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# taz.de -- Action an der Nordwand: Der Berg brüllt
> Der Regisseur Philipp Stölzl hat mit "Nordwand" das Genre des Bergfilms
> wiederbelebt: Das solide Actionspektakel will den historischen Kontext
> nicht außer Acht lassen.
Bild: Der Bergsteiger Toni Kurz (Benno Fürmann) kämpft ums Überleben.
In jenen Tagen, als der Drang in die Vertikale noch nicht "Mountaineering"
heißt, sondern "heroischer Alpinismus", suchen zwei junge Burschen aus
Berchtesgaden die größte denkbare Herausforderung: die Ersten zu sein, die
den Gipfel des Eiger über dessen berüchtigte Nordwand erreichen.
Zur gleichen Zeit bereitet Deutschland sich hinter den Kulissen schon auf
Krieg und Völkervernichtung vor, aber noch spielt man für seine Nachbarn
die weltoffene, im Aufbruch befindliche Nation voller tatendurstiger
Jungmänner. Berlin steht kurz vor Olympia. Am Fuße der Steilwand in der
Schweiz campieren Teams aus ganz Europa. Die Meldung, dass ein deutsches
Team, von schroffen Wetterwechseln und Steinschlag gefährdet, als Erstes
die knapp zwei Kilometer hohe Felswand ersteigen könnte, ist für das
Deutsche Reich der passende Auftakt in diesen Sommer 1936.
Damit ist in etwa die historisch gesicherte Ausgangslage für Philipp
Stölzls Bergsteiger-Drama "Nordwand" umrissen. Der Berg, der Mann, der
Mythos, der Flirt mit dem Heldentod, die spektakulären Landschaftsaufnahmen
und ein dem Fels abgetrotzter Existenzialismus: Es war wohl nur eine Frage
der Zeit, bis das deutsche Kino wieder ein Genre auf die Leinwand bringen
würde, das lange Zeit nicht nur als ideologisch fragwürdig, sondern vor
allem als altbacken (Lederhosen!) galt.
Deshalb geht Stölzl auf Nummer Sicher und modernisiert erst mal das
moralische Zentrum des Films in Gestalt von Luise (Johanna Wokalek), aus
deren Sicht wir die Ereignisse dieses Juli 1936 berichtet bekommen. In den
Geschichtsbüchern steht zwar nichts davon, dass Toni Kurz (Benno Fürmann)
eine Freundin gehabt hätte, die aus dem zu engen Berchtesgaden nach Berlin
entkommen wollte, um dort als Journalistin Karriere zu machen, aber Stölzl
braucht ihre Perspektive, um uns durch ihren Blick klarzumachen: Toni und
sein Kumpan Andi (Florian Lukas) taugen nicht als Posterboys der
NS-Propaganda, sondern sind bloß zwei junge Männer, denen ihr Dorf zu eng
ist und die sich beim Militär ständig Latrinendienst einhandeln.
Derart abgesichert und die geschichtliche Vorlage heftig dehnend, liefert
"Nordwand" massenkompatibles Actionkino made in Germany, das zumindest in
seiner ersten Hälfte den Anspruch aufrecht hält, die historischen
Hintergründe der Ereignisse mitzubedenken. Oben im Berg tragen es Mann,
Material, das Wetter und die Elemente krachend miteinander aus, während
unten im Hotel in behaglich ausgeleuchteter Umgebung ältere Herren im
Smoking Gespräche über die Notwendigkeit von Heldentum fürs Vaterland
führen.
Doch welche Ausflüge auch immer das Drehbuch in Richtung politischen
Kommentar oder zeitgeschichtlicher Kontextualisierung unternimmt, all das
lässt der Film bald hinter sich als unnötigen Ballast auf dem Weg nach
oben, und das heißt hier: auf dem Weg zum Schmerzensmann. Bevor er dahin
gelangt, liefert Stölzl Adrenalinkino der reinsten Sorte.
Der Berg ruft nicht, er brüllt. Knochen bersten, Gliedmaßen erfrieren,
Lawinen reißen alle Hoffnungen in die Tiefe. Heldenhaft stirbt hier keiner.
Der Zuschauer braucht sich nicht mehr, wie noch bei Luis Trenker, mit dem
heroischen Einzelnen zu identifizieren, sondern kann sich an den
Schauwerten selbst ergötzen: Darin liegt die eigentliche Modernisierung
dieses Genres durch Stölzl.
22 Oct 2008
## AUTOREN
Dietmar Kammerer
## TAGS
Remake
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