# taz.de -- Fair Trade in Burkina-Faso: Bildung für Mangos | |
> Fair gehandelte Trockenmangos und Cashewkerne ermöglichen den Bauern von | |
> Niangoloko Teilhabe am Geldmarkt und neue Bildungschancen. | |
Bild: Mango: die Frucht, aus der in Niangoloko Träume gemacht werden. | |
NIANGOLOKO/BANFORA taz Die Frauen schälen, schneiden, sortieren, dörren und | |
kontrollieren die Früchte. Sie wiegen und verpacken getrocknete | |
Mangoscheiben. Alles Handarbeit, vom Baum bis zur Überseekiste. Made in | |
Burkina Faso. | |
Die Frauen tragen Arbeitskleidung und Mundschutz - "weil sie sonst | |
unaufhörlich quatschen", gibt uns augenzwinkernd ein Mitarbeiter zu | |
verstehen. Er transportiert in schrillen, grün-gelb gestreiften | |
Plastikeimern Mangos. Männer scheinen sich weniger für die feinmotorischen | |
Arbeiten anzubieten: Sie übernehmen die schwere körperliche Arbeit - oder | |
sind Aufseher, Fahrer, Chef. Und es sind ausschließlich Männer, die bei den | |
Versammlungen der Assoziation das Wort führen: "Unsere Frauen wollen nicht | |
öffentlich sprechen. Daran arbeiten wir", sagt Sommande Issaka, der | |
Geschäftsführer der Association TON. Zu den Arbeiterinnen Kontakt | |
aufzunehmen, wird auch aus diesem Grund bei unserem Rundgang schwierig. Und | |
weil sie häufiger als die Männer kein Französisch sprechen oder verstehen. | |
Die Association TON ist ein Zusammenschluss von Kleinbauern. Die | |
Kooperative verarbeitet frische Mangos in haltbare Trockenmangos. Für | |
europäische Kunden, die biologisch angebaute und fair gehandelte Produkte | |
kaufen wollen. David Heubi von Gebana Afrique will uns vor Ort zeigen, dass | |
dies "unter besten hygienischen Bedingungen" und mit Qualitätskontrollen" | |
geschieht. Der Generalmanager der Schweizer Fair-Trade-Organisation in | |
Westafrika bringt unsere Journalistengruppe mit Produzenten in Burkina Faso | |
zusammen, deren Erzeugnisse Gebana auf den europäischen Markt verschifft | |
und übers Internet vertreibt. | |
Wir fahren zur Mango-Plantage der Kooperative. Sie liegt etwas außerhalb | |
des kleinen Fleckens Niangoloko im Süden des Landes an der Grenze zur | |
Elfenbeinküste. Die Straße dorthin ist ungeteert. Kraterähnliche | |
Schlaglöcher, die jetzt zur Regenzeit immer weiter ausgeschwemmt werden, | |
machen den Weg abenteuerlich. Wir fahren vorbei an Lehmhäusern und den | |
klassischen Rundhütten. Kinder sitzen unter Palmblättern im Regen, die Füße | |
im aufgeweichten Matsch badend. Das ländliche Burkina Faso ist Afrika wie | |
aus einem Bilderbuch der Kolonialzeit: Frauen in bunten Stoffen tragen | |
Wasserkrüge und Brennholz auf dem Kopf, gekocht wird über dem offenen | |
Feuer, denn die Versorgung mit Strom und Wasser ist im ganzen Land sehr | |
gering. | |
Burkina Faso ist für die Teilnehmer der Gruppe ein Kulturschock, besser | |
gesagt: ein Armutsschock. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt mit | |
allen Begleiterscheinungen der Armut: wachsende Bevölkerungszahlen (pro | |
Jahr um 2,4 Prozent); verbreitete Krankheiten wie Aids, Malaria, | |
Tuberkulose; hoher Analphabetismus (72 Prozent); große Kindersterblichkeit | |
und niedrige Lebenserwartung (43 Jahre). Dürren und Desertifikation im | |
