# taz.de -- Finanzkrise esoterisch: Politikerin sucht Rat bei Sternen | |
> Wo Politiker ihren Rat zur Finanzkrise einholen: Eine norwegische | |
> Abgeordnete telefonierte exzessiv mit Wahrsagern - und benutzte ihr | |
> Diensthandy. | |
Bild: Hochkonjunktur in der Krise: Wahrsagen als letzte Rettung. | |
Sie hatte in neun Monaten 793-mal und insgesamt 133 Stunden vom Diensthandy | |
aus mit einer Astro-Hotline telefoniert. Über ihren Glauben an die | |
Fähigkeiten von WahrsagerInnen stolperte jetzt Saera Khan. Eine der | |
prominentesten norwegischen PolitikerInnen mit Migrantenhintergrund war die | |
aus Bangladesch stammende 29-Jährige. Sie saß für ihre sozialdemokratische | |
Partei erst mehrere Jahre im Osloer Stadtrat und war seit 2005 im | |
norwegischen Parlament aktiv. Die Karriere ist nun vorbei. | |
Am Mittwoch vergangener Woche musste sie ihre Abhängigkeit von | |
übersinnlichen RatgeberInnen eingestehen. Der Parlamentsverwaltung war eine | |
vielfach über dem Durchschnittsniveau liegende Telefonrechnung aufgefallen. | |
Zwar wird nicht kontrolliert, welche Nummern die Abgeordneten anrufen. Doch | |
durchbrechen diese ein gewisses Dach, wird um Erklärung gebeten. | |
Worauf Saera Khan erst behauptete, einen Freund zu haben, der derzeit für | |
die norwegische Armee bei der Isaf-Truppe in Afghanistan Dienst tue. Und da | |
seien wohl einige teure Gespräche mit dessen Satellitentelefon | |
dabeigewesen. Dummerweise gab es gar keinen solchen Soldaten und das | |
fragliche Satellitentelefon auch nicht. | |
Auch Ausrede zwei und drei standen unter keinem guten Stern. Weder gab es | |
die ganz geheime Geheimtruppe, zu der der angebliche Freund wegen eines | |
"extrem gefährlichen Auftrags" nunmehr angeblich gehörte, weshalb er auf | |
den offiziellen Personallisten nicht auftauche. Und auch die plötzliche | |
Erinnerung, er schiebe ja gar nicht für die norwegische Truppe Dienst, | |
sondern sei im Auftrag ihrer Majestät auf Terroristenjagd, erwies sich nach | |
einer aus London eingeholten amtlichen Auskunft als Lüge. | |
Die "Suche nach alternativer Wegleitung", die Khan dann als Ursache der | |
immensen Telefonrechnungen zugestand, konnten das Vertrauen ihrer Partei | |
nicht wieder herstellen. "Ein trauriger Tag für Saera", sagte die | |
Fraktionsvorsitzende Hill-Marta Solberg und wollte nicht näher | |
kommentieren, ob es nun die mehrfachen Unwahrheiten oder die Abhängigkeit | |
von der gläsernen Kugel war, welche der Genossin die weitere politische | |
Karriere kosteten. | |
Dass PolitikerInnen die Zukunft in den Sternen zu finden hoffen, ist gar | |
nicht so selten. Bekannt ist dieser Glauben von den französischen | |
Expräsidenten Charles de Gaulle und François Mitterrand. Und der ehemalige | |
US-Präsident Ronald Reagan ließ weite Teile seines Lebens und seiner | |
Politik von Astrologinnen und Kaffeesatzguckern bestimmen. Seine | |
Hausastrologin Joan Quigley erstellte ihm für jede Woche einen festen | |
Arbeitsplan. | |
Aufgrund ihrer Vorhersagen musste der Stabschef im Weißen Haus auf dem | |
Terminkalender die Wochentage in drei verschiedenen Farben einfärben: Für | |
"gut", "schlecht" und "unsicher". An "schlechten" Tagen verbot Ehefrau | |
Nancy dem Präsidenten, das Weiße Haus überhaupt zu verlassen. Und nur mit | |
Mühe gelang es dem Präsidentenstab im Januar 1987, Ronald Reagan zur | |
jährlichen Rede über die Lage der Nation vor den Kongress zu bringen: | |
Uranus und Saturn standen nämlich in einer unheilvollen Konstellation und | |
Quigley hatte Hausarrest angeordnet. | |
Die Sache flog 1988 auf, als ein Exstabschef die Eheleute Reagan als | |
Wahrsage-Gläubige outete. Und statt dies zu bestreiten, worum Nancy Reagan | |
Quigley gebeten hatte, erzählte diese in den Medien offen über ihren | |
Reagan-Job. | |
Ob Saera Khan die erhoffte politische Wegleitung erhielt, muss man mit dem | |
Fazit in der Hand wohl bezweifeln. Doch behauptet ihre angebliche | |
Stammwahrsagerin, sie habe der Abgeordneten dringend geraten, diese | |
Telefonate einzustellen. | |
Auf der nun vom Staatsbankrott bedrohten Sagen-Insel Island geht der Glaube | |
an Übersinnliches, an Geister und Trolle ja so weit, dass schon mal ein | |
Hausfundament oder der geplante Verlauf einer Straße verlegt wird, wenn | |
eine Elfenseherin dies empfiehlt. Dortige FinanzpolitikerInnen und Banker | |
scheinen sich bei dieser Quelle in den letzten Jahren aber keinen Rat | |
geholt zu haben. | |
14 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
Reinhard Wolff | |
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Zukunft | |
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