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# taz.de -- Wie Medienverlage die Finanzkrise nutzen: Gelegenheit macht Krise
> Zeitschriften und Zeitungen sparen drastisch, Redaktionen werden
> ausgedünnt, Titel werden eingestellt. Der Markt ist schwierig geworden,
> heißt es. Dabei ist alles von langer Hand geplant.
Bild: 60 Stellen sollen bei den vier Gruner+Jahr-Publikationen Capital, Impulse…
Wenn Medienunternehmer über Sparmaßnahmen sprechen, klingen sie wie Jörg
Kachelmann.
Bernd Buchholz, der Chef der deutschen Zeitschriften des großen Verlags
Gruner+Jahr, in dem etwa der Stern, Neon und die Financial Times
Deutschland erscheinen, sagte vor kurzem zum Beispiel: "Wenn Sie als
Kapitän auf der Brücke stehen und eine Riesenwelle aufs Schiff zukommen
sehen, dann müssen sie den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre
Liegestühle und Drinks beiseite stellen müssen." Oder Bodo Hombach, der
Geschäftsführer der großen WAZ-Gruppe aus Essen. Er befand im Oktober: "Die
See wird rauer."
Wirtschaftskrise als Wetterbericht. Als gäbe es keine handelnden Personen,
sondern nur Naturkatastrophen. So verkauft man Einsparungen als
Schicksalsentscheidung. Die Medienbranche droht in den Sog der
Wirtschaftskrise gezogen zu werden, und jeden Tag gibt es eine neue
Meldung, die den Sog bestätigt. Der Sturm ist schuld. Die raue See. Was für
eine Chance.
"Dass es im Moment allerlei Befürchtungen gibt, kommt vielen Verlagen
durchaus entgegen", sagt Medienwissenschaftler Horst Röper, der
Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts, das zur Konzentration in
der Medienwirtschaft und zu Strategien der größten deutschen
Medienunternehmen forscht. "Jetzt gibt es die öffentliche Akzeptanz für
harte Maßnahmen." Also ergreifen die Verlage harte Maßnahmen, mit immer
denselben Gründen: Der konjunkturelle Einbruch sorge dafür, dass weniger
Werbung geschaltet werde.
Dass tatsächlich weniger Werbung geschaltet werden dürfte, steht dabei
außer Frage. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) etwa
erwartet für 2009, dass der Werbemarkt schrumpft, wenn auch nur um 1 bis 2
Prozent, und geht davon aus, dass besonders die Medien schon 2008 davon
betroffen sein dürften. Die Einnahmen von Verlagen und Sendern gehen laut
ZAW-Analyse 2008 zurück. Andere schrauben sich andere Zahlen zusammen, zum
Teil auch erheblich schlimmere. Einen Aufschwung hat bislang tatsächlich
niemand entdecken können. Auch der Papierpreis soll steigen, um bis zu 20
Prozent, wie die norwegische Norske Skog, Europas größter Papierhersteller,
im November ankündigte.
Dennoch sei die konjunkturelle Situation nicht der einzige Grund für die
Sparmaßnahmen, sagt der Ressortleiter eines Verlags, dessen Publikation
selbst betroffen sein dürfte. "Es gibt tatsächlich einen Einbruch im
Anzeigengeschäft. Aber viele Verlage nutzen die Gelegenheit auch, um all
das umzusetzen, was sie ohnehin umsetzen wollen." Die Sparpläne der WAZ
sind zum Beispiel mindestens seit Juni bekannt. "Und da war von einer
Bankenkrise noch keine Rede", sagt Horst Röper.
Ähnlich ist es bei anderen Verlagen: Gruner+Jahr etwa stellt das Magazin
Park Avenue ein und legt die Redaktionen von vier Wirtschaftspublikationen,
die bislang auf Hamburg, Köln und München verteilt waren, in Hamburg
zusammen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verfügte ein Sparprogramm für
2009. Und die Süddeutsche Zeitung legte ihre lange geplante Sonntagsausgabe
auf Eis und soll darüber hinaus Millionen einsparen, obwohl ihre Auflage
tendenziell steigt. Bei einem Verlag stehen Korrespondentenbüros zur
Debatte, bei einem anderen werden Honorar- und Reisetöpfe eingedampft und
Inhalte vielfach verwertet, bei einem dritten werden Abfindungen geboten,
für alle, die freiwillig gehen. Alles wegen der rauen See. Alles muss raus.
Jetzt oder nie.
Das Motiv "kaufmännische Vorsicht", das etwa ein FAZ-Sprecher nannte, mag
sogar in manchen Fällen zutreffend sein. "Ob die betriebswirtschaftliche
Notwendigkeit für solche Sparmaßnahmen aber wirklich überall vorhanden ist,
lässt sich nicht prüfen", sagt Horst Röper. Die WAZ etwa, sagt Röper, "ist
in Gänze glänzend aufgestellt und verdient ordentlich Geld", zum Beispiel
in Südosteuropa, wo die Gruppe 26 Zeitungen herausgibt. Insgesamt gehören
52 Tages- und Wochenzeitungen und 176 Zeitschriften zu ihr. Als Christian
Nienhaus, der zweite Geschäftsführer neben Bodo Hombach, noch im September
von der Süddeutschen Zeitung gefragt wurde: "Die fast schon legendäre
Kriegskasse der WAZ-Gruppe ist gut gefüllt. Planen Sie Zukäufe?",
antwortete Nienhaus: "Natürlich" denke man an Zukäufe. "Aber wir werden das
Geld nicht raushauen, nur weil es da ist."
Nicht das Geld. Lieber das Personal.
Denn sparen will die Gruppe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung trotzdem.