Norden zwingen viele Menschen zur Landflucht. Etwa 90 Prozent der | |
Bevölkerung betreiben Subsistenzwirtschaft und leben vom Anbau von Gemüse | |
und Getreide für den Eigenbedarf. | |
Mangos reifen im Juni und August. Jetzt, Ende August, sind die Bäume | |
abgeerntet. Stolz zeigt uns Geschäftsführer Issaka die neugepflanzten | |
Bäume. "Die Frucht ist eine wertvolle Kulturpflanze. Und während der | |
Erntezeit ist die Mango Grundnahrungsmittel für viele Menschen", sagt er. | |
Mangos schmecken frisch oder - vor der Reife - in Curry-Gerichten; man | |
macht aus ihnen Mango-Chutney und andere würzige Soßen, aber auch Saft, | |
Marmelade oder Kompott. | |
Mitten auf dem Mangofeld steht ein altes Schweizer Militärrad: schwer, aber | |
grundsolide. Es ist die Prämie eines Mitarbeiters. Gebrauchte Räder werden | |
von der Schweizer Velo-Recyclingwerkstatt Gump- & Drahtesel fachgerecht | |
aufgearbeitet und dann nach Afrika verschickt. Matthias Maurer von dem | |
"Unternehmen für soziale Innovation" ist mit dabei auf unserer Reise. | |
"Jedes Jahr verschicken wir 7.000 Velos und viele Ersatzteile nach Afrika. | |
Nach Burkina Faso waren es letztes Jahr 600 Räder", sagt er. Das "Milirad", | |
mit dem der Mango-Bauer nun tagein, tagaus aufs Feld radelt, komme mit | |
Sicherheit aus seiner Werkstatt. | |
Das wichtigste Exportgut Burkina Fasos ist - beziehungsweise war - | |
Baumwolle.Trotz der guten Qualität der burkinischen Baumwolle hat das Land | |
wegen der hohen Agrarsubventionen in westlichen Industrieländern Probleme, | |
seine Ernteerträge auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Seit der Schließung der | |
Fabrik Faso Fani im Jahre 2000 ist in Burkina Faso keine Weiterverarbeitung | |
von Baumwolle in größerem Stil mehr möglich. Die schönen bunten | |
afrikanischen Stoffe, die die Frauen tragen und die von Europäerinnen | |
bewundert werden, kommen längst aus China. | |
Burkina Faso wäre völlig vom Weltmarkt abgehängt, gäbe es nicht ein Heer | |
von Entwicklungshilfeorganisationen in der Hauptstadt Ouagadougou. "Fairer | |
Handel hilft die Existenz von Kleinbauern sichern", erläutert David Heubi. | |
Auch die deutsche GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und | |
Entwicklung) in Ouagadougou überlege, die Ausbildung bei | |
Fair-Trade-Partnern der Gebana in Burkina zu unterstützen. Der Erfolg | |
dieses Modells der Hilfe zur Selbsthilfe scheint, durch die direkte | |
Vermarktung in Europa, konkreter und erfolgversprechender. | |
"Die Mitarbeit in der Assoziation ist auch bei Einheimischen sehr begehrt. | |
Sie gibt ihnen festen Lohn, aber auch das Gefühl, etwas bewegen zu können", | |
sagt Geschäftsführer Issaka. "Bei uns arbeiten saisonal 430 Angestellte, | |
154 Mangobauern liefern ihre Produkte." Ihr Grundeinkommen liege mit | |
umgerechnet 1,80 Euro pro Tag 20 Prozent über dem | |
Jahresdurchschnittseinkommen von 340 Euro in Burkina Faso. Diese Einkünfte | |
inklusive der erwirtschafteten 16.000 Euro Überschuss ermöglichen den | |
Mitgliedern ein normales Leben, betont der Geschäftsführer. Mit dem | |
Mehrerlös, der sogenannten Prämie, wird darüber hinaus ein medizinisches | |
Zentrum in Niangoloko unterstützt, die Schule ausgebaut, alleinerziehenden | |
