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# taz.de -- Heizpilze: Schulz gets the Blues
> Seit zehn Jahren versorgt Michael Schulz die Berliner Cafés mit
> Wärmestrahlern. Seit die Bezirke den Heizpilzen den Kampf angesagt haben,
> ist das Geschäft fast erloschen. Ein Besuch zum Saisonbeginn.
Bild: Raucher müssen künftig frieren
Michael Schulz ist ein Feindbild. In einer Zeit, in der Umweltschutz zum
guten Ton gehört und der Klimakiller Kohlendioxid auf den Indizes steht,
ist der Heizpilzverleiher ein Buhmann. Wildfremde Menschen kommen zu Schulz
ins Geschäft, nennen ihn einen Umweltsünder und verteufeln sein
Unternehmen.
Vor kurzem haben auch die Bezirksämter dem Geschäftsmann den Krieg erklärt.
Pankow hat die Heizpilze bereits verboten, andere ziehen nach - und Schulz
gets the Blues. "Berufsverbot", schimpft er. Dabei war vor wenigen Jahren
der Zeitgeist noch ein völlig anderer.
Michael Schulz, der Buhmann, sitzt an seinem Schreibtisch in Schöneberg und
wippt mit dem Stuhl. Seine Arme sind tätowiert, eine schwarze Sonnenbrille
ziert die gestriegelten Haare. Das Feuerzeug klippt, die Zigarette ist an
und Schulze sagt Sätze wie diese: "CO2 ist kein Gift. Ohne CO2 könnten wir
gar nicht leben."
Wahrscheinlich muss er so was sagen. Schulz ist in Berlin Marktführer.
2.300 Wärmestrahler hat der Unternehmer seit Geschäftsgründung 1997 schon
in der Republik aufgestellt. Die Hälfte davon in der Hauptstadt. 500
Propangasmaschinen warten in seinem Depot auf Einsätze - eine Zahl, die
niemand sonst vorweisen kann. Schulzes Heizstrahler wärmen Restaurantgäste
am Hackeschen Markt. Sie schützen Raucher in der Oranienburger Straße vor
Erfrierung. Und selbst vor dem Hotel Adlon sorgen Schulzes Wärmestrahler
für einen wohligen Abend mit Blick auf das Brandenburger Tor.
Wer mit dem Heizpilzunternehmer diskutieren will, muss gut informiert sein.
Denn Schulz kennt die Argumente. Endlos zitiert er Studien des
Max-Planck-Instituts, wonach ein Zusammenhang zwischen Wärmestrahlern und
Klimawandel nicht existiert. Von Berlins Grünen erzählt er selbstgefällig,
deren letzte Wahlparty wäre mit seinen Heizpilzen über die Bühne gegangen.
Mittlerweile redet die Partei von "Giftpilzen" und Verleiher Schulz ist
stinksauer: "Klar kann man sich einen warmen Pullover anziehen", ätzt er
und zieht an seiner Zigarette.
Dem Heizpilzverleiher beginnt nach zehn Jahren Firmenexistenz der heiße
Wind selbst ins Gesicht zu wehen. Im August erklärten nach Pankow auch die
Bezirke Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und
Tempelhof-Schöneberg, den Betrieb von Heizstrahlern auf öffentlichem
Straßenland verbieten zu wollen. Der Pankower Stadtrat Holger Kirchner
(Grüne) erklärte: Er wolle niemanden am Draußensitzen hindern. "Aber man
muss sich im November nicht im Freien beheizen lassen."
Für Michael Schulz bedeutet dieses Verbot das Aus. Sagt er. Der
Schöneberger Verleiher, der sich sogar das Wort "Heizpilz" patentieren
ließ, hat bereits zwei seiner drei Angestellten vor die Tür setzen
müssen,nachdem der Umsatz um 30 Prozent eingebrochen war.
Ein Verbot trifft den Berliner Marktführer auch deshalb so hart, weil
Schulz bisher ausschließlich auf Heizpilze setzte - ein Risiko angesichts
des Bündnisses, das die Wärmestrahler aus dem Straßenbild verbannen will.
Und das Bündnis wächst.
"Früher", sagt Schulz, "waren alle begeistert." Heute wirkt der Verleiher
beleidigt, wenn er Zeitungsartikel aus dem Jahre 2004 über den Tisch
schiebt. Damals schrieb das Stadtmagazin Zitty: "Danke, Heizpilz, du
tröstende Turbine, du köstliche Kartusche." Vier Jahre und zahlreiche
Klimagipfel später liest sich die Hommage auf den wärmenden Edelstahlklotz
wie beißender Spott.
Das neue grüne Gewissen ist für Schulz zum Problem geworden. Eine Zeit lang
versuchte der Geschäftsmann, gegenzusteuern. Er glaubte, das grüne
Lebensgefühl auch mit Heizstrahlern kompatibel machen zu können. 423 Bäume
hat der Geschäftsmann im letzten Jahr pflanzen lassen. Einen für jeden
verkauften Heizpilz.
Vorbild dieser Aktion ist die gemeinnützige Klimaschutz-Agentur Atmosfair,
die auf Ausgleichszahlungen für Flüge spezialisiert ist. Eine
Zusammenarbeit mit dem Heizpilzunternehmer lehnte aber "Atmosfair" ab.
Seither bereinigt ein Brandenburger Forstingenieur das schlechte Gewissen
derjenigen, die auch im Winter vor der Türe nicht frieren wollen. Doch
selbst diese PR-Kampagne hat Schulz nichts gebracht.
Die Not des existenzbedrohten Unternehmers geht so weit, dass er selbst die
Hilfe der Berliner FDP in Anspruch nimmt. Schulz hält ein
Argumentationspapier der Partei in den Händen und zitiert noch einmal: "Ein
Heizpilz, der 800 Stunden betrieben wird, hat vergleichbare Emissionswerte
wie eine Katze in einem Jahr, berechnet man die Emissionswerte, die bei der
Produktion von Futter und Katzenstreu frei wird." Schulz ist verzweifelt.
Noch liegt das lukrative Geschäft nicht völlig am Boden. Vor zwei Wochen
hat die Hauptsaison begonnen. Das Rauchverbot treibt die Menschen
massenhaft auf die Straßen - und die Restaurantbesitzer greifen an diesen
Kältetagen zum Telefon. Sie wählen die Nummer von Michael Schulz und
bestellen "Burny 13 kg Edelstahl" - das zuverlässigste Gerät, um trotz
frostiger Temperaturen kuschlige Abende im Freien zu verbringen.
Der Mann mit den tätowierten Armen und der Sonnenbrille im Haar muss los.
Vor der Türe sagt er noch: "Die Welt wird nicht gerettet, wenn ich keine
Heizpilze mehr verkaufe." Modell Pyramidenfackel flackert währenddessen
lustig vor sich hin.
6 Oct 2008
## AUTOREN
Hannes Vollmuth
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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