss sein mit dem Sparen auf dem Rücken der Freien", sagte Mitarbeiterin | |
| Hilde Van Poucke der taz. "Wir von Multikulti sind zwar am schlimmsten | |
| betroffen, aber die Freien bei anderen Wellen werden das auch spüren." Wenn | |
| Multikulti-Angestellte von anderen Programmen übernommen würden, würden | |
| Freie dort verdrängt. | |
| Mit Unterstützung von Ver.di wollen die Journalisten ihrer Forderung nach | |
| einem Moratorium für Multikulti Nachdruck verleihen. Laut Ver.di soll | |
| Intendantin Dagmar Reim abwarten, ob und wie die Gebühren innerhalb der ARD | |
| neu verteilt werden. Davon nämlich könnte der Rundfunk Berlin-Brandenburg | |
| (RBB) profitieren - in der Region sind besonders viele Menschen von den | |
| Gebühren befreit. | |
| Der RBB hatte im Frühjahr beschlossen, das multikulturelle Radio sowie das | |
| TV-Magazin "Polylux" zum Jahresende zu schließen. Hintergrund ist, dass 54 | |
| Millionen Euro eingespart werden müssen. Politiker und Migrantenverbände | |
| protestierten heftig gegen den Beschluss - die Mitarbeiter indes hielten | |
| sich bisher zurück. | |
| Warum sie nicht eher aufmuckten, weiß Ver.di-Gewerkschaftssekretär Dietrich | |
| Peters nicht. "Das müssen die Kollegen schon selber wollen und selber | |
| machen", sagte er. Van Poucke sagte, die Mitarbeiter hätten sehr wohl | |
| protestiert, allerdings eher mit Einzelaktionen. "Und im Prinzip ist es | |
| natürlich ein bisschen merkwürdig: Wenn wir jetzt nicht arbeiten, kann | |
| Multikulti nicht senden - das ist ja genau das, was Reim will." | |
| Nach Van Pouckes Einschätzung arbeiten bei Multikulti weit mehr als 100 | |
| Freie, die Mitarbeiter beim deutschsprachigen Programm treten komplett in | |
| den Ausstand. Wie viele von den anderen RBB-Sendern mitmachen, ist offen: | |
| Viele trauen sich offenbar nicht. "Der Kampf um den Knochen wird | |
| schlimmer", bestätigte Van Poucke. | |
| Die angestellten Redakteure streiken nicht mit. Sie haben ein Notprogramm | |
| vorbereitet. Laut Van Poucke dürften die Servicetipps wegfallen, die | |
| Nachrichten müssen eingekauft werden - und auf Liveschalten müssen die | |
| Moderatoren wohl auch weitgehend verzichten. Ver.di-Medienexperte Peters | |
| verteidigte die Festangestellten. Ihnen fehle die rechtliche Grundlage für | |
| eine Arbeitsniederlegung - dafür hätten zunächst Verhandlungen scheitern | |
| müssen. "Man muss sich schon an die Spielregeln halten", sagte er. | |
| Redakteur Axel Barckhausen erklärte zudem, auch inhaltlich fehle die Basis | |
| für einen Streik - ihm drohe keine Arbeitslosigkeit, er werde eine andere | |
| Stelle erhalten. "Als Redakteur kann ich mich nicht beschweren, als | |
| Anhänger finde ich die Schließung von Multikulti natürlich daneben." | |
| KRISTINA PEZZEI | |
| 2 Oct 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Kristina Pezzei | |
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