Müttern geholfen, werden Moskitonetze ausgegeben und Kredite an Frauen von | |
Kleinstunternehmen gezahlt. Die Kooperative betreibt auch ein | |
Durchgangsheim für "verkaufte Kinder", die zu ihren Familien zurückgebracht | |
werden sollen. Burkinische Kinder werden häufiger an der Grenze zur | |
Elfenbeinküste aufgegriffen. Schlepper versuchen sie als Arbeitssklaven zu | |
den großen Ananas-, Kaffee- und Kakaoplantagen der Elfenbeinküste zu | |
schmuggeln. Kinderhandel ist auch Thema des Theaterstücks, das die | |
Mitarbeiter von TON abends im Versammlungsraum der Kooperative uns zu Ehren | |
aufführen. | |
"Die Gebana unterstützt ihre Partner vor Ort durch landwirtschaftliche | |
Beratung, Verbesserung der Verarbeitungsmethoden sowie Vorfinanzierung", | |
erklärt David Heubi beim Rundgang. "Wir bejahen den Wettbewerb als Motor | |
zur Verbesserung auch im Fairen Handel und streben eine optimale | |
Rentabilität an", sagt er etwas PR-mäßig. Tatsächlich stieg durch | |
verbesserten Vertrieb und Marketing der Verkauf von getrockneten Mangos aus | |
Burkina Faso von 12 Tonnen 2002 auf 402 Tonnen im Jahr 2007. | |
Wir fahren weiter nach Banfora. Ein wichtiges städtisches | |
Verwaltungszentrum inmitten einer alten Kulturlandschaft mit vielen | |
Naturschönheiten wie den Cascades de Banfora, wo der Hippo (Flusspferd) | |
wohnt und Elefantenherden die schlammigen Straßen kreuzen. Die Association | |
Wouol ist größer als TON. Sie hat zur Hauptsaison 1.250 Angestellte, 80 | |
Prozent davon Frauen. Wouol produziert Mangos und Cashewnüsse. Beide sind - | |
wie bei TON - mit dem Bio- und Fair-Trade-Label zertifiziert. "Uns geht es | |
um die Förderung unserer ländlichen Region. Die Landflucht hier ist groß", | |
sagt der Präsident der Assoziation, Antoine Sombié. Er führt uns zur | |
Verarbeitungsanlage der Cashewnüsse. Wie bei der Mango-Verarbeitung werden | |
auch die Cashews von Hand aus der Schale gelöst, geschält, gesäubert, | |
sortiert. Ausschließlich Frauen in blauen Kitteln sitzen auf niedrigen | |
Hockern vor aufgehäuften Nüssen im unterschiedlichen Verarbeitungsstadium. | |
Unweigerlich fühlt man sich an Manchester-Manufakturen erinnert - wären | |
nicht der soziale Anspruch der Produktionsgemeinschaft und das Privileg der | |
Lohnarbeit. Wouol nutzt die Prämie zur Integration von Rückkehrern aus der | |
bürgerkriegsgeschüttelten Elfenbeinküste, für Alphabetisierung und Bildung | |
sowie zur öffentlichen Armenspeisung. | |
"Die FLO-Zertifizierung (Fair Trade Label Organisation) hat uns Märkte | |
geöffnet", lobt Antoine Sombié. "Ein Problem ist nur das Protokoll, das | |
dafür erstellt werden muss. Es ist eine bürokratische Herausforderung." | |
Denn wenn alljährlich der FLO-Inspektor aufkreuzt, müssen die Anwärter für | |
die Zertifizierung ihre Tauglichkeit in puncto Arbeitsbedingungen, | |
Bezahlung, Demokratie, Geschlechtergleichheit und Umweltverträglichkeit | |
schwarz auf weiß belegen. Der Schriftverkehr zum Label für den bewussten | |
Käufer in Europa ist für die Produzenten in Afrika ein bürokratischer | |
Stolperstein. Etwas "Kulturimperialismus" auf dem Weg zu einer faireren | |
Welt. | |
11 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
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