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# taz.de -- Wegen Diskriminierung: Muslima verklagt Diakonie
> Die Diakonie Hamburg lud eine Deutsch-Türkin nicht zum
> Vorstellungsgespräch ein, weil sie keine Christin ist. Die Frau klagte -
> und bekam recht. Nun geht der Fall in Berufung.
Bild: Egal ob Putzkraft oder Sozialpädagogin: Dürfen die Kirchen verlangen, d…
Es ist ein Fall, den die Kirchen aufmerksam verfolgen. Denn vor dem
Hamburger Landesarbeitsgericht geht es an diesem Mittwoch um die Frage, ob
sie auch in Zukunft von allen Bewerbern verlangen dürfen, Christen zu sein
- egal, ob es um eine Stelle als AltenpflegerIn, Bürokraft oder Putzhilfe
geht.
3.900 Euro Entschädigung bekam Yesim F., eine Deutsche türkischer Herkunft,
vergangenen Dezember in einem Rechtsstreit mit dem Diakonischen Werk in
Hamburg in erster Instanz zugesprochen. Der Grund: Der evangelische
Wohlfahrtsverband hatte die heute 45-Jährige nicht zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie sich weigerte, in die Kirche
einzutreten - und damit nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg gegen das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, besser bekannt als
Antidiskriminierungsgesetz.
Das Gesetz verbietet, dass Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft,
ihrer Religion, ihres Geschlechts oder wegen einer Behinderung
benachteiligt werden, es kennt aber Ausnahmen für Kirchen.
Das Pikante an dem Fall: Bei der Bewerbung ging es um eine Stelle als
Sozialpädagogin in einem von der EU geförderten Integrationsprojekt, das
MigrantInnen bei der Arbeitssuche unterstützen sollte. Yesim F. hatte
jahrelang für MigrantInnenorganisationen gearbeitet. Sie ist Muslima,
praktiziert aber nach eigenen Angaben ihre Religion nicht.
Die Diakonie ging gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung, die nun
an diesem Mittwoch in Hamburg verhandelt wird. "Die Aussichten stehen sehr
gut", sagte Wolfgang Teske, Vizepräsident des Diakonischen Werks, der taz.
Er beruft sich auf die sogenannte Kirchenklausel im
Antidiskriminierungsgesetz, auf die CDU und CSU bei der Verabschiedung 2006
großen Wert gelegt hatten. Demnach dürfen die Kirchen als Tendenzbetriebe
verlangen, dass ihre Mitarbeiter einer christlichen Konfession angehören.
Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche und ihr katholisches Pendant
Caritas beschäftigen deutschlandweit rund 900.000 Mitarbeiter und betreiben
etwa 52.000 Einrichtungen, darunter Altenpflegeheime, Kliniken und
Frauenhäuser.
Diakonie-Vize Teske hält am Selbstbestimmungsrecht der Kirchen fest, egal
um welche Stelle es geht: "Die Kirchen müssen die Möglichkeit behalten,
selbst entscheiden zu können, ob sie jemanden einstellen, der in der Kirche
ist oder jemanden, der es nicht ist."
Das sah das Arbeitsgericht im Fall von Yesim F. anders. Für die Stelle als
Sozialpädagogin in dem Projekt sei die Zugehörigkeit zur Kirche und die
christliche Religion "keine gerechtfertige berufliche Anforderung", heißt
es in der Begründung.
Rechtsexperten sind sich bei der Bewertung der Kirchenklausel nicht einig.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt in einem Gutachten zu dem
Ergebnis, dass die Kirchen weiterhin selbst bestimmen können, inwieweit ein
Arbeitnehmer ihren Anforderungen genügt. Die Autoren des Bremer Kommentars
zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sehen das anders. Nicht bei allen
Tätigkeiten könne eine Konfessionszugehörigkeit verlangt werden, nötig sei
eine kirchliche Prägung des konkreten Projekts.
"Wir beobachten den Fall mit großem Interesse", sagte Alexander Sopp von
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zumal seit einigen Monaten ein
Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland
laufe.
Die Kommission hält unter anderem die Ausnahmeregeln für Kirchen im
deutschen Antidiskriminierungsgesetz für nicht vereinbar mit EU-Vorgaben.
Die Religion zum Kriterium zu machen, sei bei der Einstellung von Lehrern
an einer katholischen Schule nachzuvollziehen, bei der Einstellung einer
Putzfrau aber nicht.
28 Oct 2008
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schule
kirchliche einrichtungen
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