Man könne nicht das Mutterhaus von den Zeitungen in Südosteuropa
subventionieren lassen, heißt es. 30 Millionen Euro sollen in
Nordrhein-Westfalen gespart, etwa 300 von 900 Stellen abgebaut werden, was
Geschäftsführer Bodo Hombach nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert
hat. Der Zeitungsumfang soll geringer werden. Vor allem aber sollen vier
Zeitungen - Westfälische Rundschau, Westfalenpost, Neue Rhein/Ruhr Zeitung
und Westdeutsche Allgemeine Zeitung - zum Teil zusammengelegt und
Lokalredaktionen gestrichen werden, in einer Region, die keinen Überfluss
an Zeitungen hat. Statt vier Journalisten solle etwa nur noch einer zu
Borussia Dortmund ins Stadion gehen, heißt es. Die "Praxis unnötiger
Doppelarbeit" könne man jedenfalls beenden, sagte Hombach dem NDR-Magazin
"Zapp". Schlechte Organisation sei nicht mit Pluralität zu verwechseln, das
neue Konzept solle "einen besseren Journalismus garantieren". Ob jedoch die
Abschaffung von Pluralität mit besserem Journalismus zu verwechseln ist?
Der Preis für das Sparprogramm ist jedenfalls hoch: Was bei der WAZ
passiere, sei "der größte Konzentrationsfall, den wir bisher in der
deutschen Zeitungsgeschichte hatten", sagt Horst Röper. Und auch die
Ereignisse bei Gruner+Jahr deuten darauf hin, dass es sich bei der
Medienkrise nicht nur um eine Krise der Bilanzen handelt. Sie könnte sich
zu einer Krise der Medienvielfalt und der Qualität auswachsen - auch wenn
Verleger sich jederzeit in der Lage sehen, das zu bestreiten. Dass die
Financial Times Deutschland von Gruner+Jahr, deren rote Zahlen ebenfalls
kein Symptom der Folgen der Bankenkrise sind, von März an von einer
Hamburger Wirtschaftszentralredaktion gemacht werden soll, die unter der
Gesamtleitung von FTD-Chefredakteur Steffen Klusmann auch für die anderen
Gruner+Jahr-Publikationen Capital, Impulse und Börse Online zuständig sein
soll, kann ebenfalls in diesem Zusammenhang gesehen werden. 60 Stellen
sollen bei den vier Medien wegfallen.
Mit einer ähnlichen Strategie wie nun WAZ und Gruner+Jahr hat der
Axel-Springer-Verlag die defizitäre Welt 2002 in einen Redaktionsverbund
mit der Berliner Morgenpost zusammengeführt. "Für Einsparungen durch die
Bildung von Gemeinschaftsredaktionen war der Springer-Verlag das Vorbild",
sagt Horst Röper. Nun aber soll bei Gruner+Jahr eine Großredaktion für eine
Tageszeitung, eine Wochen- und zwei Monatspublikationen entstehen. Das ist
ein weiterer Schritt in der Geschichte der Synergieeffekte. Bei Springer
wurden zwei Tageszeitungen und die Sonntagsausgabe Welt am Sonntag
verbunden. Dort ist die Entwicklung mittlerweile vorübergehend
abgeschlossen. So erklärt sich, was Springer-Sprecherin Edda Fels meinte,
als sie vom Tagesspiegel im Oktober so zitiert wurde: "Wir haben es uns zur
Devise gemacht, dass man sich bereits vor dem Sturm wetterfest machen muss
und tiefgreifende Kosten reduzierende Restrukturierungen beizeiten
vorgenommen."
Ganz nebenbei ist da auch er wieder im Spiel: der Sturm, der an allem
schuld ist.
Die Verlage, zeigt dieses Beispiel, lernen jedenfalls voneinander. Vor
Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass die WAZ ihr altes WAZ-Modell
aufgibt, das Kooperationen in Verwaltung, Produktion, Vertrieb und
Anzeigengeschäft erlaubt, aber die Eigenständigkeit der Redaktionen betont.
Nun, einige Jahre, nachdem der Springer-Verlag durch die Zusammenlegung von
Redaktionen die Welt in die schwarzen Zahlen geführt hat; und einige
Monate, nachdem Christian Nienhaus vom Springer-Verlag gekommen ist, um
WAZ-Geschäftsführer zu werden, ist das Modell plötzlich veraltet.
Auch der nächste Schritt kommt bestimmt. Das Problem ist nur, dass man mit
weniger Geld und deutlich weniger Journalisten keine bessere Qualität
bekommt. Das darf als ausgemacht gelten. Und so wehren sich auch
Redaktionen gegen den Journalismus der geringen Mittel. Die Ankündigung des
G+J-Sparprogramms animierte etwa die Stern-Redaktion zu einer einstimmig
verabschiedeten Resolution, in der es heißt: "Kosten-Rasenmäher sind ein
Zeichen von hilflosem Management." Die Anteilseigner mögen ihre
Gewinnerwartungen überprüfen und "auch einmal niedrigere Renditen
hinnehmen". Doch so, wie Journalisten an ihrem Beruf hängen, hängen
Verleger an den Traumrenditen, die sie noch weitgehend ohne Kürzungspläne
erzielen konnten, als die Welt noch irgendwie besser war. Zu verlieren
droht die Vielfalt. Nur wenige Jahre nach der ersten großen Medienkrise
2001 könnte diese neue Krise die Branche so im Kern beschädigen. "2001 ist
bei manchem Verlag - das muss man zugestehen - auch Speck weggefallen, den
er sich angefuttert hatte", sagt Horst Röper. "Jetzt gibt es keinen Speck
mehr."
26 Nov 2008
## AUTOREN
Klaus Raab
## TAGS
Zeitung
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